Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Die Leute fragen nicht lange“

Die Unwetterka­tastrophe hat die Menschen in Erftstadt zusammenge­bracht. Alle helfen sich gegenseiti­g – auch Fremde packen mit an.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Markus Heuser bricht spontan in Tränen aus, als er am Sonntagvor­mittag auf den großen Haufen Unrat vor seiner Haustür blickt. „Es ist so traurig. Alles hier ist so traurig“, sagt er. Freunde klopfen ihm aufmuntern­d auf seine breiten Schultern, versuchen, ihn zu trösten. Doch die Tränen wollen nicht versiegen. „Es ist alles kaputt. Das Wasser hat alles kaputtgema­cht“, sagt er und weint.

Heuser wohnt an der Carl-SchurzStra­ße in Erftstadt-Liblar, einer Straße, die besonders stark vom Hochwasser betroffen ist. Nachdem das Wasser abgeflosse­n ist, wird in den Häusern und Gärten das Ausmaß der Verwüstung sichtbar; das große Aufräumen beginnt. Und von überallher kommen Menschen, die helfen. Es sind nicht nur Nachbarn, sondern auch Ortsfremde aus anderen Städten. In der Stunde des größten Leids rücken die Menschen in den Katastroph­engebieten wie in Erftstadt eng zusammen und bekommen dabei Unterstütz­ung von Menschen aus allen Landesteil­en, die Geld und Sachen spenden wollen. „Es ist eine gewaltige Welle der Hilfsberei­tschaft und Solidaritä­t, die uns hier widerfährt“, sagt Ivonne Heuser, die ebenfalls an der CarlSchurz-Straße in Liblar wohnt, ein paar Häuser weiter als ihr Nachnamens­vetter Markus Heuser.

Zu ihr sind am Sonntag zehn junge Frauen und Männer aus anderen Städten gekommen, um den Garten

von Unrat zu befreien und den Keller auszumiste­n. Ivonne Heuser kennt keinen von ihnen. Alina zum Beispiel aus Zülpich. Für sie sei es selbstvers­tändlich, in dieser Notlage zu helfen. „Gestern waren Leute bei mir helfen, heute helfe ich hier. Man merkt schon, wie sehr hier alle zusammenst­ehen“, sagt sie. „Dieser Zusammenha­lt ist das einzig Gute an dieser Situation“, meint Alina. Pascal kommt aus Hagen, auch er packt bei Frau Heuser mit an. „Ich habe hier einen Freund besucht, als die Katastroph­e losgebroch­en ist. Dann kam ich hier nicht mehr weg. Und deshalb helfe ich hier vor Ort“, sagt der junge Mann. Ivonne Heuser berichtet, dass seit Tagen fremde Menschen an ihrem Haus vorbeigehe­n und fragen, ob sie helfen könnten. „Sie bringen Getränke und was zu essen für alle mit. Das ist alles eine ganz tolle Sache“, sagt Heuser.

Vor fast jeder Haustür an der Carl-Schurz-Straße liegen Schuttberg­e und Unrat: kaputte Waschmasch­inen, Eimer mit Farbe und Benzinkani­ster. Vieles von dem, was dort liegt, ist kaum noch zu erkennen, das Wasser hat die Sachen völlig zerstört. Während die Menschen aufräumen, heulen regelmäßig die Sirenen der Rettungsfa­hrzeuge. Das Technische Hilfswerk ist mit schweren Geräten und Fahrzeugen auf der Straße und pumpt vollgelauf­ene Keller aus.

Der enorme Zusammenha­lt der Einwohner in Erftstadt hat sich auch schon am Freitag gezeigt. Im Zentrum der Stadt versammelt­en sich spontan Menschen, um Säcke mit Sand zu befüllen. Kinder, Jugendlich­e, Familien, Mütter und Väter, Großeltern, Polizisten, Feuerwehrl­eute – alle arbeiteten Hand in Hand, um ihren Ort vor dem Wasser zu schützen.

Auch Markus Heuser bekommt Hilfe von Leuten, die er vorher noch nie gesehen hat. „Ihn kannte ich bis vorhin noch nicht“, sagt Heuser und zeigt auf einen Mann, der gerade ein nicht mehr zu gebrauchen­des Küchengerä­t aus Heusers Keller auf den Schutthauf­en wirft. Natürlich sind auch Freunde von ihm da, um mit anzupacken, aus dem Schützenve­rein. „Die Hilfsberei­tschaft ist super. Die Leute fragen nicht lange, sie kommen einfach“, sagt Heuser.

 ?? FOTOS (2): CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER ?? Alle packen mit an – Freunde und Fremde. Yvonne Heuser (links, mit Besen) freut sich über die vielen Helfer.
FOTOS (2): CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER Alle packen mit an – Freunde und Fremde. Yvonne Heuser (links, mit Besen) freut sich über die vielen Helfer.
 ?? FOTO: AP ?? Am zweiten Tag nach den Unwettern zeigt diese Luftaufnah­me das Ausmaß der Zerstörung.
FOTO: AP Am zweiten Tag nach den Unwettern zeigt diese Luftaufnah­me das Ausmaß der Zerstörung.
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Die Aufräumarb­eiten in Erftstadt werden noch viele Tage in Anspruch nehmen. Vieles ist nur noch Schrott.

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