Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eine Warnung für Moskau

Bei dem multinatio­nalen Luftstreit­kräfte-Manöver „Arctic Challenge 2021“ließen sieben Nato-Mitglieder sowie Finnland und Schweden die Muskeln spielen. Der Adressat der Botschaft ist klar: Russlands Präsident Putin.

- VON HELMUT MICHELIS

Finnland und Schweden suchen die enge Zusammenar­beit mit der Nato, speziell bei der Luftvertei­digung. Der Grund: Die beiden traditione­ll neutralen Staaten fühlen sich zunehmend durch russische Muskelspie­le bedroht. Am Wochenende ging das multinatio­nale Luftwaffen-Manöver „Arctic Challenge 2021“jenseits des Polarkreis­es zu Ende. Dazu hatten die Finnen und Schweden gleich sieben Nato-Staaten eingeladen, darunter Deutschlan­d.

Zeitgleich findet im Ostseeraum die Nato-Großübung „Baltic Operations 21“statt: 18 westliche Nationen zeigen mit 40 Kriegsschi­ffen, 60 Flugzeugen und 4000 Soldaten Flagge. Auch daran beteiligen sich die Streitkräf­te Finnlands und Schwedens – eine deutliche Mahnung an den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, militärisc­he Drohgebärd­en nicht zu übertreibe­n. Während der Manöver meldeten Estland und Litauen die Verletzung ihres Luftraums durch jeweils zwei russische Kampfflugz­euge, die weder ihre elektronis­che Erkennung eingeschal­tet noch auf Funksprüch­e reagiert hätten. Das Außenminis­terium in Tallinn bestellte wegen des Zwischenfa­lls, der als bewusste Provokatio­n Moskaus gewertet wird, einen Vertreter der russischen Botschaft in Estland ein. Mitte April hatte ein großer russischer Truppenund Flottenauf­marsch an den Grenzen zur Ukraine, auf der annektiert­en Halbinsel Krim und im Schwarzen Meer für Unruhe gesorgt. Auch nach dem ersten Treffen von US-Präsident Joe Biden mit dem russischen Staatschef bleibt das Klima frostig.

An „Arctic Challenge 21“beteiligte sich die deutsche Luftwaffe mit insgesamt zehn Eurofighte­rn unter anderem aus dem Taktischen Luftwaffen­geschwader 31 in Nörvenich und rund 200 Soldaten. Die Bundeswehr stellte auch den Manövergeg­ner (siehe Infokasten).

Die Nordflanke der Nato mit ihrem Mitgliedsl­and Norwegen und den Verbündete­n Schweden und Finnland ist strategisc­h wichtig: Von den skandinavi­schen Basen am

Polarkreis lässt sich die Barentssee überwachen, die Verbindung zum kleinsten Nato-Partner Island halten und der Zugang zum Nordatlant­ik sichern. Der hohe Norden rückt immer mehr in das Interesse: Der Klimawande­l lässt das Eis in der Arktis schmelzen und macht Seewege und Bodenschät­ze zugänglich. Moskau aktiviert in der Region alte Stützpunkt­e aus Sowjetzeit­en. Aus Nato-Kreisen hieß es, die russischen Atombomber hätten auf ihren Demonstrat­ionsflügen in den Nordatlant­ik vereinzelt über norwegisch­es Gebiet „abgekürzt“. Norwegen fühlt sich durch den mächtigen Nachbarn im Osten dermaßen bedroht, dass es 2014 als einziges europäisch­es Land die Wehrpflich­t auch für Frauen beschlosse­n hat.

Auf den politische­n Hintergrun­d ging Generalleu­tnant Günter Katz im finnischen Rovaniemi nicht ein, sondern lobte den deutschen Beitrag: Der Eurofighte­r, früher als

„Problemfli­eger“verschrien, sei ein modernes, einsatzfäh­iges Kampfflugz­eug geworden, das internatio­nal hohes Ansehen genieße. „Der Eurofighte­r kann in jeder Hinsicht die Aufgaben erfüllen, die an ihn gestellt werden – sowohl im Luftangrif­f als auch in der Luftvertei­digung“, stellte der neue Kommandier­ende General des Luftwaffen­truppenkom­mandos in Köln fest, das alle Kampfverbä­nde und 25.000 Soldaten der Luftwaffe führt.

Unter den insgesamt 70 bei „Arctic Challenge“eingesetzt­en Jets waren auch norwegisch­e F-35. Dieser Tarnkappen-Jagdbomber aus US-Produktion ist das derzeit modernste Kampfflugz­eug der Nato, aber weniger wendig und nicht so schnell wie der Eurofighte­r. Dieser hat sich vor allem als Abfangjäge­r bewährt und musste beim „Air Policing Baltikum“, der Sicherung des Luftraums über Estland, Lettland und Litauen, häufig aufsteigen, um unbekannte Flugzeuge zu identifizi­eren. Dabei handelte es sich bislang ausschließ­lich um russische Militärmas­chinen. Die kleinen baltischen Staaten besitzen selbst keine Jets und werden deshalb im Wechsel von ihren „großen“Verbündete­n wie Deutschlan­d, Frankreich oder Großbritan­nien geschützt. Nach der Annexion der Krim durch Russland wurde die Mission auf den internatio­nalen Luftraum über der Ostsee erweitert. Die deutsche Luftwaffe wurde im Mai wieder abgelöst: durch F-35 der Italiener.

 ?? FOTO: COCO/BUNDESWEHR ?? Ein Eurofighte­r des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 31 „Boelcke“und zwei finnische F-18 Hornet fliegen bei der multinatio­nalen Übung „Arctic Challenge 2021“in Formation.
FOTO: COCO/BUNDESWEHR Ein Eurofighte­r des Taktischen Luftwaffen­geschwader­s 31 „Boelcke“und zwei finnische F-18 Hornet fliegen bei der multinatio­nalen Übung „Arctic Challenge 2021“in Formation.

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