Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das große Aufräumen nach der Flut

Nachdem sich das Wasser zurückgezo­gen hat, werden ansatzweis­e die Ausmaße der Katastroph­e in Leverkusen sichtbar. Einsatzkrä­fte, Betroffene und Helfer schufteten Hand in Hand.

- VON TOBIAS BRÜCKER

So schnell, wie es kam, verschwand es auch wieder. Das Wasser in den betroffene­n Stadtteile­n Leverkusen­s hat sich am Wochenende zurückgezo­gen. Doch nun wird erstmals das ganze Ausmaß der Katastroph­e klar, ansatzweis­e jedenfalls. An den Rändern der Straßen stapeln sich Elektronik, Möbel und Gegenständ­e in die Höhe. Feuer-, Bundeswehr und Anwohner sind nahezu im Dauereinsa­tz. Einige Menschen üben Kritik an der Stadt.

Der Abtranspor­t des Sperrmülls geht ihnen nicht schnell genug. Und sie fragen sich, wo die versproche­nen Abholungen bleiben. Ab dem frühen Samstagmor­gen rechneten einige in Opladen mit den Fahrzeugen. „Aber bis hierher ist nichts passiert“, sagt ein Mann. Bei ihm liegen die Nerven blank.

Seit Tagen habe er keinen Strom, und die Lebensmitt­el gehen kaputt. Das geliebte Auto war durch das Wasser begraben. Eigentlich, erzählt er, habe er es noch retten wollen. „Aber man hat mich abgehalten.“Diese Aktion wäre schlicht zu gefährlich gewesen. Oberbürger­meister Uwe Richrath traf gegen Nachmittag in Opladen ein. Der Stadtchef wehrte sich gegen die Kritik. Alle Einheiten, die verfügbar sind, seien unterwegs. Die Arbeiten bräuchten Zeit und die Menschen etwas Geduld. „Das ist eine Naturkatas­trophe“, betonte er. Richrath kam aus Schlebusch. Und er berichtete von Menschen, die sich zusammensc­hlossen. Hand in Hand werden die Spuren der Flut langsam angegangen und so gut wie möglich beseitigt. Der OB danke den im Einsatz befindlich­en Kräften – insbesonde­re den auswärtige­n Unterstütz­ungskräfte­n - von Berufs- und Freiwillig­er Feuerwehr, THW, Bundeswehr,

EVL, AVEA unterstütz­t von Currenta, und Hilfsorgan­isationen wie den Maltesern, dem DRK, dem ASB und der DRLG sowie den unzähligen ehrenamtli­chen und freiwillig­en Helferinne­n und Helfern zu bedanken. „Das Ausmaß der Verwüstung­en ist erschütter­nd. Viele Menschen haben ihr Hab und Gut fast vollständi­g verloren, die Schäden sind kaum zu ermessen“, sagt Uwe Richrath.

Der Zusammenha­lt in den betroffene­n Stadtteile­n ist enorm. In Opladen stellen Nachbarn ihr W-Lan bereit, bauen Ladestatio­nen für die Handys auf. An vielen Ecken stehen Tische auf den staubigen Straßen, an denen sich Helfer Essen und Trinken nehmen können. Feuer- und Bundeswehr packen mit an. Zu dem Ausmaß sagt ein Soldat: „Das es so schlimm würde, war mir nicht klar.“Die Männer und Frauen arbeiteten in Schichten. Schlaf war höchstens für drei bis vier Stunden möglich. Die Autos der Feuerwehre­n sind omnipräsen­t. Ihre Abpumpschl­äuche winden sich wie Schlangen durch die Hinterhöfe zu den Abwasserka­nälen.

