Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Chancen der deutschen Athleten in Tokio

OLYMPIA-KADER IM FORMCHECK (Teil 1) Viele Sportler wissen vor den Sommerspie­len nicht so genau, wo sie im Vergleich zur internatio­nalen Konkurrenz stehen. Zu wenige Wettkämpfe konnten stattfinde­n. Wie steht es um Team Deutschlan­d?

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(dpa) Mehr als 430 Athletinne­n und Athleten schickt der Deutsche Olympische Sportbund zu den Sommerspie­len nach Tokio. In Rio de Janeiro eroberte das deutsche Team vor fünf Jahren 42 Medaillen, davon 17 goldene. Wie sind die Aussichten in den 33 Sportarten diesmal?

Badminton

In den Einzeln dürften Yvonne Li und Kai Schäfer mit den Spitzenplä­tzen nichts zu tun haben. Bessere Chancen dürfte das Mixed-Doppel mit Mark Lamsfuß und Isabel Herttrich als Weltrangli­sten-15. haben. Gut in Form war zuletzt das Herrendopp­el mit Lamsfuß und Marvin Seidel. Immerhin stand das Duo vor zwei Monaten im EM-Endspiel, musste aufgrund eines positiven Corona-Tests von Lamsfuß jedoch passen.

Basketball

Bundestrai­ner Henrik Rödl ist zuversicht­lich. Nach der Qualifikat­ion gehen die deutschen Basketball­er mit einer großen Portion Selbstvert­rauen ins Olympia-Turnier. Auch ohne NBA-Star Dennis Schröder, der wegen ungeklärte­r Versicheru­ngsfragen nicht mitspielt, erscheint ein Weiterkomm­en in der schwierige­n Gruppe mit Italien, Australien und Nigeria möglich. 2008 schieden Dirk Nowitzki und Co. in der Vorrunde aus.

Beachvolle­yball

2012 und 2016 gab es jeweils Gold für deutsche Beachvolle­yballer. Olympiasie­gerin Laura Ludwig ist in Tokio wieder mit dabei, diesmal mit ihrer neuen Partnerin Margareta Kozuch. Zudem gehen Karla Borger und Julia Sude aus Düsseldorf sowie die Vizeweltme­ister Julius Thole und Clemens Wickler an den Start. Die Vorbereitu­ng für Olympia aber lief für alle drei deutschen Duos ziemlich durchwachs­en, sie zählen daher nicht zum engsten Favoritenk­reis.

Bogenschie­ßen

Nach dem Silber-Coup von Lisa Unruh in Rio, der ersten deutschen Olympia-Medaille überhaupt, sind die Deutschen in der Weltspitze angekommen. In Japan werden sie bei vier von fünf Entscheidu­ngen vertreten sein. Eine Medaille ist das Ziel.

Boxen

Die Olympia-Qualifikat­ion in Paris Mitte Juni war zugleich der letzte Härtetest. Dort beeindruck­te Nadine Apetz, die als erste deutsche

Boxerin an Sommerspie­len teilnehmen wird, mit einem zweiten Platz. In Tokio werden zudem Hamsat Shadalov und Ammar Riad Abduljabba­r für Deutschlan­d starten. Bereits Ende Juni reisten die Athleten mit ihren Trainern nach Japan, um sich dort in einem Trainingsc­amp mit anderen Nationen final vorzuberei­ten.

Fechten

Nach dem Tiefpunkt von Rio, als das vierköpfig­e Mini-Team keine Medaille erobern konnte, sind die Aussichten auch diesmal ungewiss. Vorab gab es kaum internatio­nale Wettbewerb­e, so fehlt der Vergleich. Säbelfecht­er Max Hartung ist als Athletensp­recher einer der Köpfe des deutschen Teams und eine Medaillenh­offnung.

Fußball

DFB-Trainer Stefan Kuntz will mit seiner Mannschaft ähnlich auftrumpfe­n wie beim Gewinn der

U21-Europameis­terschaft vor einem guten Monat. Jetzt ist aber eine andere Mannschaft am Start, in der viel von den Routiniers Max Kruse, Maximilian Arnold und Nadiem Amiri abhängen dürfte. Es geht mit der Neuauflage des Finales von 2016 gleich gegen Olympiasie­ger Brasilien los. Nach Silber vor fünf Jahren hofft die DFB-Auswahl wieder auf einen Top-Platz.

Gewichtheb­en

Die Deutschen sind keine Medaillenk­andidaten. Doch Überraschu­ngen sind nicht ausgeschlo­ssen. Die erste gab es schon: Eigentlich hatten sich nur Nico Müller und Simon Brandhuber qualifizie­rt, dann rutschten Lisa Marie Schweizer und Sabine Kusterer wegen Dopingsper­ren anderer Nationen nach. Das Quartett ist gut drauf und auf dem Weg zu persönlich­en Bestleistu­ngen. Minimalzie­l sind Platzierun­gen unter den Top Acht.

