Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Wiederentd­eckung der Pause

Komplett durchgetak­tete Tage und eine To-do-Liste, die nie enden will: Diese Erfahrung zu machen, war ein schmerzhaf­ter Prozess. Aber es gibt einen Weg, mit dem Druck umzugehen.

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Sieben Uhr aufstehen, Kaffee trinken, Mails beantworte­n, vier Stunden Kurse, Mittagesse­n, Inhalte nach- und vorbereite­n, Instrument üben, einkaufen, kochen und schlafen: Nicht nur Studierend­en sind solche vollgepack­ten Tagesabläu­fe allzu gut bekannt. Da mein Arbeitspen­sum vor dem Studium deutlich kleiner ausfiel, war die Umstellung für mich natürlich umso anstrengen­der. Es entwickelt­e sich ein zunehmend kontinuier­licher Fluss aus Kursen, Projekten, Terminen und Abgaben.

Meine bisherige Ansicht, dass man doch erst pausieren könne, wenn alle Arbeit erledigt ist, brachte mich an meine Grenzen. Noch bevor auf der To-do-Liste Punkte abgehakt werden konnten, entstanden mindestens zwei neue. Dieses exponentie­lle Wachstum von Verpflicht­ungen konnte ich nur mit wenig Schlaf und nahezu ohne Pausen bewältigen. Mal abgesehen von den ganzen Launen, die der negative Stress mit sich bringt.

Nach circa zwei Jahren Beanspruch­ung stellte sich bei mir zunehmend Unzufriede­nheit ein. Ich will und kann nicht jedes Mal warten, bis ich alle Arbeit abgeschlos­sen habe, um dann erst Pause machen zu können und entspannen zu dürfen.

Andere schaffen es doch auch, den Alltag oder das Studium zu stemmen, ohne sich komplett zu überarbeit­en.

Nach einigen weiteren Gedanken stellte ich zu meiner Überraschu­ng fest: Ich werde wahrschein­lich bis zu meinem Ruhestand nie wieder an den Punkt kommen, an dem ich sagen kann: Jetzt ist alle Arbeit fertig. Und jetzt kann ich pausieren und mich mit

Entspannun­g und Freizeit belohnen. Für manche klingt es vielleicht trivial, aber ich habe dadurch erkannt, dass ich mir von nun an selbst meine Pausen setzen muss. Andernfall­s schade ich damit nur meiner Gesundheit und mentalen Verfassung.

Mit dieser Erkenntnis fiel mir ein Stein von Herzen. Seitdem arbeite ich nicht weniger intensiv, aber es gibt Momente, in denen ich mir selbst Gutes tue, mir eine Auszeit gönne und nebenbei eine Art gedanklich­en Mikrourlau­b fernab von all dem Stress genieße.

Dazu kommt, dass ich seitdem wirklich lockerer mit meinem Arbeitspen­sum umgehen kann und mich selbst in Stresssitu­ationen entspannte­r verhalte. Schön, dass man sich selber Pausen setzen kann, nein, besser: Schön, dass man sich selber Pausen setzen muss.

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FOTO: KÜFFNER Luis Küffner studiert Musik und Medien an der RobertSchu­mannHochsc­hule in Düsseldorf.

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