Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Viele Tiere werden nicht überlebt haben“
Nach dem Hochwasser befürchtet der Leiter der Biologischen Station schlimme Folgen für die Natur im Bergischen Land.
Herr Boomers, das Hochwasser hat das Bergische Land schwer getroffen. Welche Konsequenzen hat das für die Natur ?
Gerade in den Bereichen, die durch Flüsse geprägt sind, gab es natürlich enormes Hochwasser, das weit über die Dimensionen der Vergangenheit hinausgegangen ist. Deshalb rauschte das Wasser an Stellen durch, wo es sonst nicht hinkommt. Die Bäume an den Ufern, die sonst noch relativ geschützt waren, wurden regelrecht herausgerissen und weggeschwemmt. Weil das Hochwasser so schnell und überraschend kam, haben wir außerdem viele tote heimische Tiere wie etwa Feldhasen und Rehe zu beklagen. Auch viele Fische dürften das Ereignis nicht überlebt haben, weil das Wasser ja nicht nur viel, sondern auch stark verschmutzt war, wie man an dem braunen Strom sehen konnte.
Was bedeutet das für unsere Gewässer ?
Wenn Schmutzwasser bei Überlastung der Entwässerungssysteme in die Flüsse abgeschlagen wird, hat das natürlich Auswirkungen. Gerade dort, wo in einigen Bereichen in den Bachbetten Schwermetalle eingelagert sind, können diese wieder ins Wasser gespült worden sein. Gleichzeitig hatten wir durch die großen Wassermassen einen erheblichen Verdünnungseffekt. Der Wupperverband wird sicherlich noch nachmessen, inwiefern das Hochwasser die Wasserqualität konkret beeinträchtigt hat. Jetzt können wir das noch nicht genau sagen. Fest steht aber, dass viele Tiere, die im Wasser leben, in dem mit der Schmutzfracht belastetem Gewässer nicht überlebt haben werden. Das ist klar.
Wie lange wird es wohl dauern, bis sich die Natur halbwegs wieder erholt hat ?
So genau weiß das niemand. Wenn so ein Baum erst mal weg ist, ist er weg. In den Auebereichen haben wir viele ausgespülte Stellen. Dort wurden Pflanzen teilweise herausgerissen, und es dürfte ein paar Jahre dauern, bis sich so etwas wieder aufbaut. Auf der anderen Seite kann es bei den Tieren bei entsprechenden Wetterbedingungen schneller gehen, wenn sie sich wieder vermehren können. Dann sieht die Welt schon wieder etwas besser aus.
Wie sehen die nächsten Schritte Ihres
Teams bei der Biologischen Station aus?
Wir haben in allen drei Städten Schutzgebiete zu betreuen – da sind manche stärker und manche weniger betroffen. Wir werden uns jetzt die Gebiete anschauen, die zum einen stark vom Hochwasser geschädigt sind und wo zum anderen besonders wertvolle Arten vorkommen. Das große FFH-Gebiet der Wupper von Leverkusen bis Solingen, werden wir in Teilen genauer betrachten. Auch das Naturschutzgebiet an der Panzertalsperre in Remscheid und die Ohligser Heide in Solingen haben wir im Blick. Das im Zentrum der Heide gelegene Freibad musste abgepumpt werden. Da wird zu klären sein, ob das Auswirkungen hatte – und wenn ja, welche.
Welche Stadt hat es aus ökologischer Sicht am härtesten getroffen?
BOOMERS Auch das ist aktuell noch schwer einzuschätzen. Die Wupper berührt ja das gesamte Städtedreieck. Besonders sind alle Schutzgebiete in Gewässerauen betroffen. In Remscheid denke ich da an das Morsbachtal oder das Eschbachtal. Dort sind die Auswirkungen auf jeden Fall gravierend.
Was haben solche Wetterextreme mit dem Klimawandel zu tun?
Eine ganze Menge, denn wir sind mittendrin im Klimawandel. Die Ereignisse der vergangenen drei Jahre und das Hochwasser jetzt sind die zwei Seiten einer Medaille. Da ist einerseits die atmosphärische Erwärmung, die zum einen zu langen und extremen Dürre- und Hitzeperioden in den Jahren 2018 bis 2020 geführt hat. Andererseits hat die Erwärmung der Luft zur Folge, dass mehr Wasser gespeichert werden kann und wir solche Starkregenund Wasserereignisse haben. Diese Entwicklung zeichnet sich schon seit 2003 ab. Aktuell hatten wir es allerdings mit einem absoluten Spitzenereignis bei den Wassermassen zu tun. Das hatten wir in dieser Dimension bislang noch nicht.
Müssen wir uns auf solche Wetterextreme künftig einstellen?
Davon müssen wir leider ausgehen und uns entsprechend darauf vorbereiten. Das betrifft nicht nur den Naturschutz, sondern auch das Flächenmanagement. Konkret müssen wir dafür sorgen, dass noch mehr Wasser in der Fläche dort versickern kann, wo es herunterkommt, damit es nicht zu solchen Vorfällen wie in Unterburg kommt. Denn die Baumaßnahmen zur Verbesserung des Eschbach-Abflusses
können noch so gut geplant und umgesetzt worden sein – wirken können sie bei solchen Wassermengen auch nicht mehr. Es müsste gewährleistet sein, um bei dem Beispiel zu bleiben, dass beim Eschbach schon vorher Wasser versickert und in der Aue zurückgehalten wird, damit nicht so viel Wasser in so kurzer Zeit in Unterburg ankommt.
Wie hat sich das Wetter im Bergischen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Jahresniederschlagszahl hat sich in den vergangenen Jahren noch gar nicht nennenswert verändert. Verändert haben sich aber die Zeiträume, wann das Wasser heruntergekommen ist. Wir hatten einerseits lange Trockenperioden im Sommer und zwischendurch sogenannte antizyklische Starkregenereignisse. Dann regnete es im Sommer plötzlich unheimlich stark. Das hat sich schon belegbar statistisch verändert. Das gilt auch für die Zahl der Stürme in den vergangenen Jahren, die sich auch im Bergischen deutlich erhöht hat.
Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, damit die Tierund Pflanzenwelt sich regenerieren kann?
Den Möglichkeiten sind da Grenzen gesetzt. Aber prinzipiell kann man Bereiche, die von Geröll und Schlammpackungen bedeckt sind, möglicherweise freilegen. Für die Sicherheit des Menschen muss es Untersuchungen geben, wo sich möglicherweise Gefahrenbäume befinden. Darüber hinaus könnte es Hangbereiche geben, die abzurutschen drohen. Da muss man auf jeden Fall aktiv werden. Vor uns liegt noch viel Arbeit.