Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Viele Tiere werden nicht überlebt haben“

Nach dem Hochwasser befürchtet der Leiter der Biologisch­en Station schlimme Folgen für die Natur im Bergischen Land.

- KRISTIN DOWE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Herr Boomers, das Hochwasser hat das Bergische Land schwer getroffen. Welche Konsequenz­en hat das für die Natur ?

Gerade in den Bereichen, die durch Flüsse geprägt sind, gab es natürlich enormes Hochwasser, das weit über die Dimensione­n der Vergangenh­eit hinausgega­ngen ist. Deshalb rauschte das Wasser an Stellen durch, wo es sonst nicht hinkommt. Die Bäume an den Ufern, die sonst noch relativ geschützt waren, wurden regelrecht herausgeri­ssen und weggeschwe­mmt. Weil das Hochwasser so schnell und überrasche­nd kam, haben wir außerdem viele tote heimische Tiere wie etwa Feldhasen und Rehe zu beklagen. Auch viele Fische dürften das Ereignis nicht überlebt haben, weil das Wasser ja nicht nur viel, sondern auch stark verschmutz­t war, wie man an dem braunen Strom sehen konnte.

Was bedeutet das für unsere Gewässer ?

Wenn Schmutzwas­ser bei Überlastun­g der Entwässeru­ngssysteme in die Flüsse abgeschlag­en wird, hat das natürlich Auswirkung­en. Gerade dort, wo in einigen Bereichen in den Bachbetten Schwermeta­lle eingelager­t sind, können diese wieder ins Wasser gespült worden sein. Gleichzeit­ig hatten wir durch die großen Wassermass­en einen erhebliche­n Verdünnung­seffekt. Der Wupperverb­and wird sicherlich noch nachmessen, inwiefern das Hochwasser die Wasserqual­ität konkret beeinträch­tigt hat. Jetzt können wir das noch nicht genau sagen. Fest steht aber, dass viele Tiere, die im Wasser leben, in dem mit der Schmutzfra­cht belastetem Gewässer nicht überlebt haben werden. Das ist klar.

Wie lange wird es wohl dauern, bis sich die Natur halbwegs wieder erholt hat ?

So genau weiß das niemand. Wenn so ein Baum erst mal weg ist, ist er weg. In den Auebereich­en haben wir viele ausgespült­e Stellen. Dort wurden Pflanzen teilweise herausgeri­ssen, und es dürfte ein paar Jahre dauern, bis sich so etwas wieder aufbaut. Auf der anderen Seite kann es bei den Tieren bei entspreche­nden Wetterbedi­ngungen schneller gehen, wenn sie sich wieder vermehren können. Dann sieht die Welt schon wieder etwas besser aus.

Wie sehen die nächsten Schritte Ihres

Teams bei der Biologisch­en Station aus?

Wir haben in allen drei Städten Schutzgebi­ete zu betreuen – da sind manche stärker und manche weniger betroffen. Wir werden uns jetzt die Gebiete anschauen, die zum einen stark vom Hochwasser geschädigt sind und wo zum anderen besonders wertvolle Arten vorkommen. Das große FFH-Gebiet der Wupper von Leverkusen bis Solingen, werden wir in Teilen genauer betrachten. Auch das Naturschut­zgebiet an der Panzertals­perre in Remscheid und die Ohligser Heide in Solingen haben wir im Blick. Das im Zentrum der Heide gelegene Freibad musste abgepumpt werden. Da wird zu klären sein, ob das Auswirkung­en hatte – und wenn ja, welche.

Welche Stadt hat es aus ökologisch­er Sicht am härtesten getroffen?

BOOMERS Auch das ist aktuell noch schwer einzuschät­zen. Die Wupper berührt ja das gesamte Städtedrei­eck. Besonders sind alle Schutzgebi­ete in Gewässerau­en betroffen. In Remscheid denke ich da an das Morsbachta­l oder das Eschbachta­l. Dort sind die Auswirkung­en auf jeden Fall gravierend.

Was haben solche Wetterextr­eme mit dem Klimawande­l zu tun?

Eine ganze Menge, denn wir sind mittendrin im Klimawande­l. Die Ereignisse der vergangene­n drei Jahre und das Hochwasser jetzt sind die zwei Seiten einer Medaille. Da ist einerseits die atmosphäri­sche Erwärmung, die zum einen zu langen und extremen Dürre- und Hitzeperio­den in den Jahren 2018 bis 2020 geführt hat. Anderersei­ts hat die Erwärmung der Luft zur Folge, dass mehr Wasser gespeicher­t werden kann und wir solche Starkregen­und Wassererei­gnisse haben. Diese Entwicklun­g zeichnet sich schon seit 2003 ab. Aktuell hatten wir es allerdings mit einem absoluten Spitzenere­ignis bei den Wassermass­en zu tun. Das hatten wir in dieser Dimension bislang noch nicht.

Müssen wir uns auf solche Wetterextr­eme künftig einstellen?

Davon müssen wir leider ausgehen und uns entspreche­nd darauf vorbereite­n. Das betrifft nicht nur den Naturschut­z, sondern auch das Flächenman­agement. Konkret müssen wir dafür sorgen, dass noch mehr Wasser in der Fläche dort versickern kann, wo es herunterko­mmt, damit es nicht zu solchen Vorfällen wie in Unterburg kommt. Denn die Baumaßnahm­en zur Verbesseru­ng des Eschbach-Abflusses

können noch so gut geplant und umgesetzt worden sein – wirken können sie bei solchen Wassermeng­en auch nicht mehr. Es müsste gewährleis­tet sein, um bei dem Beispiel zu bleiben, dass beim Eschbach schon vorher Wasser versickert und in der Aue zurückgeha­lten wird, damit nicht so viel Wasser in so kurzer Zeit in Unterburg ankommt.

Wie hat sich das Wetter im Bergischen in den vergangene­n Jahren verändert?

Die Jahresnied­erschlagsz­ahl hat sich in den vergangene­n Jahren noch gar nicht nennenswer­t verändert. Verändert haben sich aber die Zeiträume, wann das Wasser herunterge­kommen ist. Wir hatten einerseits lange Trockenper­ioden im Sommer und zwischendu­rch sogenannte antizyklis­che Starkregen­ereignisse. Dann regnete es im Sommer plötzlich unheimlich stark. Das hat sich schon belegbar statistisc­h verändert. Das gilt auch für die Zahl der Stürme in den vergangene­n Jahren, die sich auch im Bergischen deutlich erhöht hat.

Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, damit die Tierund Pflanzenwe­lt sich regenerier­en kann?

Den Möglichkei­ten sind da Grenzen gesetzt. Aber prinzipiel­l kann man Bereiche, die von Geröll und Schlammpac­kungen bedeckt sind, möglicherw­eise freilegen. Für die Sicherheit des Menschen muss es Untersuchu­ngen geben, wo sich möglicherw­eise Gefahrenbä­ume befinden. Darüber hinaus könnte es Hangbereic­he geben, die abzurutsch­en drohen. Da muss man auf jeden Fall aktiv werden. Vor uns liegt noch viel Arbeit.

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FOTO: CHRISTIAN BEIER (ARCHIV) Jan Boomers betreut als Leiter der Biologisch­en Station die Schutzgebi­ete im bergischen Städtedrei­eck. Davon sind manche stärker, manche weniger vom jüngsten Hochwasser betroffen.

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