Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
INTERVIEW
Die Vorsitzende des Remscheider TV über die Situation des Vereins, Auswirkungen der Pandemie und Pläne.
Daniela Gradante spricht über die Situation des RTV.
Die Inzidenzen sinken, seit Kurzem ist wieder sehr viel mehr möglich – auch im Sport. Worauf freuen Sie sich persönlich im RTV am meisten?
Auf den Präsenzsport, ganz klar. Dass wir wieder zusammen sein dürfen, sei es erstmal draußen oder dann auch wieder drinnen. Ich bin als Handballerin Mannschaftssportlerin, wir haben jetzt fast ein halbes Jahr Online-Sport hinter uns. Ich kann mich damit nicht anfreunden, das macht keinen Spaß. Sich wieder zu sehen, ist total schön.
Läuft denn der Betrieb in allen Abteilungen an?
Ja, in fast allen. Wir haben vereinzelt ein paar Übungsleiter, die sich aus gesundheitlichen Gründen noch einschränken müssen. Aber im Prinzip sind wir so weit, dass wir alles anlaufen lassen können. Wir haben erst Ende vergangener Woche eine Aussage der Stadt bekommen, welche Remscheider Hallen öffnen. Das heißt, wir können die städtischen Hallen zum Teil nicht nutzen. In unseren eigenen Hallen sind wir fast im Normalbetrieb, andere Abteilungen sind noch viel draußen.
Ihre Hallen an der Theodor-Körner-Straße sind jetzt saniert. Was dürfen die Mitglieder erwarten?
In der großen Halle ist ein komplett neuer Hallenboden drin, das war wichtig für alle Sportarten, die sich abstoppen müssen wie Badminton, Tischtennis oder Hallenfußball. Der alte Boden war ein bisschen glatt und in die Jahre gekommen. Dann haben wir unsere Heizkörper an den Wänden nach oben verlegt, so dass unten jetzt ein kompletter Prallschutz ist. Das wird auch dem Schulsport gerecht. Außerdem ist die Musikanlage verbessert worden. In der anderen Halle haben wir eine neue Fluchttür, die Tore von den Geräteräumen sind erneuert und in den Duschen sind die Armaturen gemacht worden.
In der Pandemie war so gut wie nichts planbar. Wie gut können Sie sich zukünftig auf Veränderungen einstellen und reagieren?
Oh, das ist schwierig. Diese Pandemie hatte bei uns mehrere Phasen. Im Herbst machte sich bemerkbar, dass die Luft raus war, als gar nichts mehr ging. Da hat man so viel geplant und nichts hat funktioniert. Jetzt zum Frühjahr kam die totale Euphorie und wir haben unheimlich viele Übungs- und Abteilungsleiter, die mit Enthusiasmus starten. Zwei Wochen bevor wir loslegen konnten, stand unser Programm mit drei verschiedenen Varianten: Dürfen wir raus, dürfen wir Kontaktsport machen? Was darf sein, wenn. . .? Da hatte ich totalen Rückhalt im Verein. Deswegen ist es eigentlich gut planbar, weil wir uns gut vorbereitet haben.
Was müsste denn vonseiten der Politik passieren, damit die Vereine für eine mögliche vierte Welle gewappnet wären?
Planungssicherheit. Sport ist in der Pandemie völlig untergegangen. Ich hätte mir unheimlich gewünscht, dass es einen größeren Zusammenhalt in Remscheid gegeben hätte, indem wir zum Beispiel einen Stammtisch aller großen Vereine gehabt hätten, um Dinge wie Hygienekonzepte gemeinsam zu entwickeln, die Kräfte zu bündeln. Sollte es eine vierte Welle geben, wäre es schön, wenn finanzielle Hilfen kämen. Der Landessportbund hat eine Untersuchung gemacht, dass kleinere Vereine weniger mit Mitgliederschwund zu kämpfen hatten als Großvereine. Dem RTV geht es wirtschaftlich nicht wirklich schlecht, aber bei einer vierten Welle wird es schwer.
Sinkende Mitgliederzahlen sind ein großes Thema. Hat es bei Ihnen im Lockdown viele Kündigungen gegeben?
