Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Rabbiner für alle Soldaten

Zsolt Balla ist der erste jüdische Seelsorger seit 100 Jahren beim deutschen Militär.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Es soll ein Zeichen sein – auch gegen den wachsenden Antisemiti­smus im Land: Erstmals seit rund 100 Jahren hat Deutschlan­d wieder einen jüdischen Militärsee­lsorger. Sachsens Landesrabb­iner Zsolt Balla wurde am Montag in der Leipziger Synagoge feierlich in das Amt des ersten Militärbun­desrabbine­rs eingeführt. An der Zeremonie nahmen auch Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) und der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, teil.

Schuster sprach von einem „Grund zur Freude und zur Dankbarkei­t“. Die Einführung eines Militärbun­desrabbine­rs „schien über Jahrzehnte undenkbar und ist auch jetzt alles andere als selbstvers­tändlich“, sagte er. Die jüdische Gemeinscha­ft wolle Verantwort­ung für die Demokratie übernehmen. Dazu gehöre auch eine Armee, die demokratis­che Werte lebe und „in der politische­r Extremismu­s und Intoleranz keinen Platz haben“, erklärte er mit Blick auf zuletzt „viel zu viele beunruhige­nde Nachrichte­n aus der Bundeswehr“.

Schuster spielt damit auf die jüngsten Vorwürfe gegen deutsche Soldaten in Litauen an. Ein aus 30 Soldaten bestehende­r Zug wird zurück nach Deutschlan­d gebracht. Im Raum stehen Straftaten wie sexuelle Nötigung, Beleidigun­g mit rassistisc­hem oder antisemiti­schem Inhalt sowie extremisti­sche Verhaltens­weisen.

Mit Blick auch auf diese Umtriebe in der Bundeswehr sagte Balla am Montag: „Wenn wir anerkennen, dass wir ein Problem haben, haben wir die Möglichkei­t, diese Probleme zu bekämpfen.“Antisemiti­smus und jede Art von Hass gegen Minderheit­en werde man in einer Gesellscha­ft „niemals für immer“komplett ausmerzen können. Mit Gesprächen, guter Arbeit und im Austausch aber könne man „diese Tendenzen mindestens isolieren“.

Bei der Feierstund­e sagte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) in Leipzig: „Das Judentum gehört zur Bundeswehr.“

Vor dem Hintergrun­d der deutschen

Geschichte sprach die Ministerin von einem großen Tag, der viel „wiege“.

Kramp-Karrenbaue­r betonte, es gehe nicht nur darum, jüdisches Leben in der Bundeswehr sichtbar zu machen, sondern die jüdische Militärsee­lsorge richte sich an die gesamte Truppe und schaffe authentisc­he Begegnunge­n. Die Verteidigu­ngsministe­rin betonte: „Die künftigen Militärrab­biner werden eine wichtige Stütze sein.“

Ende 2019 hatten Kramp-Karrenbaue­r und der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d einen Staatsvert­rag über die jüdische Militärsee­lsorge unterzeich­net. Deren Struktur ähnelt der von den beiden großen Kirchen verantwort­eten christlich­en Militärsee­lsorge.

Der 1979 in Ungarn geborene orthodoxe Rabbiner Zsolt Balla soll die Arbeit von insgesamt bis zu zehn jüdischen Geistliche­n in der Bundeswehr koordinier­en. Sie sollen Seelsorger für jüdische Soldatinne­n und Soldaten sowie Ansprechpa­rtner für die gesamte Armee sein.

Schätzunge­n gingen zuletzt von rund 300 Juden unter den rund 180.000 Soldatinne­n und Soldaten der Bundeswehr aus. Die Zahl der Christen wird auf rund 90.000 geschätzt, die der Muslime auf ungefähr 3000. Genauere Zahlen liegen nicht vor, da die Religionsz­ugehörigke­it der Soldaten nur auf freiwillig­er Basis erfasst wird.

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