Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Tour als Therapie

Emanuel Buchmanns Ambitionen auf das Podium einer großen Rundfahrt wurden zuletzt zweimal durch Stürze gestoppt. In Frankreich startet der Kletterspe­zialist nun ohne großen Druck als Joker und Helfer seines Teams.

- VON TOM BACHMANN UND STEFAN TABELING

(dpa) Die Form ist da, das Knie hält: Emanuel Buchmann hat auch seinen letzten Härtetest vor der Tour de France bestanden. „Ich habe mich sehr gut gefühlt, das war das Wichtigste für mich“, sagte Buchmann nach den deutschen Meistersch­aften in Stuttgart. Das Trikot mit dem schwarz-rot-goldenem Brustring gab es zwar nicht, dafür Platz vier und die wichtige Erkenntnis, dass das durch den Sturz beim Giro d‘Italia lädierte Knie keine

„Ich werde mich nicht absichtlic­h abhängen lassen.

Aber der Kurs liegt mir nicht wirklich“

Emanuel Buchmann Team Bora-Hansgrohe

Probleme mehr bereitet.

Wenn die Frankreich-Rundfahrt am Samstag in Brest losrollt, wird es für Buchmann ohnehin ein Rennen wie kein anderes. Die deutsche Radsport-Hoffnung wird nicht als Kapitän seines Teams Bora-Hansgrohe fahren, vielmehr soll Buchmann nach seiner kurzfristi­gen Nominierun­g als Joker und Etappenjäg­er viele Freiheiten genießen. „Ich werde mich nicht absichtlic­h abhängen lassen. Aber der Kurs liegt mir nicht wirklich, und Wilco (Kelderman) ist unser Leader“, betonte der 28-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Ich werde einfach mal schauen, wo ich nach dem Zeitfahren und den ersten Bergetappe­n stehe.“

Mit so wenig Druck ist Buchmann

zuletzt nicht in eine Grand Tour gegangen. Es wird ihm gut tun, vor allem mental. Denn nach seinem vierten Platz bei der Tour 2019 waren seine Angriffe auf das Podium von Sturzpech geprägt. Im vergangene­n Jahr war Buchmann schon bei der Dauphiné in bestechend­er Form, stürzte aber bei dem Vorbereitu­ngsrennen für die Tour in einer Abfahrt und kam nicht mehr in Tritt. Im Mai zeigte sich der Ravensburg­er beim Giro ebenfalls in prächtiger Verfassung, ein unglücklic­her Sturz auf der 15. Etappe ließ jedoch alle Podiumsträ­ume platzen.

Es ist nur allzu verständli­ch, dass Buchmann die Was-wäre-wennFragen gar nicht an sich heranlasse­n will. „Es ist extrem hart, weil man wirklich viele Monate nur dieses

Ziel im Kopf hat. Dann stimmt die Form, sehr Vieles wäre möglich, und dann steht man trotzdem vor dem Nichts“, sagte der nicht einmal 60 Kilogramm schwere Kletterspe­zialist. Die Große Schleife soll nun auch so etwas wie eine Therapie für ihn werden: „Darum wollte ich auch die Tour fahren, um den Giro möglichst schnell hinter mich zu lassen. Ein Erfolgserl­ebnis wäre schon schön.“

Schön und vor allem nicht unmöglich. Verliert Buchmann in der ersten Woche viel Zeit, werden ihm die Top-Fahrer in den Bergen Freiheiten gewähren. Anderersei­ts will er vorn dabeibleib­en, sollte Kapitän Kelderman ausfallen. Der beendete zwar den Giro im vergangene­n Jahr auf Platz drei, ist den Beweis seiner Leistungss­tärke bei der Tour aber noch schuldig. Wie schnell es gehen kann, weiß auch Teamchef Ralph Denk. „Es kann auch sein, dass unserem Kapitän Wilco Kelderman etwas passiert. Dann sind wir vielleicht froh, wenn Emu noch auf Schlagdist­anz ist“, sagte Denk der dpa.

In Bestform wird Buchmann nicht am Start stehen, wie der Teamchef erklärt: „Sonst wäre ja alles Schwachsin­n, was wir machen. Das Timing ist in der Trainingss­teuerung sehr komplex. Normal hätte er jetzt Pause. Die Form ist ganz gut, aber nicht auf Giro-Niveau.“

Erst im Höhentrain­ingslager in Livigno fiel die Entscheidu­ng, es bei der Tour zu versuchen. Die beiden Zeitfahren liegen ihm zwar nicht, aber womöglich ist diese Therapie-Tour ohne Druck genau das Richtige für ihn. Denn in einer Sache ist sich Buchmann sicher: „Ich habe mein persönlich­es Leistungsl­imit noch nicht ganz ausgereizt.“

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FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO/IMAGO Emanuel Buchmann (l.) wird bei der Tour de France als Helfer von Bora-Kapitän Wilco Keldermann an den Start gehen.

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