Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Es ist klar, dass wir die Steuern senken“

Der bayerische Finanzmini­ster spricht über avisierte Entlastung­en und die Ehrlichkei­t in der Politik.

- JANA WOLF FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr Füracker, wie viel Ehrlichkei­t verträgt der Wahlkampf?

FÜRACKER Die Menschen erwarten, dass Politiker ehrlich sind. Wenn aber Nachteile für die Betroffene­n kommunizie­rt werden müssen, habe ich manchmal den Eindruck, dass die Wahrheit dann lieber nicht gehört wird – und auch nicht goutiert wird.

Ist es ehrlich, den Menschen Steuersenk­ungen in Aussicht zu stellen?

FÜRACKER Es kommt darauf an, unter welchen Vorzeichen man das tut. Wir werden nach der Bundestags­wahl einen Kassenstur­z machen müssen und dann überlegen, was mit den verfügbare­n Mitteln möglich ist. Wir knüpfen ja nicht nur vage Hoffnungen an die Steuersenk­ungen, sondern die Vergangenh­eit hat gezeigt, dass sie langfristi­g zu Mehreinnah­men führen. Die letzte große Unternehme­nsteuerref­orm gab es 2008. Sie hat in den darauffolg­enden Jahren zu deutlichen wirtschaft­lichen Zuwächsen in Deutschlan­d geführt. Ich kann gut belegen, dass die Steuersenk­ung letztlich zu Steuermehr­einnahmen geführt hat. Das ist auch diesmal das Ziel.

Warum warten Sie mit dem Kassenstur­z bis nach dem 26. September und machen ihn nicht gleich?

FÜRACKER Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hat insbesonde­re im vergangene­n Jahr finanzpoli­tisch mit vielen Nebelkerze­n gearbeitet.

Aufgrund der pandemisch­en Lage musste die Schuldenbr­emse ausgesetzt und mussten neue Schulden aufgenomme­n werden. Bei den Planungen von Olaf Scholz für die kommenden Jahre bin ich schon skeptisch, ob das so funktionie­ren kann. Deswegen ist es besser, sich auf eine belastbare Bilanz zu stützen und dann konkret zu sagen, was in der Prioritäte­nliste nacheinand­er abgearbeit­et werden kann. Niemand hat gesagt, dass alle unsere Ideen gleichzeit­ig umgesetzt werden können. Wir werden Prioritäte­n setzen müssen – keine Frage.

Und was hat aus Ihrer Sicht oberste Priorität?

FÜRACKER Als Erstes müssen wir alles dafür tun, die Wirtschaft und den Mittelstan­d zu stärken. Wir stehen hier im harten Wettbewerb. Die Unternehme­nsteuer ist der Knackpunkt. Der internatio­nale Vergleich zeigt, dass wir zum Hochsteuer­land geworden sind. Das mag eine Weile gutgehen, aber sobald Unternehme­n Investitio­nsentschei­dungen treffen müssen, werden sie dorthin abwandern, wo sie steuerlich weniger belastet sind. Deswegen müssen wir ein deutlich niedrigere­s Steuernive­au von etwa 25 Prozent anstreben. Das wird sich am Ende auszahlen und Arbeitsplä­tze sichern. Gleichzeit­ig geht es um die Entlastung von Familien und Menschen mit geringeren Einkommen. Was in welcher Höhe möglich ist, wird man nach dem Kassenstur­z sehen.

Sie gehören also eindeutig zum Team Entlastung der CSU. Wie tief ist der Graben zum Team Sparen von Armin Laschet?

FÜRACKER Wir richten uns nach dem gemeinsame­n Wahlprogra­mm. Der Kanzlerkan­didat hat das Programm maßgeblich mit entworfen. Und darin steht klar, dass wir die Steuern senken.

Von Unternehme­nsteuer über Soli-Abbau bis zur Homeoffice-Förderung – wie soll all das gelingen?

FÜRACKER Wie gesagt: Wir werden Prioritäte­n setzen müssen. An der Senkung der Unternehme­nsteuer führt kein Weg vorbei. Der Soli ist zur Unternehme­nsteuer plus geworden, die größte Belastung tragen die Unternehme­n, dazu gehören auch Mittelstän­dler und Handwerker. Nach der Diktion von Olaf Scholz, der den Soli „für die Reichen“beibehalte­n will, würden alleinsteh­ende Menschen mit rund 61.000 Euro zu versteuern­dem Jahreseink­ommen weiterhin vom Soli belastet werden. Das ist sicher ein guter Verdienst, aber ich würde diese Menschen nicht automatisc­h als Reiche bezeichnen. Hinzu kommt, dass es sehr fraglich ist, ob der Zuschlag mehr als 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung überhaupt verfassung­skonform ist. Bei allen anderen Vorhaben wird man ringen müssen, wir haben unsere Vorschläge dazu vorgelegt. Was es auch jeden Fall nicht geben wird, sind neue Substanzst­euern. Eine Vermögenst­euer oder eine höhere Erbschafts­teuer lehnen wir als CSU guten Gewissens ab.

Laut dem Zentrum für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung werden durch das Unionsprog­ramm die obersten Einkommen am stärksten entlastet, die der Mitte vergleichs­weise gering. Ist das das richtige Signal zur richtigen Zeit?

FÜRACKER Die oberen zehn Prozent der Einkommens­teuerzahle­r zahlen deutlich mehr als 50 Prozent des Einkommens­teueraufko­mmens. Man sieht: Der Vorwurf, dass die Gutverdien­enden wenig Steuern zahlen, ist schlichtwe­g nicht wahr. Wir dürfen auch die besonders Leistungsw­illigen nicht mit so hohen Steuern belegen, dass sich die Leistung nicht mehr lohnt. Hier muss man eine Balance finden – wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich. Soziale Marktwirts­chaft heißt auch, die Schwachen zu stützen. Daher investiere­n wir zu Recht viel Geld in ein gutes Sozialsyst­em und ein engmaschig­es soziales Netz. Jeder Mensch ist uns wichtig.

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FOTO: DPA Albert Füracker (53) ist seit 2018 Finanzmini­ster von Bayern.

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