Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen zerbricht mancher Olympia-Traum. Aber der Weltmeiste­r ist fit.

Der Zehnkampf-Weltmeiste­r steigt beim Meeting in Ratingen nach acht Diszipline­n aus. Kai Kazmirek gewinnt wieder.

- VON GEORG AMEND

Niklas Kaul war mit dem Start des 24. Mehrkampf-Meetings beim TV Ratingen so gar nicht zufrieden gewesen. „Der erste Tag war scheiße, das muss man so offen sagen“, befand der Zehnkampf-Weltmeiste­r. Zwar gilt der 23-Jährige ohnehin eher als Mann des zweiten Wettkampf-Tages, doch bei seiner Premiere in Ratingen machte der Mann vom USC Mainz eine wertvolle Erfahrung: „Dass man in einen Wettkampf geht und sagt: Ich mache drei Diszipline­n und dann schauen wir mal – geht nicht. Da war die Einstellun­g falsch. So viel Erfahrung habe ich dann doch noch nicht. Das wird in Tokio anders sein“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dort wird er bei den Olympische­n Spielen starten, obwohl er auch in Ratingen nicht die Norm von 8350 Punkten erfüllte: Kaul stieg nach dem Stabhochsp­rung aus. „Wir haben überlegt, ob ein Weitermach­en im Hinblick auf eine Top-Vorbereitu­ng sinnvoll ist. Es ist ein Olympia-Jahr, und da zählt am Ende eben nur Olympia. Wir wollten kein Risiko eingehen, dass man sich hier noch verletzt“, sagte er. Er ist sicher, dass seine Form in Japan da sein wird. „Nach einem Tag wie Tag eins hier erwartet man das als Außenstehe­nder vielleicht nicht, aber es sind Kleinigkei­ten. Rein körperlich bin ich in einer super Verfassung, jetzt fehlen nur noch technische Details“, sagte er und ergänzte: „Ich habe ein gutes Gefühl. Ich weiß, dass die Form stimmt. Ich denke, es kann in Tokio Richtung Bestleistu­ng gehen.“

Die hatte er in Ratingen am zweiten Tag aufblitzen lassen: In der ersten Disziplin legte er über die 110 Meter Hürden in 14,38 Sekunden gleich eine persönlich­e Bestleistu­ng hin. Damit verkürzte er den Rückstand auf das zur Halbzeit führende Trio Andreas Bechmann, Kai Kazmirek

und Tim Nowak. Mathias Brugger (SSV Ulm), der den Lauf gewonnen hatte (14,28), sagte: „Niklas und ich hatten Punkte liegen lassen am ersten Tag und wollten direkt zeigen, dass es besser geht. Letzten Endes sind zwei gute Zeiten dabei rausgekomm­en.“Das galt auch für die anderen Deutschen in dem Lauf, die bis auf Brugger alle persönlich­e oder Saison-Bestleistu­ngen hinlegten.

Wie man im Kugelstoße­n zu möglichst vielen Punkten kommt, machte übrigens eine Siebenkämp­ferin allen Athleten in Ratingen vor: Odile Ahouanwano­u landete mit ihren 15,79 Metern einen neuen Landesreko­rd für Benin, es war der weiteste Stoß des Tages überhaupt, sie setzte sich damit an die Spitze des Siebenkamp­fes und wurde erst ganz am Ende von der Kanadierin Georgia

Ellenwood abgefangen. Beste Deutsche wurde Vanessa Grimm mit 6231 Punkten auf Rang vier, sie könnte es nun über das World Ranking zu Olympia schaffen. Anna Maiwald wurde Fünfte (6069).

Der starke Auftritt der deutschen Athleten hätte ein volles Ratinger Stadion verdient gehabt, das Hygienekon­zept des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV) ließ aber

nur 250 Personen auf die Tribüne, die sich weitgehend aus Ehrenamtli­chen, Kampfricht­ern und Sportler-Angehörige­n zusammense­tzten.

Sie sahen, wie sich der Stabhochsp­rung zur Drama-Disziplin entwickelt­e: Erst musste der Franzose Basile Rolnin mit drei ungültigen Versuchen bei seiner Einstiegsh­öhe seine Olympia-Träume begraben, dann erging es Nowak ebenso: Der Stab des Ulmers brach, er verletzte sich an der Hand, wurde von Sanitätern erstversor­gt und dann aus dem Stadion geführt. Ganz bitter für den bis dahin Drittplatz­ierten. „Das mit Tim ist natürlich super schade, ich hätte mich gefreut, mit ihm zusammen nach Tokio zu fahren“, sagte Kaul.

Für ihn lief die Disziplin dagegen gut: Er überbot mit 4,90 Metern seine Saisonbest­leistung. Kazmirek gewann mit 5,00 Metern und baute seine Führung aus. Bechmann wollte danach aussteigen, ein traumatisc­hes Knochemark­södem am Sprunggele­nk aus Götzis behinderte ihn. „Zehnkampf ist kein Gesundheit­ssport. Ich bin jetzt 21 und habe noch ein paar Jahre vor mir, da will ich das Risiko einer schwereren Verletzung nicht eingehen“, sagte er – und warf dann doch den Speer auf 53,35 Meter und lief die 1500 Meter. Er wurde Dritter hinter Brugger und Kazmirek, dem Sieger von 2019.

 ?? FOTO: KENNY BEELE/IMAGO ?? Weltmeiste­r Niklas Kaul war zum ersten Mal beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen dabei. Er wollte seine Form für Olympia testen und zog ein positives Fazit.
FOTO: KENNY BEELE/IMAGO Weltmeiste­r Niklas Kaul war zum ersten Mal beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen dabei. Er wollte seine Form für Olympia testen und zog ein positives Fazit.

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