Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Hospizverein pflegt Wunden der Krise
Lange verbot es die Pandemie, Sterbende, Angehörige und Trauernde intensiv zu begleiten. Oft blieben sie alleine.
Manchmal müssen sie laut lachen. Mitarbeitende des ambulanten Hospizvereins und Menschen auf dem letzten Abschnitt ihres Lebens freuen sich dann ausgelassen über gemeinsame Beobachtungen, sie erzählen von heiteren Begebenheiten und Begegnungen. Und dann müssen sie zuweilen herzhaft lachen.
„Wenn ein Mensch stirbt, dann werden Verwandte und Freunde häufig leise“, sagt Gabi Redepenning, Koordinatorin beim Ambulanten Hospiz. Die Schwere des Abschieds ersetzt die Lebensfreude, die Vorsicht verdrängt den Übermut. Auch die Ehrenamtlichen des Hospizvereins kennen die leisen Momente, die Fragen und Ängste der Sterbenden, die Trauer der Familien, das Aushalten, gemeinsam Ausharren und die Tränen. „Aber wir lachen auch viel mit den Menschen“, erzählt der Vereinsvorsitzende Andreas Strobel.
In den vergangenen anderthalb Monaten wurde es in den Zimmern der Sterbenden dann plötzlich wieder leise. Die Corona-Pandemie verbot Kontakte, vor allem in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern und auch in privaten Wohnungen bedeutete jeder Besuch eine zusätzliche Gefahr. Häufig blieben Sterbende alleine, Angehörige litten unter der Distanz.
„Das war für uns alle eine bedrückende Situation“, sagt Gabi Redepenning und denkt dabei auch an die Ehrenamtlichen des Hospizvereins. Viele der 50 Mitarbeitenden hätten sich damals zu Beginn der Corona-Pandemie mitten in der Begleitung eines Sterbenden befunden. Von einem auf den anderen Tag war jeglicher Kontakt unmöglich geworden.
Der Verein verzeichnete plötzlich keine einzige Anfrage mehr. Die Koordinatorinnen gingen in Kurzarbeit, die Ehrenamtlichen in den Lockdown. „Wir hatten manchmal das Gefühl, wir lassen die Menschen im Stich“, sagt Koordinatorin Marlene Brockhaus, „das war sehr bedrückend.“
Als die erste Welle langsam abklang, entwickelte der Verein neue Ideen: Die Ehrenamtlichen hielten per WhatsApp oder Telefon Kontakt zu den Menschen. „Manchmal sind es die kleinen Fragen, die dem anderen vermitteln können: Du bist nicht alleine“, sagt Marlene Brockhaus. Und genau daran wollten die Ehrenamtlichen Sterbende und Angehörige erinnern.
Besuche an Balkonen wurden möglich, Briefe wurden geschrieben. Und trotzdem: Viele Menschen seien in den vergangenen Monaten alleine gestorben, wissen die Koordinatorinnen – vor allem in der Zeit, in der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser ihre Türen schließen mussten, um die Corona-Gefahr zu bannen.
„Es starben auch Menschen, die wir lange begleitet hatten“, erzählt Gabi Redepenning. Weil die Teilnahme an Beerdigungen nicht möglich war, zündeten die Ehrenamtlichen zeitgleich zum Abschied in der Kapelle eine Kerze in heimischen Wohnzimmern an und nahmen Anteil.
„Auch das Trauern veränderte sich“, erinnern die Koordinatorinnen. Die ersten Remscheider, die wieder Kontakt zum Verein aufnahmen, waren Menschen, die ein Familienmitglied verloren hatten. Sie hatten nicht an Betten sitzen und sich verabschieden können. „Und vielen fehlte eine Umarmung und ein Trost in dieser Zeit“, erzählt die Koordinatorin.
Als die Regeln gelockert wurden, die Zahlen nach unten gingen, luden die Ehrenamtlichen zu Wanderungen für Trauernde ein, Einzelberatungen konnte wieder persönlich stattfinden. Der Verein geht fest davon aus, dass in den nächsten Monaten viele Wunden von Trauernden, die in der Pandemie behelfsmäßig versorgt worden seien, wieder aufreißen könnten.
Inzwischen hat der Verein alle Trauerangebote wieder aufgenommen. „Und obwohl wir keine Werbung gemacht haben, gab es schnell Anmeldungen“, erzählt Gabi Redepenning. Zurückhaltender sind die Remscheider noch, wenn es um die Nachfrage nach Sterbebegleitung geht. „Viele sind noch unsicher und trauen der Situation noch nicht“, weiß Andreas Strobel. Das Team des
Hospizvereins ist indes wieder einsatzbereit: Bereits im Frühjahr ließen sich Haupt- und Ehrenamtliche impfen, detaillierte Hygienekonzepte wurden erarbeitet. „Und wir sind froh, dass wir so gut wie keinen Ehrenamtlichen verloren haben“, sagt Gabi Redepenning.
Der Verein hielt Kontakt zu den Mitarbeitenden, bot die regelmäßigen Supervisionstermine online an, verschickte Grüße und auch regelmäßige Informationen. Inzwischen treffen sich auch die Ehrenamtlichen wieder persönlich. „Wir sind da“, sagt Gabi Redepenning. Das gelte für alle Menschen, die beim Thema Sterben und Abschied Unterstützung brauchen – für Sterbende und Angehörige, für Trauernde und Fragende.
Manchmal geht es um ganz praktische Antworten, manchmal um gemeinsames Weinen oder Lachen. „Aber in jedem Fall können wir zuhören“, sagt Andreas Strobel.