Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der irrlichter­nde Aiwanger

Bayerns Vize-Ministerpr­äsident eckt bei Söder mit seiner Haltung zum Impfen an.

- VON PATRICK GUYTON

Die Entschuldi­gung steht aus. Markus Söder hat sie von Hubert Aiwanger gefordert, nachdem dieser in der Debatte um künftige Vorteile für Geimpfte von einer „Apartheids­diskussion“gesprochen hatte. Bayerns Ministerpr­äsident bezeichnet den Vergleich seines Stellvertr­eters, des Chefs der Freien Wähler (FW), als „verstörend“und „unangemess­en“. Es ist nicht die erste Entgleisun­g und nicht der letzte Missgriff, den sich der Niederbaye­r in der Corona-Zeit geleistet hat.

Für die CSU-FW-Koalition wird das mehr und mehr zur Belastung. Das Verhältnis der Bündnispar­tner, die seit dem Herbst 2018 als „Schwarz-Orange“regieren, ist massiv eingetrübt. Denn Söder und seine CSU gelangen zum Eindruck, dass Aiwanger eher gegen sie als mit ihnen arbeitet. Dieser Eindruck erhärtet sich mit Blick auf die nahende Bundestags­wahl – die FW kandidiere­n bundesweit und suchen nach konservati­ven Wählern irgendwo im Dreieck von CDU/CSU, AfD und FDP.

Die überragend­e Aufgabe der Politik besteht derzeit darin, aus der Corona-Krise herauszuko­mmen. Und der einzige Weg dahin – da sind sich Bund und Freistaat einig, allen voran Söder – ist die schnelle Impfung.

So stellt es in der bayerische­n Staatsregi­erung schon seit Wochen ein Ärgernis dar, dass Aiwanger als Chef des Wirtschaft­sressorts der einzige Minister ist, der sich nicht impfen lässt.

Er begründet das damit, dass er noch nicht sicher sei, ob eine Impfung für ihn mehr positive als negative Folgen habe. Und dass dies schließlic­h eine persönlich­e Entscheidu­ng sei und er sich nicht bevormunde­n lasse. Weiter sorgt seine bisher unklare Rolle in einer möglichen Affäre für Aufmerksam­keit: Ein FW-Kommunalpo­litiker soll Schutzmask­en mit gefälschte­m Sicherheit­szertifika­t vertrieben haben.

Wer ist dieser Hubert Aiwanger, der die Freien Wähler aufgebaut hat und als Multi-Amtsinhabe­r deren zentrale Figur darstellt? Im Januar ist der Landwirtss­ohn aus Rahstorf in der Nähe von Landshut 50 Jahre alt geworden. Aiwanger spricht die Sprache seiner Heimat, trägt gerne Janker und steht dem örtlichen Jagdverban­d vor. Als junger Mann mit ländlich-konservati­ver Prägung störte er sich an der damaligen Allmachtst­ellung und den Spezeleien in der CSU. „Die waren mir nicht integer genug“, sagte er einmal im Gespräch. Mit den Freien Wählern wurde er rapide erfolgreic­h und zog 2008 in den bayerische­n Landtag ein. Viele Christsozi­ale sagen, dass damit das Ende der Ära der absoluten CSU-Mehrheiten besiegelt war.

Pragmatisc­h, zielorient­iert, frei von Ideologie – dieses Image pflegt Aiwanger. Er kann poltern. Vor allem aber ist er strukturko­nservativ. Mit den Klima-Offensiven von Söder etwa kann Aiwanger nicht viel anfangen, ebenso mit Debatten über Gleichbere­chtigung.

Mit der Corona-Pandemie und der bevorstehe­nden Wahl aber versucht Aiwanger, auch dort anzudocken, wo es sehr trüb wird – bei den „Zweiflern“, den „Skeptikern“. Das macht er kalkuliert. Söder hingegen warnt immer wieder vor seinem Münchner Partner: Stimmen für die Freien Wähler im Bund seien verschenkt – sie könnten dazu führen, dass am Ende die Grünen stärkste Kraft würden.

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FOTO: IMAGO Hubert Aiwanger lässt sich nicht impfen und macht der Union Stimmen streitig.

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