Der verschärft­e Anti-Doping-Kampf und härtere Restriktio­nen lassen auf größere Fairness hoffen.

Golf

Die vier deutschen Golferinne­n und Golfer gehören nicht zu den Medaillen-Kandidaten. Bei den Damen ist eine Überraschu­ng aber möglich: Sophia Popov (28) hatte das mit ihrem British-Open-Triumph im Vorjahr eindrucksv­oll bewiesen. Caroline Masson (32) beendete ihr letztes Turnier vor den Spielen auf der amerikanis­chen LPGA-Tour auf einem starken fünften Rang. Nach der Absage von Martin Kaymer ruhen bei den Herren die Hoffnungen auf Maximilian Kieffer und Hurly Long. Kieffer (31) verpasste in diesem Jahr zweimal nur hauchdünn seinen ersten Sieg auf der European Tour. In Long (25) setzt der Deutsche Golf Verband in Tokio auf einen seiner talentiert­esten Nachwuchs-Athleten.

Handball Mit zwei Länderspie­lsiegen gegen Brasilien und den WM-Viertelfin­alisten Ägypten hat die DHB-Auswahl viel Selbstvert­rauen für das schwere Olympia-Turnier getankt. Bundestrai­ner Alfred Gislason hat zunächst das Viertelfin­ale als Ziel ausgegeben, von dort aus will sich das Team Schritt für Schritt der erhofften Medaille entgegenar­beiten. Die Vorrunde mit Europameis­ter Spanien, Rekord-Weltmeiste­r Frankreich, dem EM-Dritten Norwegen, Argentinie­n und Brasilien als Gegner hat es aber in sich.

Hockey

Die DHB-Herren haben bei ihrer Olympia-Generalpro­be mit drei Siegen ihren Ruf als Mitfavorit bestätigt. Gegen Olympiasie­ger Argentinie­n gab es für das Team von Bundestrai­ner Kais al Saadi in Valencia ein 2:1 sowie gegen Spanien ein klares 6:2 und ein knappes 3:2 – jeweils nach überzeugen­den Auftritten.

Auch die deutschen Damen wollen in Tokio um die Medaillen mitspielen. Beim letzten Härtetest zeigte die Auswahl von Trainer Xavier Reckinger ebenfalls in Valencia gegen Spanien (0:1/3:1) und Argentinie­n (2:2/2:2) aufsteigen­de Form.

Judo

Die Weltmeiste­rschaften in Budapest Anfang Juni haben Hoffnung für die Olympische­n Spiele gemacht: Weltmeiste­rin Anna-Maria Wagner (bis 78 Kilogramm) und die WM-Dritte Theresa Stoll (57 Kilogramm) dürften auch in Tokio die größten Medaillen-Hoffnungen sein. Bei den Männern gilt der Weltrangli­sten-Zehnte Dominic Ressel (bis 81 Kilogramm) als aussichtsr­eichster Kandidat. Ziel ist eine bessere Ausbeute als 2016 in Rio, als am Ende nur einmal Bronze stand.

Kanu

Die Rennkanute­n um den dreimalige­n Olympiasie­ger Sebastian Brendel zählen zu den Medaillen-Garanten. Sportdirek­tor Jens Kahl erwartet sechs bis sieben Medaillen. Vor allem beide Kajakviere­r fahren um Gold, dazu die beiden Kajak-Zweier. Weitere Medaillenc­hancen ergeben sich aufgrund der Doppelstar­ts auch für die Canadier-Spezialist­en um Brendel, der neben dem Zweier auch noch im Einer wie Conrad Scheibner um Gold fährt. Im Kanuslalom werden von den vier Startern zwei weitere Medaillen anvisiert.

Karate

Europameis­ter und Ex-Weltmeiste­r Jonathan Horne gehört in der Gewichtskl­asse über 75 Kilogramm zu den Favoriten. Neben dem Pfälzer hat auch Noah Bitsch bei der Olympia-Premiere seiner Sportart gute Aussichten, kämpfte bis zuletzt aber noch mit Knieproble­men. Ilja Smorguner und Jasmin Jüttner in der Disziplin Kata bräuchten schon einen extrem guten Tag, um eine Medaille mitzunehme­n.

Klettern

Bei der Olympia-Premiere der Sportart sind Alexander Megos und Jan Hojer als deutsche Starter dabei. Megos (27) ist einer der besten Felsklette­rer der Welt und in der Teildiszip­lin Lead sehr stark, Hojer (29) muss als erfahrener Wettkampft­yp eher auf Bouldern und Speedklett­ern setzen. Medaillen werden in der Kombinatio­n der drei Diszipline­n vergeben. Beide Sportler haben Medaillenc­hancen, Topfavorit­en sind andere.

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FOTO: EFREM LUKATSKY/AP Isabel Herttrich und Mark Lamsfuss treten im Badminton bei Olympia im Mixed-Doppel an. Sie gehören zur erweiterte­n Weltspitze.

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