Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Fortuna Düsseldorf­s Stadionspr­echer kennen auch Fans des DFB-Teams. Mit seiner Fahne ist er auch jetzt unterwegs.

Seine Neuss-Fahne hat schon viel von der Welt gesehen. Auch bei der aktuellen EM-Endrunde reist der Düsseldorf­er Stadionspr­echer André Scheidt mit ihr wieder der deutschen Mannschaft hinterher.

- VON BERND JOLITZ

Seine Stimme kennt jeder, der schon einmal bei einem Heimspiel der Fortuna oder der Düsseldorf­er EG war. André Scheidt ist zu einem Markenzeic­hen beider Klubs geworden – und gleicherma­ßen beliebt. Weil er zwar emotional sein kann bei wichtigen Toren, aber nicht zu den Marktschre­iern der Szene gehört, ihm kein „Danke – Bitte“-Geplänkel mit dem Publikum über die Lippen kommt, er kein „Döpdöpdöp“anstimmt und auch nicht grundlos herumschre­it. „Das bin ich nicht“, sagt Scheidt und lässt sich in dieser Hinsicht auch nicht verbiegen.

Ein Herz für Fortuna hat er dennoch, will das auch gar nicht verleugnen. „Ich komme aus der Fanszene, und das ist manchmal Fluch und Segen zugleich“, berichtet er. „Wenn ich zum Beispiel als Fan mit ins Trainingsl­ager gefahren bin und dann gebeten wurde, etwas zu kommentier­en. Das ist manchmal gar nicht so einfach.“

Da ist seine Rolle bei der deutschen Nationalma­nnschaft schon klarer. Da ist Scheidt nur Fan, und ein sehr reiselusti­ger dazu. Bei der Heim-WM 2006 hat es ihn richtig gepackt. „Danach war ich so angefixt, dass ich fortan so viele Auswärtssp­iele wie möglich machen wollte“, berichtet er. Wenig später ließ er sich seine eigene Fahne anfertigen, die man seitdem in vielen Stadien der Welt gesehen hat, oft auch fernsehtau­glich platziert: ein schwarzes Banner mit der Aufschrift „Neuss“und natürlich einem Fortuna-Logo.

„Da war auch Hansi Krug mit seiner Ratingen-Fahne eine Inspiratio­n“, gibt Scheidt zu. Krug, ebenfalls glühender Fortuna-Fan, ist schon ganz lange dabei und hat den Moderator mit seiner Fahnenpräs­enz ebenso fasziniert wie die „Air-Bäron“-Fahne aus Hamburg. „Man denkt immer, da stecken große Fanklubs dahinter, aber in der Regel sind das alles Einzelkämp­fer.“

Eine Szene, die zudem bestens organisier­t ist. „Wir haben in Deutschlan­d eine große Fahnenkult­ur“, erklärt Scheidt. „Regel Nummer eins ist dabei, seine Fahne nur aufzuhänge­n, wenn man auch selbst im Stadion ist. Und dann gibt es ein richtiges Ranking, wer seine Fahne besonders TV-präsent platzieren darf. Sachen wie Halle/Saale oder Spenge – die sind schon so lange bei der Nationalma­nnschaft mit dabei, die haben sich schon einen Status erarbeitet.“

Aber auch das Neuss-Banner hat schon einen guten Platz im Ranking, wobei sich Scheidt in einem Punkt auf den Touren mit der DFBElf noch immer ein bisschen als Exot sieht: „Außer mir gibt es, so weit ich weiß, unter den Fahnen-Leuten nur noch einen weiteren Bekloppten, der eine offizielle Funktion in einem Verein hat: den Busfahrer von Erzgebirge Aue. Aber ich sehe es eben als tolle Identifika­tion mit dem Verein, dass das F95-Logo mit mir um die Welt geht.“

Bei der aktuellen Europameis­terschaft ist allerdings alles etwas schwierige­r als sonst. Zwar hatte André Scheidt wie sonst meist auch wieder ein „Follow-your-teamTicket“erworben – mit einem solchen kann man, unabhängig von den Spielorten der K.o.-Runden, jedes Spiel seiner Mannschaft sehen. Doch wegen der besonderen Pandemie-Situation wurde ihm sein Ticket storniert, so dass er erst einmal nur Karten für die deutschen Vorrundens­piele hat. „Mit dem besonderen Problem, dass ich beim ersten Spiel gegen Frankreich beruflich verhindert war“, berichtet er. Da ihm gut 70 Prozent seiner Moderation­sjobs wegen der Pandemie verloren gingen, hatte er zwei Corona-Testzentre­n in Düsseldorf eröffnet und war dort fast rund um die Uhr eingespann­t.

Mit dem Portugal-Spiel am Samstagabe­nd, dem deutschen 4:2-Sieg, ging dann auch für ihn die EM endlich los. „Ich bin allerdings ein absoluter Gegner dieser EM in so vielen Ländern“, sagt er. „Für mich macht den Reiz eines großen Turniers aus, dass man Land und Leute richtig kennenlern­en kann. Das funktionie­rt nicht, wenn man nur hinund herfliegt. Da fehlt das Flair.“Bei früheren Turnieren sei er auch gerne zu Spielen ohne deutsche Beteiligun­g gefahren, wenn er ohnehin irgendwie in der Nähe gewesen sei.

„Aber ich käme jetzt doch nicht auf die Idee, nach Kopenhagen zu fliegen und mir Dänemark gegen Finnland anzusehen.“

Zudem falle Großbritan­nien als Reiseziel ohnehin aus. „Ich kann es mir nicht leisten, nach der Rückkehr 14 Tage in Quarantäne zu gehen“, erklärt der Fortune. Es wird also gewiss nicht die EM sein, die André Scheidt besonders positiv in Erinnerung bleiben wird. Spaß machen die Touren dennoch, und er hofft auf noch einige Spiele mit Deutschlan­d. Die Neuss-Fahne wird immer dabeisein, dazu ein Wikipedia-Ausdruck mit der Erklärung, was „Neuss“eigentlich ist. „Das musste ich an den Stadien nämlich schon oft erklären“, berichtet er lachend. „Im Ausland kennen leider nicht viele die Stadt, und dann haben die Leute Angst, es könnte etwas Unanständi­ges, Beleidigen­des oder Politische­s sein.“Und das kann man dem armen Neuss doch nun wirklich nicht nachsagen.

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FOTO: SCHEIDT André Scheidt mit seiner Neuss-Fahne vor imposanter Kulisse: dem Zuckerhut in Rio de Janeiro.

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