Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Durchwachsene Bilanz der Deutschen bei der Tour de France
Nils Politt sorgt mit seinem Etappensieg für Aufsehen, Tony Martin erlangt durch seinen Pappschild-Unfall neue Berühmtheit, scheidet aber später aus.
(dpa) Ein furioser Etappensieg von Nils Politt, ein skurriler Pappschild-Crash von Tony Martin und das emotionale Schlusswort von André Greipel: Die 108. Tour de France war für die deutschen Radprofis nicht gerade von zahlreichen Erfolgen gekrönt, doch in Erinnerung wird sie durch diverse Nebengeräusche allemal bleiben. Zumal auch noch einer der erfolgreichsten deutschen Sprinter der Geschichte Adieu sagte.
Greipel gelang auf seiner elften Tour zwar kein Tagessieg mehr, für ihn war es trotzdem ein versöhnlicher Abschied vom größten Rennen der Welt. Im Finale wurde der 39 Jahre alte Rostocker starker Fünfter, er vollbrachte insgesamt mehrere Top10-Plätze und quälte sich tapfer über die Pässe in den Alpen und Pyrenäen. „Ich konnte es noch ein bisschen genießen, das letzte Mal den Tourmalet und den Mont Ventoux hochgefahren zu sein. Das nächste Mal habe ich ein E-Bike oder grille Würstchen“, sagte Greipel.
Deutlich stressiger war die Tour für Tony Martin. Der viermalige Zeitfahrweltmeister war auf der ersten Etappe mit einem Pappschild kollidiert, das eine Zuschauerin auf die Straße gehalten hatte. Die Szene
mit dem folgenden Crash ging viral, selbst in amerikanischen Late Night Shows wurde die Aktion gezeigt. Martin hielt noch bis zur elften Etappe durch, gab dann nach einem erneuten Sturz auf. Die Zuschauerin hatte sich zwischenzeitlich der Polizei gestellt, am 14. Oktober muss sie sich vor einem Richter verantworten. Martin hofft auf „ein abschreckendes Urteil“.
Eine deutlich bessere Zeit erlebte der Paris-Roubaix-Zweite Politt. Der Kölner fasste sich auf der zwölften Etappe ein Herz, attackierte aus einer Ausreißergruppe heraus und feierte als Solist in Nimes den größten Erfolg seiner Karriere. „Da ist der Knoten geplatzt“, sagte der 27-Jährige. Den Preis des Erfolges zahlte Politt auf der drittletzten Etappe, als in einer Ausreißergruppe alle Fahrer auf ihn achteten. „Durch meinen Etappensieg haben die anderen von ihren Sportlichen Leitern sicher gesagt bekommen, mich auf keinen Fall wegfahren zu lassen.“
Gescheitert ist hingegen der Plan des Teams Bora-Hansgrohe, Emanuel Buchmann als Joker für Etappensiege in den Bergen mitzunehmen. „Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit der Tour“, sagte Buchmann. Kurz bevor es erstmals in die Berge
ging, wurde er durch einen Infekt geschwächt und erholte sich erst in der letzten Phase des Rennens. Der Sportliche Leiter Enrico Poitschke sah die Tour für Bora dennoch als Erfolg: „Wir sind aggressiv gefahren und haben zwei Etappensiege geholt.“Zudem steht der niederländische Kapitän Wilco Kelderman am Ende auf Platz fünf des Gesamtklassements. Rückblickend hätte man bei Bora statt Buchmann vielleicht doch besser Sprinter Pascal Ackermann mitgenommen. Die Chancen auf einen Etappensieg wären durch die Ausfälle von diversen Top-Sprintern gut gewesen.