Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Die Leute fragen nicht lange“
Die Unwetterkatastrophe hat die Menschen in Erftstadt zusammengebracht. Alle helfen sich gegenseitig – auch Fremde packen mit an.
Markus Heuser bricht spontan in Tränen aus, als er am Sonntagvormittag auf den großen Haufen Unrat vor seiner Haustür blickt. „Es ist so traurig. Alles hier ist so traurig“, sagt er. Freunde klopfen ihm aufmunternd auf seine breiten Schultern, versuchen, ihn zu trösten. Doch die Tränen wollen nicht versiegen. „Es ist alles kaputt. Das Wasser hat alles kaputtgemacht“, sagt er und weint.
Heuser wohnt an der Carl-SchurzStraße in Erftstadt-Liblar, einer Straße, die besonders stark vom Hochwasser betroffen ist. Nachdem das Wasser abgeflossen ist, wird in den Häusern und Gärten das Ausmaß der Verwüstung sichtbar; das große Aufräumen beginnt. Und von überallher kommen Menschen, die helfen. Es sind nicht nur Nachbarn, sondern auch Ortsfremde aus anderen Städten. In der Stunde des größten Leids rücken die Menschen in den Katastrophengebieten wie in Erftstadt eng zusammen und bekommen dabei Unterstützung von Menschen aus allen Landesteilen, die Geld und Sachen spenden wollen. „Es ist eine gewaltige Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität, die uns hier widerfährt“, sagt Ivonne Heuser, die ebenfalls an der CarlSchurz-Straße in Liblar wohnt, ein paar Häuser weiter als ihr Nachnamensvetter Markus Heuser.
Zu ihr sind am Sonntag zehn junge Frauen und Männer aus anderen Städten gekommen, um den Garten
von Unrat zu befreien und den Keller auszumisten. Ivonne Heuser kennt keinen von ihnen. Alina zum Beispiel aus Zülpich. Für sie sei es selbstverständlich, in dieser Notlage zu helfen. „Gestern waren Leute bei mir helfen, heute helfe ich hier. Man merkt schon, wie sehr hier alle zusammenstehen“, sagt sie. „Dieser Zusammenhalt ist das einzig Gute an dieser Situation“, meint Alina. Pascal kommt aus Hagen, auch er packt bei Frau Heuser mit an. „Ich habe hier einen Freund besucht, als die Katastrophe losgebrochen ist. Dann kam ich hier nicht mehr weg. Und deshalb helfe ich hier vor Ort“, sagt der junge Mann. Ivonne Heuser berichtet, dass seit Tagen fremde Menschen an ihrem Haus vorbeigehen und fragen, ob sie helfen könnten. „Sie bringen Getränke und was zu essen für alle mit. Das ist alles eine ganz tolle Sache“, sagt Heuser.
Vor fast jeder Haustür an der Carl-Schurz-Straße liegen Schuttberge und Unrat: kaputte Waschmaschinen, Eimer mit Farbe und Benzinkanister. Vieles von dem, was dort liegt, ist kaum noch zu erkennen, das Wasser hat die Sachen völlig zerstört. Während die Menschen aufräumen, heulen regelmäßig die Sirenen der Rettungsfahrzeuge. Das Technische Hilfswerk ist mit schweren Geräten und Fahrzeugen auf der Straße und pumpt vollgelaufene Keller aus.
Der enorme Zusammenhalt der Einwohner in Erftstadt hat sich auch schon am Freitag gezeigt. Im Zentrum der Stadt versammelten sich spontan Menschen, um Säcke mit Sand zu befüllen. Kinder, Jugendliche, Familien, Mütter und Väter, Großeltern, Polizisten, Feuerwehrleute – alle arbeiteten Hand in Hand, um ihren Ort vor dem Wasser zu schützen.
Auch Markus Heuser bekommt Hilfe von Leuten, die er vorher noch nie gesehen hat. „Ihn kannte ich bis vorhin noch nicht“, sagt Heuser und zeigt auf einen Mann, der gerade ein nicht mehr zu gebrauchendes Küchengerät aus Heusers Keller auf den Schutthaufen wirft. Natürlich sind auch Freunde von ihm da, um mit anzupacken, aus dem Schützenverein. „Die Hilfsbereitschaft ist super. Die Leute fragen nicht lange, sie kommen einfach“, sagt Heuser.