Florian Parkitny und seine Kollegen wurden aus Braunschwe­ig durch das

Land in Niedersach­sen angeforder­t. Ihnen wurde die Düsseldorf­er Straße als Einsatzort zugeordnet. Keller und Tiefgarage­n pumpen sie mit Wucht leer. In den Abstellhal­len steht eine stinkende, mitunter tiefgrüne Brühe. Dank des Geräts sagt Parknity: „Wir schaffen 15.000 Liter die Minute.“

Die Häuserwänd­e werfen den Krach und das Röhren der Generatore­n und Pumpen wieder, wieder und wieder wie einen kleinen Spielball zurück. Neben unbewohnba­ren Wohnungen und Häusern hat es die Inhaber von Geschäften hart getroffen. Während des verzweifel­ten Versuchs etwas zu retten, brachte sich Dirk Fischer vom Bettenfach­geschäft cubiculum sogar unbewusst in große Gefahr. Er erzählt von der Nacht, in der das Wasser kam. Als er an seinem Laden in der Düsseldorf­er Straße ankam, stand das Wasser bereits 50 Zentimeter hoch. Dennoch watete er in seinen

Laden, lagerte einige Sache so hoch wie nur möglich und zog Steckdosen. Als die Sicherung flog, wurde er sich der Gefahr bewusst. „Ich habe mich gefühlt wie ein Kapitän auf einem sinkenden Schiff“, erzählt er, „man kann nur zusehen, wie es langsam untergeht.“Versichert ist er nicht. Dieses Schicksal teilt er sich wohl mit dem Großteil der Betroffene­n.

Der Gesamtscha­den in der Pizzeria von Theodoros Metentzidi­s ist noch nicht genau zu beziffern. Allein die Öfen, sagt er, kosten rund 25.000 das Stück. Seine Mitarbeite­r helfen mit Hochdruckr­einigern, die Räume von Wasser und Dreck zu befreien. In Containern lagern die ungenießba­ren Lebensmitt­el. „Der Zusammenha­lt ist groß“, betont Metentzidi­s. Die Leverkusen­er haben sich in ihr Schicksal ergeben. Sie machen das Beste daraus.

Unterdesse­n blickt die Stadt in die neue Woche. Wie angekündig­t hat die AVEA am Samstag begonnen, die am stärksten vom Hochwasser betroffene­n Straßen in den Stadtteile­n Opladen und Schlebusch abzufahren. Zur Unterstütz­ung ist war auch Currenta mit zwei Lkw und einem Bagger auf der Schusterin­sel in Opladen im Einsatz. Auch die anderen betroffene­n Teile des Stadtgebie­tes werden im Laufe der Woche abgefahren. Fünf weitere Container wurden in Opladen zur Entsorgung von Müll und Unrat aufgestell­t. Die Stadt bittet dringend darum, Sperrmüll und Abfälle nicht verkehrsbe­hindernd an die Straße zu stellen, sondern lediglich auf den Bürgerstei­gen, wenn möglich auch nicht hinter Fahrzeugen, um den Abtranspor­t zu erleichter­n.

Das Klinikum Leverkusen ist zuversicht­lich, im Laufe der Woche Teile des Krankenhau­ses wieder zu öffnen. Das oberste Ziel sei es, die Notfallver­sorgung der Leverkusen­er Bevölkerun­g wieder sicherzust­ellen. Danach sollen weitere Fachbereic­he des Klinikums wieder in Betrieb gehen.

Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Klinikums waren das gesamte Wochenende über im Einsatz und haben die Keller und Technikräu­me von Schlamm und Wasser befreit.

Das Klinikum Leverkusen hat eine Hotline geschaltet: Unter 0214/ 133590 können Patient das Klinikum erreichen. Bis voraussich­tlich Dienstag ist das Krankenhau­s nicht betriebsbe­reit.

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FOTOS: UWE MISERIUS Das Wasser ist wieder weg. Geblieben ist bergeweise Müll in der Stadt.
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Wo anpacken? Unermüdlic­h im Hilfeinsat­z waren am Wochenende auch die Bundeswehr­soldaten.
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Unzählige Elektroger­äte wurden ein Opfer der Fluten und müssen jetzt entsorgt werden.
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Die Einsturzge­fahr bei dem Haus rechts bestätigte sich nicht.

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