Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Unterburger erzählen von der Flut-Nacht
Als Unterburg am Mittwoch von vielen Seiten überströmt wurde, flüchtete sich eine Familie mit Hilfe von Seilen auf den Hang.
Aufgezeichnete und Erlebte weit übertraf.
Zuverlässig meldete nur das Landesamt für Natur und Umwelt Daten. Und der Vergleich erschreckt: 1957 wurden beim Jahrhundert-Hochwasser in Glüder 2,90 Meter Wupperhöhe erreicht. Am 14. und 15. Juli 2021 waren es 4,45 Meter. Der Begriff Jahrtausend-Hochwasser ist daher nicht falsch – aber die Einschätzung mancher schon, so ein Hochwasser hätten die Menschen an der Wupper doch schon öfter erlebt.
Eine der betroffenen Bewohnerinnen der kleinen Siedlung am Ende der Müngstener Straße erzählt, was genau passiert sei. Das Wasser stieg unglaublich schnell. Zu schnell, um Hab und Gut zu retten und sich selbst trocken in Sicherheit zu bringen. Mit Seilen hätten sie sich dann eine Hilfe gebaut – und auf dem Weg zur Straße ging es den Berg rauf. Sie zeigt bis zum Hals: „Das Wasser hat uns fast bis hier gestanden.“Sie zeigt auf ihren Hund: „Den hat jemand auf die Schultern genommen.“Sie zeigt nicht auf sich selbst. Aber das Drama, das sie erlebt hat, ist in ihrem Blick zu spüren.
Im Garten von Harry Esser an der Hasencleverstraße liegen völlig durchnässte Fachmagazine zu Gibson-Gitarren. Als er traurig auf die Zeitschriften schaut – es sind Hunderte
– erzählt er von der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Die Wupper sei von gleich zwei Seiten in die Straße geströmt. Seines liegt an der Kita. Von dort kam es und von der Turnhalle aus strömte es auf sie zu. Hüfthoch im Wasser gegen die Strömung anlaufend sind er und seine Frau Judith den Fluten um Mitternacht entkommen.
Am Sonntag erzählt er das. Sohn Tim räumt mit auf. „Kann ich deinen Schrank zum Müllwagen bringen ?“Esser nickt – ein Stück Leben, ein alter Holzschrank mit Glasfenstern – ist für immer fort. So geht es den Unterburgern: Container um Container füllen sich seit Tagen mit Erinnerungsstücken.
Andreas Werner wohnt an der Hasenclever Straße ein paar Häuser weiter. Auch er flüchtete zunächst, kehrte allerdings nochmals in der Flutnacht zu seinem Haus zurück: „Da kam mir schon meine Waschmaschine im Keller entgegen geschwommen.“Er selbst hatte zuvor sein Handwerkszeug gerettet. Das sei die vergangenen Tage Gold wert gewesen, um überall dort zu helfen, wo er gebraucht wurde.
Werner ist auch Mitglied der Turngemeinde Burg. Die TG hatte ihre Turngeräte alle in der Alten Schlossfabrik gelagert, weil die Turnhalle der Hasencleverstraße saniert wird. Vieles sei kaputt. Noch schlimmer habe es die Kollegen vom Schützenverein getroffen, deren Stühle und Tische auch in der Schlossfabrik eingelagert waren. Sie sind alle kaputt.