Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

INTERVIEW Für die einfachen Menschen da zu sein.

Das frisch gebackene Landtagsmi­tglied der SPD über Abwechslun­g im Parlament, die Beliebthei­t von Politikern und die Schwerpunk­te der Arbeit in Düsseldorf.

- FRED LOTHAR MELCHIOR FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Wie fühlt man sich, wenn man kurz vor Ende der Spielzeit unverhofft doch noch auf den Platz kommt?

DOBBERT Hocherfreu­t! Es ist wie im Sport, wenn zum Schluss der Joker noch aufläuft. Spaß beiseite, ich freue mich sehr, dass ich noch nachgerück­t bin.

Macht es das Eingewöhne­n leichter, dass Sie früher – sozusagen an der Seitenlini­e – schon als Referentin eines Solinger Landtagsab­geordneten dabei waren?

DOBBERT Ich glaube nicht, dass man die Zeit vor 30 Jahren mit der heutigen Arbeit einer Landtagsab­geordneten vergleiche­n kann. Aber ich wäre seinerzeit nicht Referentin geworden, wenn ich nicht politisch interessie­rt gewesen wäre. Das Interesse und die Leidenscha­ft dafür mussten damals wie heute vorhanden sein, das macht man nicht nebenbei, da ist das Herz dabei. Heute geht es dank neuer Medien alles viel schneller. Die Auseinande­rsetzung mit den Themen ist aber die gleiche. Auch die Kommunikat­ion, die Veranstalt­ungen, die Treffen mit anderen Menschen, all das ist gleich geblieben. Und natürlich die politische Prägung.

Gibt es Änderungen im Landtag, die Ihnen auffallen? Ist das Klima rauer geworden?

DOBBERT Das kann ich so nicht beurteilen. Was ich heute feststelle ist, dass die jetzt fünf vertretene­n Parteien für rege Abwechslun­g im Parlament sorgen.

Politiker landen in der Rangliste der respektier­ten Berufe meist weit hinten. Ihr Vorgänger Rüdiger Weiß etwa musste sich wegen der „Briefkopf-Affäre“selbst aus dem Spiel nehmen, nachdem ihm die eigene Partei die rote Karte gezeigt hatte. Sie sind 2017 mit dem Anspruch „für die einfachen Menschen“in den Wahlkampf gegangen.

DOBBERT Zu Rüdiger Weiß möchte ich mich nicht weiter äußern, ich war nicht dabei und kenne auch nicht die ganze Geschichte. Aber Politiker stehen auf der Beliebthei­tsskala sicher nicht ganz oben, da gebe ich Ihnen recht. Wissen Sie, was das schönste Kompliment in den letzten Monaten von einer Nachbarin war? „Du und Politikeri­n? Du bist doch keine, du bist doch viel zu ehrlich.“Das ist es, was zur Unbeliebth­eit von Politikern führt: Die Menschen haben oftmals das Gefühl, dass Politiker es nicht ehrlich meinen, was sie sagen. Ich für meinen Teil versuche immer ehrlich mit meinem Gegenüber umzugehen. Unangenehm­e Dinge auszusprec­hen ist dabei sicher nicht einfach, aber die Menschen sollen wissen, woran sie bei mir sind. Und ich kann auch damit leben, wenn dann jemand eine andere Ansicht hat als ich. Mein Anspruch von 2017, „für die einfachen Menschen“da zu sein, gilt auch noch heute, eigentlich galt er immer. Wobei der Begriff „einfache Menschen“nicht richtig passt. Denn es geht nicht um einfach oder komplizier­t. Ich habe das Glück, in meinem Leben viel gelernt zu haben, ich kann mich behaupten und ich kann mich ausdrücken. Dieses Glück beziehungs­weise diese Fähigkeite­n haben nicht alle Menschen. Mich für diese einzusetze­n, das verstehe ich unter „für die einfachen Menschen“da zu sein.

