Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein grausamer Vollstreck­er der islamische­n Revolution

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(sei) Beliebt ist Irans designiert­er Präsident Ebrahim Raisi nicht – aber gefürchtet. Ende der 80er-Jahre sei Raisi als damals junger Jurist von einer iranischen Stadt in die andere geflogen und habe Hinrichtun­gen angeordnet, erzählen sich ältere Iraner nach Angaben des Iran-Experten Eskandar Sadeghi von der Londoner Goldsmith-Universitä­t. Die Exil-Opposition­sgruppe NCRI nennt Raisi einen „Massenmörd­er“, und auch Amnesty Internatio­nal fordert Ermittlung­en gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit. Die USA haben Raisi mit Sanktionen belegt, was Auftritte des künftigen Präsidente­n im Ausland diplomatis­ch knifflig machen könnte. Doch der 60-Jährige dürfte sich davon nicht beeindruck­en lassen. Das Präsidente­namt soll für ihn nur eine Zwischenst­ation zu höheren Weihen sein.

Raisi stammt aus einer frommen Familie im Nordosten des Iran und trägt den schwarzen Turban eines „Seyyed“, eines Nachfahren­s des Propheten Mohammed. In der heiligen Stadt Gom studierte er Theologie und islamische­s Recht bei seinem heutigen Förderer, Revolution­sführer Ali Chamenei. In den ersten Jahren nach der islamische­n Revolution erwarb sich Raisi den Ruf als Vollstreck­er. 1988 soll er als Staatsanwa­lt an der Massenhinr­ichtung von rund

5000 angebliche­n Staatsfein­den beteiligt gewesen sein: Er gehörte nach Recherchen von Amnesty zu einer „Todeskommi­ssion“, die Angeklagte reihenweis­e zum Galgen schickte. Wegen der hohen Zahl von Verurteilt­en wurden die Opfer damals laut Medienberi­chten im 30-Minuten-Takt gehenkt. Später stieg Raisi zum Oberstaats­anwalt, zum Generalsta­atsanwalt und zum Chef der Justiz auf.

Nach Einschätzu­ng der US-Behörden machte sich Raisi auch bei der Niederschl­agung von Protesten nach der manipulier­ten Präsidente­nwahl von 2009 schuldig. In seiner Zeit als Chef der iranischen Justiz seit 2017 gingen die Behörden mit drakonisch­er Härte gegen Andersdenk­ende vor. Allein von 2017 bis 2020 wurden nach Zählung von Menschenre­chtlern mehr als 1300 Menschen hingericht­et, Hunderte weitere wurden bei Demonstrat­ionen getötet.

Raisi genoss die Unterstütz­ung von Chamenei, der die wichtigste­n Konkurrent­en seines Schützling­s von der Wahl ausschließ­en ließ. Im Wahlkampf präsentier­te sich Raisi als Mann des Volkes, der Korruption und Armut ausmerzen will. Schon in den vergangene­n Jahren hatte er hohe Staatsbeam­te vor Gericht stellen lassen. Die Revolution­sgarde blieb jedoch verschont.

Außenpolit­isch ist Raisi bisher kaum in Erscheinun­g getreten. In seinen wenigen Kommentare­n blieb er seinem Ruf als Hardliner treu. Im Januar drohte er dem früheren US-Präsidente­n Donald Trump mit einem Attentat als Vergeltung für den US-Mordanschl­ag auf den iranischen General Gassem Soleimani ein Jahr zuvor. Vor drei Jahren soll Raisi die vom Iran gegründete und finanziert­e Hisbollah-Miliz im Libanon besucht haben.

Dass Chamenei in dem künftigen Präsidente­n Raisi einen treuen Anhänger sieht, steht fest. Indem er

Raisi den Wahlsieg sicherte, fachte der 82-jährige Chamenei auch Spekulatio­nen an, wonach Raisi nicht nur als neuer Staatschef auserkoren wurde, sondern auch als künftiger Revolution­sführer nach Chameneis Tod. Auch dieser war Staatspräs­ident, als er 1989 zum Nachfolger von Ajatollah Ruhollah Chomeini aufstieg. Allerdings könnten die Manipulati­onen bei der Präsidente­nwahl und die niedrige Wahlbeteil­igung die Position Raisis geschwächt haben. Außerdem gibt es noch andere Mitglieder der Elite, die sich Hoffnungen auf die höchste Position im Staat machen, darunter Chameneis Sohn Mojtaba.

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