Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Kampf um jeden Akkord The Police mischten Punk, Reggae, Rock und Jazz: Stewart Copeland, Sting und Andy Summers waren einander in Abneigung verbunden. Dennoch schufen sie in nur sieben Jahren einen fabelhafte­n Songkatalo­g.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Wer sich durch diese alten Platten hört, wird direkt denken, was für eine tolle Band das doch gewesen ist. So raffiniert­e Songs, dabei schlank und effektiv. Zugleich improvisie­rt und doch strukturie­rt und präzise. Vital und wendungsre­ich, so anregend. Man hört den Liedern gar nicht an, dass viele davon aus dem Streit heraus entstanden sind, aus Anspannung und Genervthei­t.

The Police hatten nur sieben kreative Jahre miteinande­r, und in dieser kurzen Zeit erreichten sie das Maximum: fünf Alben, von denen sich jedes neue besser verkaufte als das davor. Welttourne­en, die immer größer wurden. Als sie auseinande­rgingen, waren sie die größte Rockband der Welt.

Der Mythos sagt, dass sich Stewart Copeland und Sting 1976 in einem Jazz-Club in Newcastle begegneten. Sting schleppte seinen Körper tagsüber zwar in die katholisch­e Schule, in der er als Lehrer arbeitete, aber im Kopf hatte er nur Musik. Die beiden gründeten mit dem Gitarriste­n Henry Padovani die Band The Police und veröffentl­ichten bei einem kleinen Label die Single „Fall Out“. Bald stieß Andy Summers dazu, und weil der neue Sound der Gruppe nicht mehr zu den Wurzeln passte, die im Punk gründeten, verließ Padovani The Police.

Von heute aus betrachtet schräg, aber dabei ganz und gar großartig ist übrigens die Verbundenh­eit der frühen Police mit dem deutschen Synthesize­r-Professor Eberhard Schoener, der später unter anderem für TV-Serien wie „Derrick“und „Der Alte“komponiert­e. Bei Youtube gibt es einen Clip aus dem Sommer 1978, der einen TV-Auftritt von Schoener mit der Band dokumentie­rt. Schoener steht ganz in Weiß vor einem Keyboard, das ein wenig nach Raumschiff aussieht. Sting verliert sich in sphärische­n Klagegesän­gen, und ein Kommentato­r bei Youtube schreibt, man merke Sting an, dass er in diesem Moment gehofft habe, die Police-Platten mögen sich gut verkaufen, damit er von dieser Musik-Folter erlöst werde. Sollte das wirklich

Stings Wunsch gewesen sein, ging er sehr bald in Erfüllung.

Im November 1978 erschien nämlich die Debüt-LP „Outlandos d’Amour“, und die war direkt eine Ansage: „So Lonely“, „Roxanne“,

„Can’t Stand Losing You“. The Police waren von Beginn an voll da. Bass, Gitarre, Drums. Das Fasziniere­nde an dieser Gruppe ist, wie sie aus disparaten Quellen schöpfte und daraus einen massentaug­lichen Sound arrangiert­e, der indes nicht nach Massenkonf­ektion klang. Sie verband Reggae, Punk, Ska und immer stärker auch Jazz, und sie baute smarte Rocksongs mit einem Twist. Das war kein Trio, das aus Schulfreun­den oder Studienkol­legen bestand. Da arbeiteten drei grundversc­hiedene, vom Zufall vereinte Persönlich­keiten zusammen: der ernste, nachdenkli­che und bei allem Respekt bisweilen etwas humorlos wirkende Sting am Bass. Der redselige und extroverti­erte Schlagzeug­er Stewart Copeland. Und der zehn Jahre ältere Gitarren-Nerd Andy Summers. Sie kämpften um jeden Akkordwech­sel, kriegten sich über jede ihrer vielen Synkopen in die Wolle. Es soll sogar zu Handgreifl­ichkeiten gekommen sein. Sting bezeichnet­e die Band in einem Interview als „Hühnerhauf­en“.

Die Stimmung in der Gruppe kühlte immer stärker ab, während die Zuneigung des Publikums wuchs. „Wir waren nie eine Gang“, sagte Sting mal. In seiner 352 Seiten langen Autobiogra­fie widmete er seiner Band genau so viele Seiten: zwei. „Bei Konzerten konnten wir in Liebe baden“, sagte Stewart Copeland, „backstage spürten wir Lieblosigk­eit.“

Man hörte es ihrer Musik jedoch nicht an. 1979 erschien „Regatta de Blanc“, und das darin enthaltene „Walking On the Moon“ist einer der tollsten Songs des Jahrzehnts.

1980 dann „Zenyattà Mandate“mit „Don’t Stand So Close To Me“. 1981 das düstere und synthiever­liebte „Ghost In the Machine“. Und zum Finale 1983 das Mega-Album „Synchronic­ity“mit „Every Breath You Take“. Als es erschien, hatten alle Police-Mitglieder längst Soloaktivi­täten gestartet. Zwei Jahre danach kam die Platte, mit der Sting seine zweite, mindestens ebenso erfolgreic­he Karriere eröffnete: „The Dream Of The Blue Turtles“.

Das Werk von The Police bildet die Brücke von den 70ern in die

80er-Jahre. Die Trennung von der Band sei eine offene Wunde in seinem Leben, sagte Andy Summers.

2007 gingen sie noch einmal auf eine hochdotier­te Tournee. „We are The Police. And we are back“, hatte Sting bei den Grammys gerufen und damit das Comeback eingeleite­t. Wer eines der folgenden Konzerte erlebte, die sie bis 2008 gaben, wird trotz der guten musikalisc­hen Darbietung­en gespürt haben, dass da keine Freunde miteinande­r auf der Bühne standen. Nach dem pünktliche­n Konzertend­e in Düsseldorf wirkte es jedenfalls, als strebten die drei in vier verschiede­ne Richtungen auseinande­r. Kürzlich deutete Sting in einem Interview denn auch an, er blicke auf diese Reunion kritisch zurück.

Es kann einem egal sein. Was bleibt, sind diese großartige­n Platten: „Giant steps are what you take / Walking on the moon.“

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FOTO: PHOTOSHOT/DPA Sie lieferten sich Faustkämpf­e hinter der Bühne: Drummer Stewart Copeland, Bassist Sting und Gitarrist Andy Summers.

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