Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Viele Remscheider in Geldsorgen
(wey) Mehr als 14 Prozent aller Remscheider Privathaushalte sind überschuldet, das zeigt der aktuelle Schuldner-Atlas. Damit nimmt die Stadt einen unrühmlichen Spitzenplatz in Deutschland ein: Von 401 erfassten Kommunen ist die Überschuldungsquote nur in
28 höher. Darunter übrigens auch die Nachbarn aus Solingen (Platz
384) und Wuppertal (396). Dabei sind die Folgen der Corona-Krise, sagen viele Experten, in diesem Bereich noch gar nicht spürbar.
Damit sei erst in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen, sagt Florian Schäfer: „Das kommt zum Vorschein, wenn die Rettungsschirme und anderen Hilfsprogramme auslaufen.“Dass die Zahl der Privatinsolvenzen in den ersten Monaten
2021 um mehr als 50 Prozent gestiegen ist, führt der Geschäftsführer der Diakonie im Kirchenkreis Lennep, die in Remscheid Schuldnerberatung anbietet, eher auf eine Gesetzesänderung zurück.
Denn seit einigen Monaten gilt eine kürzere Frist für die Restschuldbefreiung. Statt wie bisher in sechs können Menschen nach einer privaten Insolvenz nun in drei Jahren schuldenfrei werden. Entsprechend hätten viele den Start ihres Verfahrens hinausgezögert: „Die Kollegen in der Schuldnerberatung haben auch bewusst dazu geraten, allein schon, um Falschberatungen zu vermeiden.“Eine Regelung, die Schäfer nur begrüßen kann. Viele Menschen würden wegen Krankheit oder anderer Umstände, die sie selber nicht zu verantworten haben, in eine Überschuldung geraten, betont er: „Und für die ist das natürlich eine große Erleichterung.“Im nächsten Schritt müsse nun geregelt werden, dass negative Merkmale zum Beispiel in Schufa-Einträgen schneller wieder gestrichen würden.
Dass die private Überschuldung in bestimmten Regionen deutlich häufiger auftritt, hängt augenscheinlich mit dem Strukturwandel zusammen. Unter den Städten mit den höchsten Quoten finden sich mit Oberhausen, Duisburg und Gelsenkirchen gleich mehrere Ruhrgebietsvertreter. Trauriger Spitzenreiter ist das von Werftenschließungen gebeutelte Bremerhaven mit einer Arbeitslosenquote, die regelmäßig jenseits der zehn Prozent liegt.
Auffällig ist zudem: Während die Überschuldungsquote in Deutschland insgesamt abnimmt, steigt der Wert in den besonders betroffenen Regionen eher an. Helfen kann eine Schuldnerberatung, wie sie die Diakonie anbietet. Allerdings sind die meisten Beratungsstellen überfordert, es gibt viel mehr Bedarf als Beratungskapazität. Nicht zuletzt, weil die Finanzierung nicht ausreicht. Während für Bezieher bestimmter Sozialleistungen der Beratungsanspruch und damit die Finanzierung gesetzlich geregelt ist, gilt der Rest als „nichtpflichtige“Beratung – und da können die Beratungsstellen sehen, woher das Geld kommt.
Einen Teil schießen die Sparkassen zu. Ein weiterer Batzen kommt meist von der Stadt. Im Sozialausschuss wurde gerade ein außerplanmäßiger Zuschuss von 50.000 Euro beschlossen, auch im Hinblick auf die Pandemie-Folgen. Dem muss nun noch der Stadtrat am 24. Juni zustimmen.