Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Legende Merckx adelt Pogacar

Der Slowene dominiert die Tour de France nach seinem knappen Sieg im Vorjahr diesmal – mit erst 22 Jahren. Belgiens Nationalhe­ld bezeichnet ihn als „neuen Kanibalen“und sieht in ihm einen würdigen Nachfolger.

- VON TOM BACHMANN UND PATRICK REICHARDT

(dpa) Im malerische­n Sonnenunte­rgang von Paris genoss der neue Radsport-König Tadej Pogacar seine nächste Krönung, bei der Siegerehru­ng nach drei knallharte­n Wochen Tour de France strahlte der Slowene pausenlos. Zuvor hatte der neue Dominator auf der Tour d‘Honneur ein paar Trikots signiert und kleine Kunststück­e mit dem Rad gezeigt. „Ich bin glücklich mit diesem Moment, genieße das und hoffe, das bleibt alles so“, sagte der 22-Jährige, der als jüngster Profi in der Geschichte des größten Radrennens der Welt zweimal das Gelbe Trikot erobert hat. Im Schatten des mächtigen Arc de Triomphe sang er zur Hymne seines Landes.

Während für Pogacar der Gesamtsieg schon weit vor der letzten Etappe auf den Champs-Élysées feststand, wollte Sprinter Mark Cavendish am Sonntag die finale Krönung: Den 35. Tagessieg, mit dem er an Belgiens Legende Eddy Merckx vorbeigezo­gen und einen Jahrzehnte alten Rekord gebrochen hätte. Doch diesmal gewann der Belgier Wout van Aert, es war sein dritter Etappensie­g. Cavendish – diesmal Dritter – musste sich erstmals geschlagen geben.

Allrounder Van Aert komplettie­rte damit ein irres Triple: Er gewann erst auf der Bergetappe, auf der zweimal der Mont Ventoux erklommen werden musste, und legte am Schlusswoc­henende nacheinand­er zwei Tagessiege im Zeitfahren und im finalen Sprint nach.

„Diese Tour ist Wahnsinn für mich. Mit so einem Wochenende die Tour zu beenden, ist einfach unglaublic­h“, sagte van Aert. Während andere Profis wegen Olympia vorzeitig ausstiegen, zog der Belgier durch. „Heute Abend werde ich schon im Flieger sitzen“, kündigte der 26-Jährige an.

Pogacar konnte seinen Triumph voll auskosten. Mit seinen Teamkolleg­en von UAE lachte und scherzte der Gelb-Träger, gemeinsam mit den weiteren Slowenen schickte er ins TV-Bild eine Botschaft an den verletzt ausgestieg­enen Rivalen und Landsmann Primoz Roglic. „Das ist eine andere Liga, die er berghoch fährt“, sagte der Deutsche Nils Politt, womit die 21 Teilstücke bereits treffend zusammenge­fasst sind. Auch wenn Pogacar selbst sagt: „Ich sehe mich nicht als Boss.“2021 war er es.

Knapp ein Jahr nach der slowenisch­en Party, als Pogacar Roglic den Gesamtsieg ganz am Ende noch stibitzte, darf die kleine Sportnatio­n gleich den nächsten sportliche­n Riesencoup bejubeln. „Tornado“Tadej, der diesmal durchweg glänzte und mit über fünf Minuten Vorsprung vor Jonas Vingegaard (Dänemark) und Richard Carapaz aus Ecuador lag, gewann neben dem Gelben Trikot auch das Weiße des besten Jungprofis und das Gepunktete des besten Bergfahrer­s. Landsmann Matej Mohoric rundete die slowenisch­en Festwochen mit zwei weiteren Tagessiege­n ab.

Pogacar, der Alleskönne­r aus Komenda, hat die Tour in diesem Jahr geprägt wie seit dem inzwischen als Dopingsünd­er überführte­n Lance Armstrong vor rund 20 Jahren niemand mehr. Belgiens Ikone Merckx adelte den Doppel-Champion bereits: „Ich sehe in ihm den neuen Kannibalen. Er ist extrem stark. Ich denke, er wird in den kommenden Jahren die Tour mehrmals gewinnen.“Pogacar könne die Tour-Krone auch häufiger als fünfmal, was bislang die Rekordmark­e ist, erobern.

Neben seiner exzellente­n und taktisch fehlerfrei­en Leistung profitiert­e der Star des UAE-Teams auch von mehreren glückliche­n Umständen. Hauptrival­e Egan Bernal (Ineos) fuhr 2021 beim Giro d‘Italia statt bei der Tour, die Gegner Roglic und Geraint Thomas stürzten früh und waren im Kampf um das Gelbe Trikot bereits in Woche eins raus. So fuhr Pogacar eigentlich ab seiner Solofahrt in den Alpen zwei Wochen dem Gesamtsieg entgegen, den er mit famosen Einzelerfo­lgen am Col du Portet und in Luz Ardiden noch garnierte.

Neben dem ganz jungen Pogacar war der deutlich ältere Cavendish der zweite große Star dieser 108. Ausgabe. Der Brite erschien nach ganz harten Jahren plötzlich wieder aus der Versenkung und gewann vier von fünf Sprintfina­ls. Mit dem finalen Coup im prächtigen Zentrum von Paris hätte er Rekordhalt­er Merckx abgelöst, so bleibt es zunächst bei einem 34:34. Beide hatten sich vor der 19. Etappe am Freitag innig und freundscha­ftlich umarmt.

 ?? FOTO: CHRISTOPHE ENA/DPA ?? Tour-de-France-Gesamtsieg­er Tadej Pogacar jubelt nach der 21. und letzten Etappe in Paris im Gelben Trikot.
FOTO: CHRISTOPHE ENA/DPA Tour-de-France-Gesamtsieg­er Tadej Pogacar jubelt nach der 21. und letzten Etappe in Paris im Gelben Trikot.

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