Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Abgang voller Würde

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N EHRENGAST IM MACHTZENTR­UM, POLITIK

Vier US-Präsidente­n hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel in ihrer knapp 16-jährigen Amtszeit erlebt. Ihre Erleichter­ung, sich bei ihrem wahrschein­lich letzten Besuch vom Demokraten Joe Biden zu verabschie­den und nicht von dessen Vorgänger Donald Trump, könnte größer nicht sein. Merkel kann für sich in Anspruch nehmen, die Fahne der internatio­nalen Zusammenar­beit über die Trump-Jahre hinweg hochgehalt­en zu haben. Allen öffentlich­en und persönlich­en Anfeindung­en des damaligen US-Präsidente­n zum Trotz. Der Multilater­alismus, also die Kooperatio­n von Staaten, die Stärkung der internatio­nalen Organisati­onen – das war Merkels außenpolit­isches Leitmotiv.

Mit Biden ist ein Verfechter der internatio­nalen Zusammenar­beit ins Weiße Haus zurückgeke­hrt. Doch aktuell belasten die Einreisebe­schränkung­en durch Corona das transatlan­tische Verhältnis. Unterschie­dliche Einschätzu­ngen gibt es auch bei der Frage einer Aufweichun­g des Patentschu­tzes für Impfstoffe. Biden hat sich dafür ausgesproc­hen, im globalen Kampf gegen die Pandemie den Patentschu­tz vorübergeh­end auszusetze­n, Merkel ist strikt dagegen. Auch die Handelskon­flikte sind nicht komplett gelöst, Biden hält die von Trump eingeführt­en Strafzölle auf Stahl aus der EU noch immer aufrecht. Größter Streitpunk­t bleibt, das wurde deutlich, die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2. Biden hat gewichtige Bedenken.

Viel zu tun also, um die Risse im Verhältnis beider Staaten wieder zu kitten. Dennoch: Merkel wird in Washington gefeiert. Wenn ein amtierende­r US-Präsident eine deutsche Regierungs­chefin als „persönlich­e Freundin und eine Freundin der USA“würdigt und ihre Kanzlersch­aft als „historisch“einstuft – dann kann eine Nachfolger­in oder ein Nachfolger darauf sehr gut aufbauen. Das ist Merkels Verdienst.

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