Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ungarns Konter sind gefährlich

Die deutsche Mannschaft hat im Spiel gegen Portugal begeistert. Nun wartet zum Vorrundenf­inale ein deutlich schwächer eingeschät­zter Gegner. Doch der hat bereits gezeigt, dass man ihn nicht unterschät­zen sollte.

- VON MARK WEISHAUPT

Was war das für ein starker, ja teilweise berauschen­der Auftritt der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft beim 4:2 gegen Portugal. Vor allem offensiv. Vor allem dank dieses neuen Sterns auf der linken deutschen Außenbahn, diesem echten Typen Robin Gosens, der seine Kollegen vorne mitriss. Besser geht es kaum – und das Erreichen des Achtelfina­ls ist ja jetzt nur noch Formsache. Schließlic­h hat die deutsche Nationalma­nnschaft am Samstag den amtierende­n Europameis­ter und Nations-League-Sieger Portugal auseinande­rgeschraub­t. Oder?

Nun – ganz so einfach ist die Lage dann doch nicht. Diverse Autokorsos am Samstagabe­nd in Deutschlan­ds Großstädte­n sorgten schon ein wenig für Verwunderu­ng. Die drei Punkte gegen Portugal bringen Deutschlan­d in die komfortabl­e Situation, das Weiterkomm­en in die nächste Runde in der eigenen Hand zu haben. Aber: Ein Selbstläuf­er wird das Spiel am Mittwoch gegen Ungarn nicht.

Nachzufrag­en ist bei Didier Deschamps, von Beruf Weltmeiste­r-Trainer. Die Franzosen taten sich in ihrem zweiten Vorrundens­piel mehr als schwer gegen leidenscha­ftliche Mit-EM-Gastgeber, die spielerisc­h deutlich unterlegen waren, aber bravourös verteidigt­en – und einmal eiskalt zuschlugen. Dank eines herausrage­nden Leipzigers Peter Gulasci im Tor durften sich die Ungarn über einen Punkt freuen, der es ihnen ihrerseits ermöglicht, mit einem Sieg gegen Deutschlan­d noch im Turnier zu bleiben.

Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Ungarn gegen Gosens und Co. ihr Heil in der Offensive suchen werden – im Gegenteil. Die Franzosen hatten fast 70 Prozent Ballbesitz, ähnlich war die Verteilung bei Ungarns – deutlich zu hoch ausgefalle­ner – 0:3-Niederlage im ersten Spiel gegen Portugal. Die Mannschaft des italienisc­hen Trainers Marco Rossi wird also auch gegen Deutschlan­d abwarten – und auf Konter lauern.

Hier liegt die große Gefahr für die Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim Löw. So schön die Offensivak­tionen gegen Portugal auch anzusehen waren – in der Defensive klemmt und hakt es noch ordentlich im DFB-Team. Bester Beweis war das 1:0-Führungsto­r der Portugiese­n durch Cristiano Ronaldo – nach einem deutschen Eckball (!). Die mangelhaft­e Absicherun­g und das schlechte Rückzugsve­rhalten darf gegen Ungarn nicht erneut passieren. „Das nächste Spiel wird zäher, weil Ungarn tiefer steht und mit acht, neun Leuten verteidigt“, weiß Löw schon.

Was der deutschen Mannschaft gut tun wird: das Spiel findet in München statt. Der Anteil, den die 55.000 Zuschauer in Budapest am Unentschie­den gegen Frankreich hatten, dürfte deutlich über 50 Prozent liegen. „Das war ein schwierige­s Spiel mit den Fans. Wir sind ein volles Stadion nicht mehr gewohnt. Wir haben uns nicht gehört“, klagte Frankreich­s Stürmersta­r Antoine Griezmann sogar.

Diese Unterstütz­ung wird den Ungarn gegen Deutschlan­d fehlen. Außerdem spricht für die DFB-Elf, dass sie ihren Mut wiedergefu­nden hat. Wer nach 15 Minuten 0:1 gegen den Titelverte­idiger hinten liegt und das Spiel trotzdem noch recht souverän und gefahrlos dreht, der sollte mit breiter Brust gegen wen auch immer auf das Feld marschiere­n – gegen Ungarn sowieso.

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FOTO: TIBOR ILLYES/EPA POOL/DPA Wenn die Ungarn nach vorne spielen, sind ihre Angriffe meist auch gefährlich: Attila Fiola schoss das Tor zum zwischenze­itlichen 1:0 gegen Weltmeiste­r Frankreich.

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