Jain. Also es hat natürlich Kündigungen gegeben, ja. Es waren nicht so unglaublich viel mehr als in einem normalen Jahr. Wir haben immer eine Fluktuation. Aber der Gegenpart fehlt. Wir hatten jetzt mehr als ein Jahr lang keine Anmeldungen. Normalerweise gleicht sich das aus, wir waren sogar auf einem guten Weg zu steigen. Zwischen 15 bis 20 Prozent der Mitglieder werden wir verloren haben. Das tut weh. Aber wir sind dankbar, dass der Großteil treu geblieben ist. Ich kann aber auch verstehen, wenn es den Leuten nicht gut geht, sie wenig geboten bekommen oder die Älteren zuhause kein Online-Training machen können, dass man dann eventuell am Mitgliedsbeitrag sparen muss.
Viele Menschen haben sich dadurch kaum oder gar nicht bewegt. Welche körperlichen Folgen hat das?
Ganz gravierende. Das fängt bei den ganz kleinen Kindern an, denen die grundmotorischen Sachen fehlen. Aber auch die sozialen. Man merkt: Die Kinder sind es nicht mehr gewohnt, in Gruppen zu spielen. Die zweite Gruppe, die es hart trifft, sind die Älteren. Aber auch bei Jugendlichen, die sich nicht treffen oder auch messen können, sind die Probleme vielfältig. Integration, Prävention, all das fällt weg. Wir haben zudem eine riesige Warteliste an Nichtschwimmern. Anderthalb Jahrgänge an Kindern können nicht schwimmen. Das aufzufangen, ist eine Herausforderung für alle.
Schwimmen konnte lange nicht stattfinden, für die Kinder hat das weitreichende Folgen. Wie kann gegengesteuert werden und wie starten die Stunden wieder?
Wir versuchen, das Schwimmen als Intensivkurse stattfinden zu lassen. Wir machen die Sommerferien durch. Ansonsten müssen wir auf die Trainer bauen, dass sie das behutsam wieder auffangen, dass wirklich ein Aufbautraining gemacht wird. In die Offensive für neue Mitglieder im Kinderbereich gehen wir, indem wir jetzt noch mal die Sportgutscheine verteilt haben. Wir müssen die Kinder in die Vereine holen. Dafür brauchen wir geschultes Personal und offene Hallen.
Welche Sportarten sind denn die Verlierer der Pandemie?
Alle Meisterschaftssportarten, sei es Handball, Badminton oder Judo. Wir haben das Judo-Team in der Bundesliga, das hat den Aufstieg geschafft. Dort werden die Kampftage permanent verschoben. Unsere Kickboxer, die teilweise in der Welt-Elite mitkämpfen, konnten nicht wie gewohnt trainieren. Aber auch mit Kindern und Jugendlichen macht es etwas, wenn ihre Saison abgebrochen wird oder keine Turniere stattfinden.
Sie sprachen eben das Thema Sportgutscheine an. Was tun Sie, um die Menschen wieder in den Verein zu holen?
Die Leute zu erreichen, ist immer schwierig. Wir gehen breite Wege. Zum Beispiel hat der Sportbund eine Ausstellung im Allee-Center gemacht. Auf den sozialen Medien müssen wir für die jungen Leute präsent sein. Wir werden auch die, die gekündigt haben, nach den Sommerferien anrufen und fragen, ob sie wieder kommen wollen. Manche waren in Kurzarbeit und hatten das Geld einfach nicht.
Emel Dutkun, Geschäftsführerin des Sportbundes, hat erklärt, dass es sich nicht einbürgern darf, dass die Menschen zu Hause auf dem Sofa merken, dass es auch ohne Sport und ohne Verein geht. Spüren Sie eher Euphorie bei Ihren Mitgliedern oder Zurückhaltung?
Die meisten sind ganz, ganz euphorisch. Es war herzzerreißend, wie sich die erste Gruppe am vergangenen Montag gefreut hat, da zu sein. Sozialkontakte haben uns allen extrem gefehlt.
Die Sommerferien stehen vor der Tür. Was bieten Sie Ihren Mitgliedern an?
Wir machen keine Pause, wir bleiben offen. Und dann haben wir unser Sommerferienprogramm, das sich an alle Kinder in Remscheid und Umgebung richtet und nicht an die RTV-Mitgliedschaft gebunden ist. Wir gehen Klettern, Kanufahren, Trampolinspringen, wir fahren in den Ketteler Hof und in den Moviepark. Wir möchten den Kindern ganz tolle Sommerferien bieten. Wer einen Platz will, muss fix sein. Das Angebot wird unheimlich gut angenommen. Aber auch da müssen wir immer die Schutzverordnung im Blick haben. Das Jugendamt stellt uns großzügigerweise Selbsttests zur Verfügung, die wir vor jedem Event durchführen.