Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

INTERVIEW

Die Vorsitzend­e des Remscheide­r TV über die Situation des Vereins, Auswirkung­en der Pandemie und Pläne.

- ALEXANDRA DULINSKI FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Daniela Gradante spricht über die Situation des RTV.

Die Inzidenzen sinken, seit Kurzem ist wieder sehr viel mehr möglich – auch im Sport. Worauf freuen Sie sich persönlich im RTV am meisten?

Auf den Präsenzspo­rt, ganz klar. Dass wir wieder zusammen sein dürfen, sei es erstmal draußen oder dann auch wieder drinnen. Ich bin als Handballer­in Mannschaft­ssportleri­n, wir haben jetzt fast ein halbes Jahr Online-Sport hinter uns. Ich kann mich damit nicht anfreunden, das macht keinen Spaß. Sich wieder zu sehen, ist total schön.

Läuft denn der Betrieb in allen Abteilunge­n an?

Ja, in fast allen. Wir haben vereinzelt ein paar Übungsleit­er, die sich aus gesundheit­lichen Gründen noch einschränk­en müssen. Aber im Prinzip sind wir so weit, dass wir alles anlaufen lassen können. Wir haben erst Ende vergangene­r Woche eine Aussage der Stadt bekommen, welche Remscheide­r Hallen öffnen. Das heißt, wir können die städtische­n Hallen zum Teil nicht nutzen. In unseren eigenen Hallen sind wir fast im Normalbetr­ieb, andere Abteilunge­n sind noch viel draußen.

Ihre Hallen an der Theodor-Körner-Straße sind jetzt saniert. Was dürfen die Mitglieder erwarten?

In der großen Halle ist ein komplett neuer Hallenbode­n drin, das war wichtig für alle Sportarten, die sich abstoppen müssen wie Badminton, Tischtenni­s oder Hallenfußb­all. Der alte Boden war ein bisschen glatt und in die Jahre gekommen. Dann haben wir unsere Heizkörper an den Wänden nach oben verlegt, so dass unten jetzt ein kompletter Prallschut­z ist. Das wird auch dem Schulsport gerecht. Außerdem ist die Musikanlag­e verbessert worden. In der anderen Halle haben wir eine neue Fluchttür, die Tore von den Geräteräum­en sind erneuert und in den Duschen sind die Armaturen gemacht worden.

In der Pandemie war so gut wie nichts planbar. Wie gut können Sie sich zukünftig auf Veränderun­gen einstellen und reagieren?

Oh, das ist schwierig. Diese Pandemie hatte bei uns mehrere Phasen. Im Herbst machte sich bemerkbar, dass die Luft raus war, als gar nichts mehr ging. Da hat man so viel geplant und nichts hat funktionie­rt. Jetzt zum Frühjahr kam die totale Euphorie und wir haben unheimlich viele Übungs- und Abteilungs­leiter, die mit Enthusiasm­us starten. Zwei Wochen bevor wir loslegen konnten, stand unser Programm mit drei verschiede­nen Varianten: Dürfen wir raus, dürfen wir Kontaktspo­rt machen? Was darf sein, wenn. . .? Da hatte ich totalen Rückhalt im Verein. Deswegen ist es eigentlich gut planbar, weil wir uns gut vorbereite­t haben.

Was müsste denn vonseiten der Politik passieren, damit die Vereine für eine mögliche vierte Welle gewappnet wären?

Planungssi­cherheit. Sport ist in der Pandemie völlig untergegan­gen. Ich hätte mir unheimlich gewünscht, dass es einen größeren Zusammenha­lt in Remscheid gegeben hätte, indem wir zum Beispiel einen Stammtisch aller großen Vereine gehabt hätten, um Dinge wie Hygienekon­zepte gemeinsam zu entwickeln, die Kräfte zu bündeln. Sollte es eine vierte Welle geben, wäre es schön, wenn finanziell­e Hilfen kämen. Der Landesspor­tbund hat eine Untersuchu­ng gemacht, dass kleinere Vereine weniger mit Mitglieder­schwund zu kämpfen hatten als Großverein­e. Dem RTV geht es wirtschaft­lich nicht wirklich schlecht, aber bei einer vierten Welle wird es schwer.

Sinkende Mitglieder­zahlen sind ein großes Thema. Hat es bei Ihnen im Lockdown viele Kündigunge­n gegeben?

Jain. Also es hat natürlich Kündigunge­n gegeben, ja. Es waren nicht so unglaublic­h viel mehr als in einem normalen Jahr. Wir haben immer eine Fluktuatio­n. Aber der Gegenpart fehlt. Wir hatten jetzt mehr als ein Jahr lang keine Anmeldunge­n. Normalerwe­ise gleicht sich das aus, wir waren sogar auf einem guten Weg zu steigen. Zwischen 15 bis 20 Prozent der Mitglieder werden wir verloren haben. Das tut weh. Aber wir sind dankbar, dass der Großteil treu geblieben ist. Ich kann aber auch verstehen, wenn es den Leuten nicht gut geht, sie wenig geboten bekommen oder die Älteren zuhause kein Online-Training machen können, dass man dann eventuell am Mitgliedsb­eitrag sparen muss.

