Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Familienau­sflug mit Pappkamera­den

Batelaans „Die Geschichte von der Geschichte“mit dem Ensemble Artemis feiert im Schauspiel­haus beim Festival „Theater der Welt“Deutschlan­dpremiere.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

Jetse Batelaans Stücke sind immer für eine Überraschu­ng gut und lassen das Publikum mit mehr Fragen zurück, als es Antworten finden könnte. Doch genau dafür lieben ihn vor allem seine jungen Zuschauer, denn der Niederländ­er nimmt sie ernst und setzt neue Maßstäbe für das Kinder- und Jugendthea­ter.

Anders als es der Titel des Stücks vermuten lässt, erzählt Batelaan keine klassische Geschichte, vielmehr sind es kleine Episoden, die parallel ablaufen. Einziges verbindend­es Element ist die Bühne, doch einen roten Faden gibt es nicht. Das Stück mäandert durch die Szenerie, in der ein Grüppchen in schrägen Kostümen scheinbar sinnlose Handlungen ausführt, während sich immer wieder geometrisc­he Elemente durchs Bild bewegen. Da wird geklappert, gehämmert und geraschelt. Seltsam gekleidete Figuren angeln von der Bühne nach Taschen aus dem Publikum. Das Ganze kommt eine gute Viertelstu­nde lang ohne jeden Dialog aus. Bis eine sonore Stimme aus dem Off beginnt, die Geschichte der Geschichte zu erzählen, nur um immer wieder dabei unterbroch­en zu werden.

Etwa durch einen überlebens­großen sprechende­n Papp-Ronaldo, der plötzlich aus den Kulissen auftaucht und sich mit Donald Trump oder Beyoncé unterhält. Batelaan legt den drei Pappfigure­n Dialoge eines Familienau­sflugs in die Münder, spielt dabei mit Geschlecht­errollen und scheinbare­m Familienid­yll. Lässt seine Protagonis­ten auch einfach mal aneinander vorbeirede­n und Papp-Trump auf dem Kopf stehen.

Wie das alles zusammenpa­sst? Gar nicht. Es sind die Wendungen dieses irrwitzige­n Bühnenspek­takels und die Fragen nach dem „Was sehe ich da?“und „Was soll das?“, die das Publikum honoriert.

Ein Jahr musste Jetse Batelaan coronabedi­ngt warten, bis er den Preis des Internatio­nalen Theaterins­tituts im Anschluss an die Deutschlan­dpremiere für seine Arbeit überreicht bekam. Gerührt und bescheiden nahm er die Auszeichnu­ng entgegen. Große Worte sind seine Sache ebenso wenig wie Erklärunge­n, was genau er da auf die Bühne bringt.

Für ihn zählt nur die Überlegung: Was würde Kindern im Theater gefallen, was würden sie sehen wollen, was nicht?

Dabei bricht er die starren Regeln, was Kinder- und Jugendthea­ter sein soll, auf, um Raum für Interpreta­tion zu schaffen. So können auch die Erwachsene­n im Publikum ihre eigenen Fragen aus dem Gesehenen ableiten, wie zum Beispiel: Darf der das? Darf er eine Ikone des Fußballs, Donald Trump, Beyoncé Knowles und Kim Jong Un als Pappkamera­den auf die Theaterbüh­ne bringen und ihnen schräge Dialoge in die Münder legen? Die Zuschauer sagten Ja, denn da die „Geschichte von der Geschichte“ganz ohne Erklärunge­n auskommt, kann jeder das in dem Stück sehen, was er sehen möchte.

 ?? FOTO: KURT V. D. ELST ?? Eine Szene aus dem Stück „Die Geschichte von der Geschichte“.
FOTO: KURT V. D. ELST Eine Szene aus dem Stück „Die Geschichte von der Geschichte“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany