Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Ein Abgang voller Würde
Vier US-Präsidenten hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer knapp 16-jährigen Amtszeit erlebt. Ihre Erleichterung, sich bei ihrem wahrscheinlich letzten Besuch vom Demokraten Joe Biden zu verabschieden und nicht von dessen Vorgänger Donald Trump, könnte größer nicht sein. Merkel kann für sich in Anspruch nehmen, die Fahne der internationalen Zusammenarbeit über die Trump-Jahre hinweg hochgehalten zu haben. Allen öffentlichen und persönlichen Anfeindungen des damaligen US-Präsidenten zum Trotz. Der Multilateralismus, also die Kooperation von Staaten, die Stärkung der internationalen Organisationen – das war Merkels außenpolitisches Leitmotiv.
Mit Biden ist ein Verfechter der internationalen Zusammenarbeit ins Weiße Haus zurückgekehrt. Doch aktuell belasten die Einreisebeschränkungen durch Corona das transatlantische Verhältnis. Unterschiedliche Einschätzungen gibt es auch bei der Frage einer Aufweichung des Patentschutzes für Impfstoffe. Biden hat sich dafür ausgesprochen, im globalen Kampf gegen die Pandemie den Patentschutz vorübergehend auszusetzen, Merkel ist strikt dagegen. Auch die Handelskonflikte sind nicht komplett gelöst, Biden hält die von Trump eingeführten Strafzölle auf Stahl aus der EU noch immer aufrecht. Größter Streitpunkt bleibt, das wurde deutlich, die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2. Biden hat gewichtige Bedenken.
Viel zu tun also, um die Risse im Verhältnis beider Staaten wieder zu kitten. Dennoch: Merkel wird in Washington gefeiert. Wenn ein amtierender US-Präsident eine deutsche Regierungschefin als „persönliche Freundin und eine Freundin der USA“würdigt und ihre Kanzlerschaft als „historisch“einstuft – dann kann eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger darauf sehr gut aufbauen. Das ist Merkels Verdienst.