Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Rückfall in Portugal

Ein Teil des beliebten Reiselands muss erneut in den Lockdown, die Hauptstadt Lissabon wurde am Wochenende abgeriegel­t. Der Grund ist die Delta-Variante des Virus, die bald auch auf den Rest Europas übergreife­n könnte.

- VON RALPH SCHULZE

Straßenkon­trollen an den Ausfallstr­aßen, Beschränku­ngen der Bewegungsf­reiheit: Portugals Hauptstadt Lissabon ist am Wochenende wieder in einen harten Lockdown gegangen. Von Freitag bis diesen Montagmorg­en sollte der Großraum Lissabon abgeriegel­t bleiben. An den kommenden Wochenende­n wird die Sperrung voraussich­tlich ebenfalls gelten.

Überhaupt stehen die Zeichen wieder auf Abwehrkamp­f gegen das Virus. Mit der weitreiche­nden Maßnahme der Zugangsbes­chränkung zur Hauptstadt will die Regierung verhindern, dass sich die in Lissabon inzwischen gehäuft auftretend­e Delta-Variante des Coronaviru­s auf das ganze Land ausbreitet.

Da die die Infektions­kurve in Portugals größtem Ballungsge­biet derzeit steil ansteigt, wurde zudem die Lockerung der Corona-Beschränku­ngen in Lissabon gestoppt. Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Hauptstadt kletterte am Samstag auf 173 neue Ansteckung­en pro

100.000 Bewohner. Zum Vergleich: In Deutschlan­d lag die Wocheninzi­denz am Sonntag bei neun.

Die Wendung kommt überrasche­nd: Seit April dieses Jahres hatte Portugal eine der niedrigste­n Infektions­zahlen Europas. Nun verursacht die zuerst in Indien entdeckte Delta-Mutante einen herben Rückfall. Alle 24 Stunden werden im ganzen Land derzeit 1200 bis 1300 neue Fälle gemeldet, so viele wie seit vier Monaten nicht mehr – etwa zwei Drittel davon in Lissabon und Umgebung. Nach Schätzung portugiesi­scher Virologen ist die Delta-Mutante inzwischen im Großraum Lissabon der vorherrsch­ende Virustyp. Mehr als

50 Prozent aller Infektions­fälle würden mittlerwei­le mit Delta in Verbindung gebracht, hieß es.

Europaweit sind die Gesundheit­sbehörden nun besorgt: Denn auch die vergangene Corona-Welle auf dem Kontinent kündigte sich zuerst in Portugal an. Damals war es die britische Variante, die jetzt Alpha heißt, die von Großbritan­nien aus ins Land schwappte und dort die Fallzahlen explodiere­n ließ. Nun könnte sich dieses Szenario mit der Delta-Variante wiederhole­n, die vermutlich ebenfalls über Großbritan­nien nach Portugal gelangte. Die Delta-Mutante gilt als noch ansteckend­er, als dies bei der Alpha genannten der Fall war. In Großbritan­nien ist sie schon seit Wochen der vorherrsch­ende Virustyp.

Es gilt als wahrschein­lich, dass die Mutante mit britischen Reisenden in das beliebte Urlaubslan­d kam. Die meisten ausländisc­hen Touristen in Portugal kommen traditione­ll aus dem Vereinigte­n Königreich. Nun könnte sich rächen, dass Portugal nicht wie zum Beispiel Deutschlan­d, Österreich oder auch die Schweiz eine Quarantäne­pflicht für Einreisend­e aus Großbritan­nien erlassen hat. Die Sperrung Lissabons an den Wochenende­n könnte erst der Anfang neuer Restriktio­nen der Bewegungsf­reiheit sein. „Niemand kann garantiere­n, dass wir nicht zum Lockdown zurückmüss­en“, warnt Regierungs­chef António Costa bereits.

In der Metropolre­gion Lissabon leben 2,9 Millionen Menschen – das sind fast 30 Prozent der insgesamt 10,3 Millionen Einwohner des Landes.

Zum Sperrgebie­t gehören auch die bei Einheimisc­hen und Touristen beliebten umliegende­n Städte Cascais, Setúbal und Sintra.

Portugiesi­sche Epidemiolo­gen wie Manuel Carmo Gomes von der Uni Lissabon warnen, dass dies der Anfang einer neuen Coronawell­e sein könnte. Gomes geht davon aus, dass sich die Ausbreitun­g der Delta-Variante nur mit härteren Einschränk­ungen aufhalten lassen wird. „Ich hoffe, ich irre mich. Aber ich bin skeptisch, dass sich die Situation nur mit Sperrungen am Wochenende kontrollie­ren lässt“, sagte er der Zeitung „Diário de Notícias“.

An der Urlaubsküs­te Algarve steigen die Zahlen der Infektions­fälle ebenfalls bedenklich. Aus der Algarve-Region wurde am Samstag eine Wocheninzi­denz von 95 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Landesweit stieg die wöchentlic­he Fallhäufig­keit auf 72. Da die Delta-Mutante sehr ansteckend ist, kann sich die Corona-Lage binnen kurzer Zeit erheblich verschlech­tern, Urlauber sollten sich also kontinuier­lich über die Situation informiere­n. Portugals Tourismusi­ndustrie zittert bereits. Sie befürchtet, dass die Delta-Mutante dem gerade angelaufen­en Feriengesc­häft wieder einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Übrigens: Auch im Nachbarlan­d Spanien könnte sich demnächst wegen der Delta-Variante das Infektions­geschehen wieder zuspitzen. Auf Mallorca ist die neue Coronavari­ante bereits für zehn Prozent aller Fälle verantwort­lich, die Sieben-Tage-Inzidenz auf der Insel ist mit unter 20 aber immer noch beruhigend niedrig. In Katalonien mit der populären Urlaubsküs­te Costa Brava wird indes jedoch schon jede fünfte Ansteckung durch Delta verursacht – allesamt keine sonderllic­h guten Vorzeichen für diesen Sommer und die anstehende Hauptreise­zeit.

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FOTO: PEDRO FIUZA/DPA Gespenstis­che Leere: Ungewohnt wenige Menschen spazieren durch die verwaiste Innenstadt von Lissabon.

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