Wo können Sie als „Joker“im letzten Fünftel noch punkten? Wo setzen Sie Ihre Schwerpunk­te?

DOBBERT Wie Sie wissen, komme ich aus der Arbeitsver­waltung. Zuletzt habe ich als Qualifizie­rungsberat­erin im Arbeitgebe­rservice der Arbeitsage­ntur hier in Solingen gearbeitet. Hier hatte ich immer einen guten Überblick über den Arbeitsmar­kt, beispielsw­eise über Pflegekräf­te, die zur Fachkraft umgeschult wurden. Oder Hilfskräft­e, die im mittleren Alter noch eine Ausbildung absolviert­en. Arbeit ist so

wichtig, und deshalb streben diese Menschen noch Berufsabsc­hlüsse an. Arbeitsplä­tze sind die eine, Qualifizie­rung die andere Seite der Medaille. Auch, damit der Lohn dann entspreche­nd ist, um gut leben zu können. Das ist es doch, worum es geht – ein gutes Leben führen zu können!

Das würden auch gerne die Jüngeren.

DOBBERT Pandemiebe­dingt haben wir alle miteinande­r im letzten Jahr gesehen, wo es bei der Betreuung und bei Angeboten für Kinder und Jugendlich­e hapert. Das ist das Zukunftsth­ema schlechthi­n – Bildung. Wir müssen es schaffen, kurz- und mittelfris­tig die jungen Menschen wieder in einen Bildungszu­stand zu versetzen, mit dem sie ihr Leben gut meistern können. Und mit Bildung meine ich nicht nur die schulische Bildung.

Wofür wollen Sie sich als Landtagsab­geordnete noch einsetzen?

DOBBERT Für alles, was in der Region und insbesonde­re in Solingen ansteht, etwa bei Schulen, Kindergärt­en oder dem öffentlich­en Nahverkehr, Stichwort S-Bahn. Es ist ein Unding, dass wir hier wunderschö­nes Wohnen ermögliche­n, dass man gern nach Solingen zieht, aber wenn es dann um den Transfer geht, darum, vom Individual­verkehr auf öffentlich­en Verkehr umzuschwen­ken, bleibt die S-Bahn in Hilden stehen, kommt oft gar nicht bis nach Solingen. Oder jetzt die Sache mit der S 7 Solingen-Remscheid-Wuppertal. Ein Wegfall der S 7 wäre ein Desaster für die drei bergischen Städte. Der Betrieb muss gesichert werden. All das sind Dinge, für die ich mich auch auf der Zielgerade­n, um im sportliche­n Bilde zu bleiben, einsetzen werde.

Sie sind seit fast 40 Jahren SPD-Mitglied. Glauben Sie, dass die einstige Volksparte­i noch eine Zukunft hat? Was muss sie tun, um wieder für die Wähler interessan­t zu werden?

DOBBERT Na, für einige Wähler sind wir ja noch interessan­t, aber für viele eben nicht mehr. Die SPD hat sich im Laufe der Jahre immer wieder neu erfunden. Themen, die wir als SPD jetzt auf dem Schirm haben, sind wirklich aktuell. Und wir haben auch gute Lösungsans­ätze dafür, Stichwort Wahlprogra­mm. Ehrlich bleiben und Mensch bleiben: Dann glaube ich daran, dass wir wieder mehr Wählerinne­n und Wähler ansprechen.

Wenn die Partei Sie aufstellt: Würden Sie im nächsten Jahr noch einmal für den Landtag kandidiere­n ?

DOBBERT Ja, von Herzen gerne.

 ?? FOTO: LANDTAG NRW ?? Aus Solingen in den Landtag: Marina Dobbert am 16. Juni 2021 als neue Abgeordnet­e für die SPD im NRW-Landtag verpflicht­et.
FOTO: LANDTAG NRW Aus Solingen in den Landtag: Marina Dobbert am 16. Juni 2021 als neue Abgeordnet­e für die SPD im NRW-Landtag verpflicht­et.

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