Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wie NRW beim Klimaschutz dasteht
Es müsse mehr für den Klimaschutz getan werden, sagt Armin Laschet angesichts des Hochwassers. Zugleich betont er, das Land habe unter seiner Regierung auf diesem Feld viel erreicht. Stimmt das? Ein Faktencheck.
Es ist ein Spagat: Kanzlerkandidat Armin Laschet fordert angesichts des Rekordhochwassers „mehr Tempo bei Maßnahmen zum Klimaschutz“. Zugleich beharrt er als Ministerpräsident darauf, dass NRW genug für den Klimaschutz getan habe – und außerdem mehr als andere. Für ein WDR-Interview erntete er einen Shitstorm, der sich aber an der Frage entzündete, ob er die über 50-jährige Moderatorin Susanne Wieseler als „junge Frau“angesprochen habe. Sie selbst twitterte, sie habe das nicht gehört, Laschet selbst sagte am Freitag: „Der Satz ist nicht gefallen.“Die Formulierung gehöre nicht zu seinem Sprachgebrauch. Vielleicht war es auch nur ein vernuscheltes „Entschuldi-jung“. Wie auch immer, eigentlich ging es in diesem und weiteren Interviews um ein gewichtiges Thema, das den Wahlkampf nach dem Hochwasser noch stärker bestimmen dürfte: Wie erfolgreich steht NRW beim Kampf gegen den Klimawandel da? Wie fällt Laschets Bilanz aus? Die Aktivistin Luisa Neubauer sieht das naturgemäß anders als der Kanzlerkandidat selbst. Hier Laschets Sätze, die Daten und Fakten.
„Wir waren bei der Windenergie im letzten Jahr beim Zubau auf Platz eins.“
Tatsächlich sind im bevölkerungsreichsten Bundesland 2020 nach Angaben des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) 91 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 311 Megawattstunden an den Start gegangen. Und auch wenn man die zurückgebauten Anlagen und deren Leistung abzieht, ist Nordrhein-Westfalen klar an der Spitze, vor Brandenburg und Niedersachsen. Aber: „Dass NRW deshalb beim Klimaschutz deutlich vorangeht, kann man aus den Zahlen nicht ableiten“, sagte IWR-Geschäftsführer
Norbert Allnoch unserer Redaktion. Das Ganze sei ein temporärer Effekt, der stark von den Ausschreibungsmodalitäten, von Regionalplänen und Genehmigungsverfahren abhänge. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 war NRW übrigens auch nur noch die Nummer vier hinter Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Fazit: Laschets Behauptung stimmt, ist aber nur eine Momentaufnahme und dient nicht als eindeutiges Argument für NRW als Klimaschutz-Vorzeigeregion. Zumal Windkraft-Genehmigungsverfahren mehrere Jahre dauern und ein Teil der 2020 in Betrieb gegangenen Anlagen noch von Rot-Grün auf den Weg gebracht worden sein dürfte.
„Wir haben die Summen für Klimaschutz versiebenfacht.“
Nach Angaben des NRW-Wirtschaftsministeriums sind im Jahr 2021 insgesamt 171,1 Millionen Euro für den Klimaschutz und die Energiewende im Haushalt des Wirtschaftsministeriums eingestellt worden. Damit handle es sich um eine Versiebenfachung der Mittel seit 2017. Damals wurde der Haushalt noch von der rot-grünen Vorgängerregierung
aufgestellt. Der Großteil der Mittel sei bestimmt für den Strukturwandel in den Braunkohleregionen und die Förderung innovativer Ansätze für das Energiesystem der Zukunft (beispielsweise die Nutzung von Wasserstoff und erneuerbaren Energien).
Dirk Jansen hält die Argumentation für Augenwischerei. Er ist Geschäftsleiter des Landesverbands NRW beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Summe ergebe sich offenbar dadurch, dass alle infrage kommenden Haushaltsposten aufaddiert worden seien, sagt er. 20 Millionen Euro Fördergeld für den Aufbau der Forschungsfabrik Batteriezelle oder auch 29 Millionen Euro zur Strukturförderung in den Braunkohleregionen bringen dem Klimaschutz aus seiner Sicht erst mal allerdings nichts. „Für Klimaanpassung/Flächenschutz sind hingegen lediglich 515.000 Euro eingeplant“, kritisiert Jansen.
Fazit: Es ist bezeichnend, dass für Klimaschutz nicht das Umwelt-, sondern das Wirtschaftsministerium zuständig ist. Die Landesregierung gibt viel Geld für die Förderung von Forschung oder Umbaumaßnahmen in der Wirtschaft aus.
Dem Klimaschutz dient das aber höchstens langfristig. Die Behauptung von Laschet, die Mittel hätten sich versiebenfacht, ist daher übertrieben.
„Wir sind das Bundesland, das mehr als jedes andere CO2 einspart.“
NRW hat die Emissionen gegenüber
1990 um 45 Prozent gesenkt. Das Land ist aber auch für etwa ein Viertel der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. Laschet selbst sagte am Freitag: Kein Bundesland habe so viel
CO2 eingespart, auch weil kein anderes Land so viel davon in der Vergangenheit ausgestoßen habe. Malte Küper, Analyst beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), weist darauf hin, dass der Vergleich von CO2-Emissionen der einzelnen Bundesländer ohnehin nicht besonders aussagekräftig sei.
Fazit: Wer mehr CO2 emittiert, kann in absoluten Mengen auch mehr einsparen.
„Rot-Grün hat noch beschlossen, Braunkohle bis 2045 in NRW abzubauen. Seit ich im Amt bin, habe ich den bundesweiten Kohleausstieg mitverhandelt, und wir haben die Tagebaue verkleinert.“
Es ist zwar richtig, dass die Grünen als Juniorpartner in der rot-grünen Vorgängerregierung dem Braunkohleabbau bis 2045 zugestimmt hatten. Rot-Grün beschloss aber auch eine Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler. Woraufhin Laschet der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vorwarf, sie treffe diese Entscheidung viel zu früh und gefährde damit Zehntausende Arbeitsplätze. Richtig ist, dass Laschet den bundesweiten Kohleausstieg bis 2038 mitverhandelte. Der BUND wirft ihm aber vor, dass er dafür sorgte, Garzweiler als energiepolitisch unerlässlich in das Kohleausstiegsgesetz zu hieven („Lex Garzweiler“). Fazit: Laschet hat den Kohleausstieg mitverhandelt, fiel aber zuvor nicht als Treiber auf.