Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Homeoffice im Blick der Politik
Corona hat die Arbeitswelt revolutioniert. Wer konnte, erledigte seinen Job von zu Hause aus. Wie geht es damit nach dem Abklingen der Pandemie weiter? Wir untersuchen die Pläne der Parteien.
Im Wahljahr wollen die Bürger wissen, woran sie sind. Deshalb suchen wir uns wichtige Aussagen der Parteien heraus und legen sie auf die Goldwaage: Wie realistisch ist das Programm, was bedeutet es? Darüber diskutieren wir mit Machern, Kritikern und Experten. Das Ergebnis können Sie jeden Samstag bei uns im „Aufwacher“-Podcast hören.
Die These
Schätzungsweise 25 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sind im Lockdown ins Homeoffice gewechselt. Eine deutliche Mehrheit kann sich vorstellen, auch in Zukunft mindestens die Hälfte der Zeit von zu Hause aus zu arbeiten. Beim Recht darauf wird die SPD konkreter als andere Parteien.
Der Plan
„Grundsätzlich sollen Beschäftigte bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten können, wenn es die Tätigkeit erlaubt“, heißt es im SPD-Wahlprogramm. 24 Tage deshalb, weil damit immer ein Elternteil pro Woche zu Hause bleiben könne, erläutert Kerstin Griese, SPD-Bundestagsabgeordnete für Niederberg und
Ratingen sowie Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales. Sollten die Arbeitgeber ihre Zustimmung verweigern, müssten sie dies begründen, andernfalls würde das Homeoffice für ein halbes Jahr gelten. Genaue Kriterien müssten noch festgelegt werden, etwa die
Erfassung der Arbeitszeit und der Versicherungsschutz. Die SPD wolle trotz Widerstands aus der Union am Recht auf Homeoffice festhalten und es möglicherweise mit anderen Koalitionspartnern umsetzen.
Die Gegenrede Auch die Grünen fordern ein Recht auf mobiles Arbeiten, nennen aber keine konkreten Zeiten. „In mancherlei Hinsicht gibt es kein Zurück in die Welt von gestern“, sagt Markus Kurth, Bundestagsabgeordneter aus Dortmund sowie Mitglied im Sozialausschuss. Er verweist allerdings auf Umfragen,
wonach mehr als die Hälfte der Unternehmen bereits Mischformen planen – und damit der Politik voraus sind. Ein rechtlicher Rahmen reiche daher; Details sollten im Betrieb geregelt werden.
Die Einordnung
Einen gesetzlichen Anspruch auf Heimarbeit hält Julia Rathcke, Politikredakteurin der Rheinischen Post, grundsätzlich für erforderlich, wenngleich allenfalls die Hälfte der Arbeitnehmer ein solches Privileg in Anspruch nehmen könne. Allein der gute Wille der Arbeitgeber reiche bei einer so wichtigen Entscheidung eben nicht. Ein Recht sei zudem immer auch einklagbar und deshalb ein wirksames Instrument in der Hand von Arbeitnehmern. Die 24-Tage-Regelung der SPD geht nach Ansicht von Rathcke an der Realität vorbei: „Die Familie mit zwei in Vollzeit angestellten Elternteilen, noch dazu in Bürojobs, ist eine relativ kleine Gruppe. Die Realität sind Alleinerziehende oder Teilzeitkräfte, die stationär arbeiten müssen. Da gehen 24 Tage Homeoffice schnell an den Bedürfnissen vorbei, auch wenn das bislang eine Minimalforderung ist.“
Auf die Betriebe sieht Rathcke großen Regelungsbedarf zukommen: Arbeitszeiterfassung, Gesundheitsund Versicherungsschutz, technische Ausstattung, das Recht auf Nichterreichbarkeit, steuerliche Fragen etwa – auch wenn einiges davon bereits auf den Weg gebracht worden sei. Als guten Kompromiss lobt die RP-Redakteurin den Vorschlag der FDP, der sich an eine seit 2016 in den Niederlanden geltende Regelung anlehnt. Demzufolge muss ein Arbeitgeber die Möglichkeit von Homeoffice prüfen, wenn ein Angestellter dies verlangt. Welches Modell sich durchsetzen wird, das hänge vom Wählervotum ab.
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