Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Tönnies & Sohn auf Sendung
ANALYSE Der Fleischproduzent hat einen Podcast gestartet. Bislang gibt es zwei Folgen – und beide lassen jede Form der Selbstkritik vermissen.
Im vergangenen Jahr kursierte in sozialen Netzwerken ein Video, in dem Clemens Tönnies das Lied „Ich mach mein Ding“von Udo Lindenberg singt. Im Hintergrund sieht man ein paar Männer im Anzug, die peinlich berührt schauen – bis sich Tönnies zu ihnen umdreht. Da singen sie plötzlich mit. Clemens Tönnies hat einen Podcast veröffentlicht, in dem er gemeinsam mit seinem Sohn Maximilian über seine Familiengeschichte spricht. Zwei Folgen sind von „Tönnies & Tönnies“bislang erschienen – und man wird das Gefühl nicht los, dass sich auch hier ein paar Ja-Sager um ihn herum gedacht haben: Augen zu und durch.
Tönnies ist eine der schillerndsten und umstrittensten Unternehmerpersönlichkeiten in Deutschland. Mit seinen Schlachtbetrieben steht er wie kein anderer für das System
der Massentierhaltung, bei dem Arbeitskräfte aus Osteuropa ausgebeutet werden. Während der Corona-Pandemie wurde Tönnies’ Betrieb Zentrum massenhafter Infektionen – erst da reagierte die Politik. Und auch beim Fußballklub FC Schalke 04 zog man erst die Reißleine, als der damalige Aufsichtsratsvorsitzende mit rassistischen Bemerkungen auffiel.
Kurzum: Es gab zuletzt viel negative Presse für Clemens Tönnies. Und so dachte sich dieser offenbar: Wenn schon niemand anderes etwas Nettes über mich erzählt, mache ich es einfach selbst.
Hilfe bekommt er von Béla Anda. Der frühere Regierungssprecher von Kanzler Gerhard Schröder arbeitet seit Jahren als PR-Berater. Seine Spezialität: Krisenkommunikation. Und so soll Anda nun mit „Tönnies & Tönnies“offenbar den Fleischproduzenten aus Rheda-Wiedenbrück sympathisch in Szene setzen. Es ist nicht so, dass das Leben von Clemens Tönnies nicht genug Stoff für einen gut gemachten Podcast bietet. Nur leider ist „Tönnies & Tönnies“das Gegenteil – diesen Eindruck lassen die ersten zwei Folgen entstehen. Sie heißen „Der Handschlag“und „Der Aufstieg“. Genau so müssen Kapitel im Leben eines hemdsärmeligen Selfmade-Milliardärs wohl aus Sicht von PR-Beratern heißen. Aber sie wirken dann auch so wenig selbstkritisch, dass dem Zuhörer klar ist, dass man auf Folgen wie „Die Werkverträge“oder „Der Corona-Massenausbruch“wohl vergeblich wartet.