Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Von wegen Extremisten
Israels neue Regierung ist bunt. Gerade die Religion verbindet die Politiker.
Seit einem Monat ist die neue israelische Regierung im Amt. Es ist eine bunte Koalition, bestehend aus linken, liberalen und rechten Parteien, religiös und säkular geprägt, jüdisch und arabisch. Es ist eine Koalition des Neubeginns und der Hoffnung, denn sie spiegelt die israelische Gesellschaft wider – was bisher keine andere Regierung zuvor vermochte. Eine Einheit der Vielfalt statt Spaltung der Gesellschaft.
Geht es nach den deutschen Medien, sollte das unmöglich sein, steht dieser Koalition mit Naftali Bennett doch scheinbar ein „Hardliner“und „Extremist“vor. Ironischerweise wird ausgerechnet der arabische Koalitionspartner ähnlich betitelt. In der Regierung sitzt neu auch der konservative Islamist Mansur Abbas und mit ihm die
Ra’am-Partei, hervorgegangen aus der Islamischen Bewegung Israels. Politiker mit religiösem Hintergrund werden oft pauschal als Fundamentalisten und Extremisten abgestempelt. Bennett und Abbas zeigen allerdings, dass gerade die Religion eine Brücke sein kann, insbesondere dort, wo die säkulare Politik scheitert. Die Annäherung von religiösen Zionisten und moderaten Islamisten in Israel ist kein Zufall. In den letzten Jahren hat sich der interreligiöse Dialog in Israel enorm intensiviert. Scheich Abdullah Nimr Darwisch, einer der Gründer der Islamischen Bewegung, hat seit Jahren ausgezeichnete Kontakte zu Rabbiner Michael Melchior, einer der Führungspersönlichkeiten der religiösen Zionisten.
Auf internationaler Ebene ist es vor allem Rabbiner David Rosen, der durch seine Verbindungen in die Golfstaaten den Weg für die „Abraham Accords“ebnete, die Abkommen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan. Nicht nur der Name ist religiös konnotiert, auch der Inhalt der Vereinbarung – ein Novum in der Welt der Diplomatie. Vielleicht ist die Religion gar nicht das Problem, vielleicht ist sie die Lösung – und es ist schlauer, auf die „Extremisten“zu setzen als auf die angeblich so moderaten Säkularen.
Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.