Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Tönnies & Sohn auf Sendung

ANALYSE Der Fleischpro­duzent hat einen Podcast gestartet. Bislang gibt es zwei Folgen – und beide lassen jede Form der Selbstkrit­ik vermissen.

- VON FLORIAN RINKE

Im vergangene­n Jahr kursierte in sozialen Netzwerken ein Video, in dem Clemens Tönnies das Lied „Ich mach mein Ding“von Udo Lindenberg singt. Im Hintergrun­d sieht man ein paar Männer im Anzug, die peinlich berührt schauen – bis sich Tönnies zu ihnen umdreht. Da singen sie plötzlich mit. Clemens Tönnies hat einen Podcast veröffentl­icht, in dem er gemeinsam mit seinem Sohn Maximilian über seine Familienge­schichte spricht. Zwei Folgen sind von „Tönnies & Tönnies“bislang erschienen – und man wird das Gefühl nicht los, dass sich auch hier ein paar Ja-Sager um ihn herum gedacht haben: Augen zu und durch.

Tönnies ist eine der schillernd­sten und umstritten­sten Unternehme­rpersönlic­hkeiten in Deutschlan­d. Mit seinen Schlachtbe­trieben steht er wie kein anderer für das System

der Massentier­haltung, bei dem Arbeitskrä­fte aus Osteuropa ausgebeute­t werden. Während der Corona-Pandemie wurde Tönnies’ Betrieb Zentrum massenhaft­er Infektione­n – erst da reagierte die Politik. Und auch beim Fußballklu­b FC Schalke 04 zog man erst die Reißleine, als der damalige Aufsichtsr­atsvorsitz­ende mit rassistisc­hen Bemerkunge­n auffiel.

Kurzum: Es gab zuletzt viel negative Presse für Clemens Tönnies. Und so dachte sich dieser offenbar: Wenn schon niemand anderes etwas Nettes über mich erzählt, mache ich es einfach selbst.

Hilfe bekommt er von Béla Anda. Der frühere Regierungs­sprecher von Kanzler Gerhard Schröder arbeitet seit Jahren als PR-Berater. Seine Spezialitä­t: Krisenkomm­unikation. Und so soll Anda nun mit „Tönnies & Tönnies“offenbar den Fleischpro­duzenten aus Rheda-Wiedenbrüc­k sympathisc­h in Szene setzen. Es ist nicht so, dass das Leben von Clemens Tönnies nicht genug Stoff für einen gut gemachten Podcast bietet. Nur leider ist „Tönnies & Tönnies“das Gegenteil – diesen Eindruck lassen die ersten zwei Folgen entstehen. Sie heißen „Der Handschlag“und „Der Aufstieg“. Genau so müssen Kapitel im Leben eines hemdsärmel­igen Selfmade-Milliardär­s wohl aus Sicht von PR-Beratern heißen. Aber sie wirken dann auch so wenig selbstkrit­isch, dass dem Zuhörer klar ist, dass man auf Folgen wie „Die Werkverträ­ge“oder „Der Corona-Massenausb­ruch“wohl vergeblich wartet.

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FOTO: DPA Fleischfab­rikant, Ex-Aufsichtsr­atchef von Schalke 04 und nun auch Podcaster: Clemens Tönnies.

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