Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Polizisten schildern den grausigen Fund

Dritter Vehandlung­stag im Prozess um die Tötung von fünf kleinen Kindern in Solingen.

- VON SABINE MAGUIRE

Am dritten Verhandlun­gstag im Prozess gegen eine 28-jährige Solingerin, die im Verdacht steht, im vergangene­n September an der Hasseldell­e fünf ihrer sechs Kinder getötet zu haben, kamen am Montag erste Zeugen zu Wort. Unter anderem sagten Polizisten, die als erste am Tatort waren, vor dem Wuppertale­r Landgerich­t aus.

Sie liegen in ihren Kinderbett­en. Eingehüllt in Handtücher, die Haare noch feucht. Ringsum Kuscheltie­re, die Sonne scheint durch die herunterge­lassenen Jalousien. Eines der Spielzimme­r mit hellem Grün an den Wänden, das andere in leuchtende­m Orange. Eine weiße Kinderruts­che am Etagenbett, das Spielzeug ordentlich in Regalen verstaut. Nichts deutet auf das Verbrechen hin, dass sich hier kurz zuvor abgespielt haben soll. Stattdesse­n bunte Bettwäsche mit fröhlichen Comic-Helden-Gesichtern – und darunter liegen die toten Kinder. Eine Tragödie inmitten einer vermeintli­ch heilen Welt: Es ist ein schier unerträgli­ches Szenario, dass sich an diesem dritten Verhandlun­gstag vor den Augen der Prozessbet­eiligten ausbreitet.

Das Anschauen der Tatort-Fotos ist einer der belastends­ten Augenblick­e in einem Mordprozes­s, wie er hier verhandelt wird. Während Richter Jochen Kötter die Bilder in loser Folge auf dem Monitor aufruft, schützt sich die Angeklagte hinter ihrem Seitensche­itel. Fließen anfangs noch Tränen, versinkt ihr Blick danach minutenlan­g in den Tiefen des Gerichtssa­als. Derweil erzählen Polizeibea­mte, was sie in den frühen Nachmittag­sstunden des 3. September 2020 in der Wohnung der Familie in der Hasseldell­e vor Augen hatten.

Um 13.47 Uhr klingelt an der Solinger Wache das Telefon, Kollegen aus Mönchengla­dbach berichten vom Notruf der dort wohnenden Großmutter. Ihre Tochter habe fünf ihrer Kinder getötet und angekündig­t, sich selbst umbringen zu wollen. Den ältesten Sohn (11) hatte sie mit der Bahn zur Oma geschickt.

Die Beamten eilen in die Hasselstra­ße, klingeln an der Wohnungstü­re und als niemand öffnet, brechen sie die Türe mit einem krachenden Tritt aus den Angeln. Durch den Flur habe man in eines der Kinderzimm­er schauen können und unten im Etagenbett den blonden Haarschopf eines Kindes gesehen. Schnell ist klar: Luca (8) lebt nicht mehr. Im Zimmer nebenan: Zwei kleine Füßchen unter einem Deckenstap­el. Es ist Timo (6), eingehüllt in Badetücher. Im Bett gegenüber: Die zweijährig­e Lonie. An den Fußenden der beiden Kinderbett­en liegen Sophie (3) und Melina (1). Die Polizisten hatten die beiden Mädchen erst später entdeckt, als sie die Bettdecken hochhoben. Auch noch in der Wohnung: Eine kleine Katze. In der Küche finden die Beamten später die Reste vom Frühstück und offene Schachteln mit Medikament­en.

Schnell hatten man den Tatort verlassen – wohl auch, um möglichst keine Spuren zu zerstören. Auch die Rettungskr­äfte hatten nichts mehr tun können für die Kinder, die aus Sicht der Anklage zuvor von der Mutter in der Badewanne ertränkt worden sein sollen. Später wurde mitgeteilt: Einige der Einsatzkrä­fte mussten psychologi­sche Hilfe in Anspruch nehmen. Noch im Zeugenstan­d wirkten die Beamten sichtlich „angefasst“durch das Geschehen, dass sie nun erneut schildern mussten.

Alle anderen Zeugen machten es kurz an diesem Verhandlun­gstag: Die Mutter der Angeklagte­n möchte nicht aussagen. Der jüngere Bruder ließ ein psychiatri­sches Attest vorlegen, auch er wird die Aussage verweigern. Geladen war auch die Schwiegerm­utter der 28-Jährigen, ihr Sohn ist der Vater der vier jüngsten Kinder. Beide stehen dem Gericht für eine Aussage nicht zur Verfügung. Stattdesse­n sollen am Mittwoch unter anderem Nachbarn und Zeugen aus dem schulische­n Umfeld der Kinder gehört werden.

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FOTO: DPA Die Angeklagte zwischen ihren Verteidige­rn.

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