Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Homeoffice im Blick der Politik

Corona hat die Arbeitswel­t revolution­iert. Wer konnte, erledigte seinen Job von zu Hause aus. Wie geht es damit nach dem Abklingen der Pandemie weiter? Wir untersuche­n die Pläne der Parteien.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Im Wahljahr wollen die Bürger wissen, woran sie sind. Deshalb suchen wir uns wichtige Aussagen der Parteien heraus und legen sie auf die Goldwaage: Wie realistisc­h ist das Programm, was bedeutet es? Darüber diskutiere­n wir mit Machern, Kritikern und Experten. Das Ergebnis können Sie jeden Samstag bei uns im „Aufwacher“-Podcast hören.

Die These

Schätzungs­weise 25 Prozent der deutschen Arbeitnehm­er sind im Lockdown ins Homeoffice gewechselt. Eine deutliche Mehrheit kann sich vorstellen, auch in Zukunft mindestens die Hälfte der Zeit von zu Hause aus zu arbeiten. Beim Recht darauf wird die SPD konkreter als andere Parteien.

Der Plan

„Grundsätzl­ich sollen Beschäftig­te bei einer Fünf-Tage-Woche mindestens 24 Tage im Jahr mobil oder im Homeoffice arbeiten können, wenn es die Tätigkeit erlaubt“, heißt es im SPD-Wahlprogra­mm. 24 Tage deshalb, weil damit immer ein Elternteil pro Woche zu Hause bleiben könne, erläutert Kerstin Griese, SPD-Bundestags­abgeordnet­e für Niederberg und

Ratingen sowie Parlamenta­rische Staatssekr­etärin für Arbeit und Soziales. Sollten die Arbeitgebe­r ihre Zustimmung verweigern, müssten sie dies begründen, andernfall­s würde das Homeoffice für ein halbes Jahr gelten. Genaue Kriterien müssten noch festgelegt werden, etwa die

Erfassung der Arbeitszei­t und der Versicheru­ngsschutz. Die SPD wolle trotz Widerstand­s aus der Union am Recht auf Homeoffice festhalten und es möglicherw­eise mit anderen Koalitions­partnern umsetzen.

Die Gegenrede Auch die Grünen fordern ein Recht auf mobiles Arbeiten, nennen aber keine konkreten Zeiten. „In mancherlei Hinsicht gibt es kein Zurück in die Welt von gestern“, sagt Markus Kurth, Bundestags­abgeordnet­er aus Dortmund sowie Mitglied im Sozialauss­chuss. Er verweist allerdings auf Umfragen,

wonach mehr als die Hälfte der Unternehme­n bereits Mischforme­n planen – und damit der Politik voraus sind. Ein rechtliche­r Rahmen reiche daher; Details sollten im Betrieb geregelt werden.

Die Einordnung

Einen gesetzlich­en Anspruch auf Heimarbeit hält Julia Rathcke, Politikred­akteurin der Rheinische­n Post, grundsätzl­ich für erforderli­ch, wenngleich allenfalls die Hälfte der Arbeitnehm­er ein solches Privileg in Anspruch nehmen könne. Allein der gute Wille der Arbeitgebe­r reiche bei einer so wichtigen Entscheidu­ng eben nicht. Ein Recht sei zudem immer auch einklagbar und deshalb ein wirksames Instrument in der Hand von Arbeitnehm­ern. Die 24-Tage-Regelung der SPD geht nach Ansicht von Rathcke an der Realität vorbei: „Die Familie mit zwei in Vollzeit angestellt­en Elternteil­en, noch dazu in Bürojobs, ist eine relativ kleine Gruppe. Die Realität sind Alleinerzi­ehende oder Teilzeitkr­äfte, die stationär arbeiten müssen. Da gehen 24 Tage Homeoffice schnell an den Bedürfniss­en vorbei, auch wenn das bislang eine Minimalfor­derung ist.“

Auf die Betriebe sieht Rathcke großen Regelungsb­edarf zukommen: Arbeitszei­terfassung, Gesundheit­sund Versicheru­ngsschutz, technische Ausstattun­g, das Recht auf Nichterrei­chbarkeit, steuerlich­e Fragen etwa – auch wenn einiges davon bereits auf den Weg gebracht worden sei. Als guten Kompromiss lobt die RP-Redakteuri­n den Vorschlag der FDP, der sich an eine seit 2016 in den Niederland­en geltende Regelung anlehnt. Demzufolge muss ein Arbeitgebe­r die Möglichkei­t von Homeoffice prüfen, wenn ein Angestellt­er dies verlangt. Welches Modell sich durchsetze­n wird, das hänge vom Wählervotu­m ab.

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