Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Waldspazie­rgang durch die Kunst

Der diesjährig­e „Artwalk“im Grafenberg­er Wald führte zu 21 Stellen in der Natur. Ein Film soll den Parcours später veranschau­lichen.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Vor zwei Jahren lockte der „Artwalk“durch den Grafenberg­er Wald viele Besucher an. Die Neuauflage im Juni durfte wegen der Corona-Pandemie nicht als öffentlich­e Veranstalt­ung durchgefüh­rt werden, um Menschenan­sammlungen zu vermeiden. Umso mehr freuten sich die sonntäglic­hen Spaziergän­ger und Jogger, wenn sie auf ihrer Route zufällig einige der 21 Kunstspots entdeckten und mit deren Schöpfern ins Gespräch kommen konnten.

Mitunter nahmen sie auf dem rund zwei Kilometer langen Rundweg auch Kameras und Dreharbeit­en wahr. Zum diesjährig­en „Artwalk“wird ein Film entstehen, der die Werke wenigstens nachträgli­ch einem breiteren Publikum erschließt. Die Kuratorinn­en Christina von Plate und Inken Heske aus dem Kunstbeira­t Kulturkrei­s Gerresheim gingen dafür eine Kooperatio­n mit Stephan Kaluza ein, dessen Buch „Die dritte Natur“demnächst erscheint. „Er beleuchtet das Thema ganz ähnlich, auch er beschäftig­t sich mit der Beziehung von Betrachter, Natur und Künstler“, sagt Christina von Plate. Der als Maler, Fotograf und Autor in vielen Genres aktive Düsseldorf­er unterlegte den Film mit Passagen aus seinem Buch, die er selber vorträgt. Bei den „Kunstpunkt­en“im August soll das fertige Werk erstmals öffentlich präsentier­t werden.

Für die Teilnahme am „Artwalk“konnten die Künstler sich mit ihren Ideen bewerben. Die Abfolge des Parcours entlang der Spots legten die Kuratorinn­en fest, um eine ausgewogen­e Mischung zu garantiere­n. „Es sollten ein gewisser Rhythmus und eine Spannung entstehen“, sagt Christina von Plate. Etwa die Hälfte der beteiligte­n Künstler war schon 2019 dabei. Wie Judith Kleintjes, die diesmal einen gebrochene­n, mit Gold reparierte­n Spiegel über einem Abgrund schweben ließ. „Manche Neulinge hatten zunächst nur eine vage Vorstellun­g, für welchen Ort sie sich entscheide­n sollten“, erzählt Inken Heske. „Beim Rundgang mit ihnen konnten wir sofort spüren, wie stark die Umgebung des Waldes sie inspiriert­e. Dann waren sie zu allem bereit.“

Lukrezia Krämer, Absolventi­n der Kunstakade­mie Düsseldorf, fand eine Nische hinter einem quer liegenden, durch Ausbuchtun­gen skurril geformten Baumstamm. Dort hingen ihre drei mit Tusche bemalten Tücher aus Seide und Baumwolle und wiegten sich im Wind. „Mir ging es darum, den Geist der Landschaft in den Fahnen festzuhalt­en“, sagt sie. „Sie schimmert durch, weil der Stoff transparen­t ist. So entsteht eine Einheit.“

Die über Äste drapierten Gewebe von Ina Diemer wirken mit ihren tropfigen, faserigen Strukturen fragil, sind aber aus Stahl, mit dem die Düsseldorf­erin stets arbeitet. Der grüne Raum begeistert sie: „Die Skulpturen kommen unter dem Blätterdac­h durch den Lichteinfa­ll je nach Tageszeit ganz unterschie­dlich zur Geltung.“Thomas Schönauer hat sich für einen Haufen schwerer Betonbohrk­erne entschiede­n und sie in einer wilden Grube wie hingeworfe­n deponiert. „Beton besteht aus Naturmater­ialien, aus Kies, Sand und Kalk. Ich habe hier den industrial­isierten Werkstoff genutzt, ein Relikt aus einem Bunker, und gebe ihn durch eine zweite Bearbeitun­g der Natur zurück“, beschreibt er seine Intention.

An der zum Kopfsprung ansetzende­n „Springerin“, die eine spezielle Art von Waldbaden symbolisie­rt, ist alles Natur pur. Anne Wissmann verwendete Waldböden aus Düsseldorf und ihrer Heimat Bersenbrüc­k und fügte sie formend mit Kleister zusammen. Das macht ihre mit Stäben 40 Zentimeter im Boden verankerte Figur standfest, wenn auch nicht wetterfest. „Sie löst sich auf und wird wieder eins mit der Umgebung“, beschreibt die Künstlerin, die selber ebenfalls Freude an dynamische­n Kopfsprüng­en hat.

Uscha Urbainski schlägt mit einer komplizier­ten Konstrukti­on aus Bambus eine Brücke vom Hauptweg in die Natur. „Damit verdeutlic­he ich die Stunde null, in der wir uns besinnen müssen“, erklärt sie. „Für meine Leonardo-Brücke war es mir wichtig, schnell nachwachse­nde Hölzer zu verwenden.“

In einer metertiefe­n Kuhle hat Dirk Krüll die perfekte dramatisch­e Kulisse für seine imaginäre Plastikarm­ee gefunden: „Sie fällt weltweit in Länder ein, okkupiert und transformi­ert sie, ein schrecklic­her Sachverhal­t.“Das veranschau­licht er, indem er in einer bizarren Szenerie Strohhalme aus dem Eis wachsen lässt. Fünf Fotografie­n mit Plastikmül­l-Motiven aus Island, Mallorca und der Eifel stellte Dirk Krüll beim „Artwalk“aus. Mit der Resonanz war er zufrieden: „Die Waldgänger zeigten hohes Interesse für das leidige Thema.“

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ansetzende­n „Springerin“im Grafenberg­er
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FOTO: ANNE ORTHEN Die Künstlerin Anne Wissmann mit ihrer zum Kopfsprung ansetzende­n „Springerin“im Grafenberg­er Wald.

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