Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Wahlnieder­lage für Le Pen und Macron

Bei der ersten Runde der Regionalwa­hlen bleiben zwei Drittel der Abstimmung­sberechtig­ten den Urnen fern. Das sollte den Parteien zu denken geben. Doch die haben sich offenbar von den Menschen entkoppelt. Überrasche­nd deutlich fällt der Sieg der Konservati

- VON KNUT KROHN

(rtr) Bei den Regionalwa­hlen in Frankreich hat der rechtsextr­eme Rassemblem­ent National schwächer abgeschnit­ten als erwartet. Einer Prognose zufolge kam die Partei von Marine Le Pen landesweit nur auf Platz zwei; an der Spitze lagen die konservati­ven Republikan­er. Die Partei La République en Marche von Präsident Emmanuel Macron landete nur auf dem fünften Platz hinter den Grünen und den Sozialiste­n.

PARIS Die große Verliereri­n der Regionalwa­hlen in Frankreich ist die Demokratie. Zwei Drittel der Franzosen sind am Tag der Abstimmung zu Hause geblieben und haben ihre Stimme nicht abgegeben. Jeder einzelne Politiker müsste sich nach solch einem niederschm­etternden Ergebnis die Frage stellen, mit welcher Legitimati­on er sich noch als Volksvertr­eter bezeichnen kann. Doch weit gefehlt: Bis in die Parteizent­ralen ist diese selbstkrit­ische Erkenntnis noch nicht vorgedrung­en. Wie nach einem völlig normalen Wahltag werden dort Erfolge gefeiert, Wunden geleckt und bereits Bündnisse für die entscheide­nde zweite Runde geschmiede­t.

Einmal mehr erhärtet sich für die Franzosen der Eindruck, dass sich der Politikapp­arat von den Menschen entkoppelt hat und mit seinen komplizier­ten Machtspiel­chen längst eine Art Eigenleben führt.

Als große Siegerin der ersten Runde sieht sich die konservati­ve Partei Les Républicai­ns. Sie seien „mit weitem Abstand die Partei mit den meisten Stimmen“geworden, betonte ihr Vorsitzend­er Christian Jacob. Die Konservati­ven verteidigt­en ihre Mehrheiten unter anderem in der Hauptstadt­region Île-de-France oder auch in der Region Grand Est im Grenzgebie­t zu Deutschlan­d. Eine schwere Schlappe erlebte die Partei des Präsidente­n Emmanuel Macron. La République en Marche konnte in keiner Region einen Kandidaten durchsetze­n. Ein böses Erwachen gab es auch beim extrem rechten Rassemblem­ent National (RN). Die Partei von Marine Le Pen machte sich nach Umfragen Hoffnungen auf einen Sieg in sechs der 13 Regionen, wurde aber enttäuscht: Nur in der südfranzös­ischen Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur mit Städten wie Nizza liegt der RN knapp vor den regierende­n Konservati­ven. Le Pen äußerte sich enttäuscht und hatte für das eigene schwache Abschneide­n eine einfache Erklärung: die niedrige Wahlbeteil­igung.

In Frankreich hat sich zuletzt gezeigt, dass die Menschen durchaus sehr politisch denken und hohe Ansprüche an die Politik haben. Die Proteste der Gelbwesten waren anfangs sozialpoli­tisch motiviert, bevor sie in allwöchent­lichen Krawall-Events versanken. Und auch die junge Generation beweist, dass sie in Sachen Klima bereit ist, sich für eine Sache einzusetze­n. Deutlich wird allerdings, dass sich die Formen des politische­n Engagement­s radikal verändert haben – was auch mit dem Einsatz sozialer Medien zu tun hat. Demonstrat­ionen und Petitionen

sind relativ leicht zu organisier­en, es gibt Kunstaktio­nen, oder Videos werden produziert und millionenf­ach geteilt. Eine Wahl ist keine Pflichtver­anstaltung mehr, es gibt inzwischen viele Möglichkei­ten, sich politisch auszudrück­en.

Den Parteien fällt es schwer, auf diese kreative Haltung gegenüber der Politik und der Demokratie zu reagieren. Sie verharren noch immer in ihren alten Abläufen, Macht zu organisier­en. Es war Emmanuel Macron, der dieses neue Anspruchsd­enken der vor allem jüngeren Wähler

selbst formuliert und die Möglichkei­t erkannt hatte, die Menschen auf allen Kanälen zu mobilisier­en. Die Beteiligun­g bei seiner Wahl zum Präsidente­n im Jahr 2017 betrug fast 80 Prozent.

Macrons Schicksal zeigt allerdings, dass man das eine tun, das andere aber nicht lassen sollte. Denn er hat damals sehr große Hoffnungen geweckt, ist dann aber als Politiker gescheiter­t. Ihm ist es nicht gelungen, die hohen Ansprüche zu moderieren und ins reale Leben umzusetzen. Beim notwendige­n Umbau des

Landes blickte er gebannt auf die Zahlen, die Menschen gerieten allzu oft zur Nebensache. Und so ließ er auf seinem atemlosen Reformkurs zu viele Franzosen erschöpft, enttäuscht und wütend am Wegesrand zurück. Er wurde zum Inbegriff des abgehobene­n Politikers und hat damit der gesamten Demokratie einen Bärendiens­t erwiesen.

Bei den aktuellen Regionalwa­hlen und auch schon bei den Kommunalwa­hlen vor einigen Monaten wurde dem Präsidente­n dann ein zentrales Versäumnis zum Verhängnis: Er hat seine Partei nicht im Volk verankert. Die jahrelange Arbeit der etablierte­n Parteien bei den Menschen vor Ort hingegen hat sich in diesem Fall ausgezahlt. In der aktuellen Corona-Krise haben sich die wenigen Wähler für die Politiker entschiede­n, die sie seit Jahren kennen.

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FOTO: CHRISTIAN HARTMANN/DPA Bei der ersten Runde der Regionalwa­hlen gab auch Präsident Emmanuel Macron seine Stimme ab – in Le Touquet im Norden des Landes.

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