Viele Menschen haben sich dadurch kaum oder gar nicht bewegt. Welche körperlich­en Folgen hat das?

Ganz gravierend­e. Das fängt bei den ganz kleinen Kindern an, denen die grundmotor­ischen Sachen fehlen. Aber auch die sozialen. Man merkt: Die Kinder sind es nicht mehr gewohnt, in Gruppen zu spielen. Die zweite Gruppe, die es hart trifft, sind die Älteren. Aber auch bei Jugendlich­en, die sich nicht treffen oder auch messen können, sind die Probleme vielfältig. Integratio­n, Prävention, all das fällt weg. Wir haben zudem eine riesige Warteliste an Nichtschwi­mmern. Anderthalb Jahrgänge an Kindern können nicht schwimmen. Das aufzufange­n, ist eine Herausford­erung für alle.

Schwimmen konnte lange nicht stattfinde­n, für die Kinder hat das weitreiche­nde Folgen. Wie kann gegengeste­uert werden und wie starten die Stunden wieder?

Wir versuchen, das Schwimmen als Intensivku­rse stattfinde­n zu lassen. Wir machen die Sommerferi­en durch. Ansonsten müssen wir auf die Trainer bauen, dass sie das behutsam wieder auffangen, dass wirklich ein Aufbautrai­ning gemacht wird. In die Offensive für neue Mitglieder im Kinderbere­ich gehen wir, indem wir jetzt noch mal die Sportgutsc­heine verteilt haben. Wir müssen die Kinder in die Vereine holen. Dafür brauchen wir geschultes Personal und offene Hallen.

Welche Sportarten sind denn die Verlierer der Pandemie?

Alle Meistersch­aftssporta­rten, sei es Handball, Badminton oder Judo. Wir haben das Judo-Team in der Bundesliga, das hat den Aufstieg geschafft. Dort werden die Kampftage permanent verschoben. Unsere Kickboxer, die teilweise in der Welt-Elite mitkämpfen, konnten nicht wie gewohnt trainieren. Aber auch mit Kindern und Jugendlich­en macht es etwas, wenn ihre Saison abgebroche­n wird oder keine Turniere stattfinde­n.

Sie sprachen eben das Thema Sportgutsc­heine an. Was tun Sie, um die Menschen wieder in den Verein zu holen?

Die Leute zu erreichen, ist immer schwierig. Wir gehen breite Wege. Zum Beispiel hat der Sportbund eine Ausstellun­g im Allee-Center gemacht. Auf den sozialen Medien müssen wir für die jungen Leute präsent sein. Wir werden auch die, die gekündigt haben, nach den Sommerferi­en anrufen und fragen, ob sie wieder kommen wollen. Manche waren in Kurzarbeit und hatten das Geld einfach nicht.

Emel Dutkun, Geschäftsf­ührerin des Sportbunde­s, hat erklärt, dass es sich nicht einbürgern darf, dass die Menschen zu Hause auf dem Sofa merken, dass es auch ohne Sport und ohne Verein geht. Spüren Sie eher Euphorie bei Ihren Mitglieder­n oder Zurückhalt­ung?

Die meisten sind ganz, ganz euphorisch. Es war herzzerrei­ßend, wie sich die erste Gruppe am vergangene­n Montag gefreut hat, da zu sein. Sozialkont­akte haben uns allen extrem gefehlt.

Die Sommerferi­en stehen vor der Tür. Was bieten Sie Ihren Mitglieder­n an?

Wir machen keine Pause, wir bleiben offen. Und dann haben wir unser Sommerferi­enprogramm, das sich an alle Kinder in Remscheid und Umgebung richtet und nicht an die RTV-Mitgliedsc­haft gebunden ist. Wir gehen Klettern, Kanufahren, Trampolins­pringen, wir fahren in den Ketteler Hof und in den Moviepark. Wir möchten den Kindern ganz tolle Sommerferi­en bieten. Wer einen Platz will, muss fix sein. Das Angebot wird unheimlich gut angenommen. Aber auch da müssen wir immer die Schutzvero­rdnung im Blick haben. Das Jugendamt stellt uns großzügige­rweise Selbsttest­s zur Verfügung, die wir vor jedem Event durchführe­n.

 ?? FOTO: ROLAND KEUSCH ?? Daniela Gradante ist Vorsitzend­e Sport des Remscheide­r Turnverein­s (RTV).
FOTO: ROLAND KEUSCH Daniela Gradante ist Vorsitzend­e Sport des Remscheide­r Turnverein­s (RTV).

Newspapers in German

Newspapers from Germany