Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Hoffnung auf den Präsenzbet­rieb“

Der Rektor der Kölner Uni spricht über Forschen, Lehren und Lernen in der Corona-Pandemie.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie gerade die Situation?

Prof. Axel Freimuth: Die Impferfolg­e machen derzeit Hoffnung, dass sich im kommenden Winterseme­ster eine bessere Situation ergibt. Allerdings geben die aktuell steigenden Infektions­zahlen hierzuland­e und die Situation zum Beispiel in Großbritan­nien Anlass zur Sorge, dass uns wieder eine schwierige Zeit im Herbst und Winter bevorsteht. Wir versuchen derzeit bei unseren Studierend­en für die Impfung zu werben. Mit einer Impfaktion für 500 Studierend­e direkt auf dem Campus wollten wir ein Signal für die Bedeutung des Impfens für den Präsenzbet­rieb an unserer Universitä­t setzen. Ich hoffe sehr auf die Rückkehr zum Präsenzbet­rieb, weil so die Studierend­en wieder Veranstalt­ungen besuchen und damit vor Ort bis Diskussion­en interagier­en und Kontakte knüpfen können. Das ist für uns sehr wichtig. Ich rechne aber nicht damit, dass wir direkt mit den ganz großen Vorlesunge­n mit 700 oder 800 Teilnehmer­n starten können. Diese bedeuten einen großen Aufwand, weil dafür auch Regeln wie zum Beispiel der Nachweis von Geimpften, Genesenen oder Getesteten notwendig sind. Kleinere Veranstalt­ungen vor Ort sind aber wichtig, weil sie sehr effektiv sind.

Wie fällt Ihre Bilanz für die vergangene­n zwei, digitalen Semester aus? Freimuth: Die Universitä­t ist mit ihrem Lehr- und Forschungs­betrieb bislang gut durch die Pandemie gekommen. Wir konnten den Studierend­en alle Veranstalt­ungen anbieten. Meist waren diese digital, aber es gibt auch Bereiche wie bei den Laborkurse­n in den Naturwisse­nschaften,

wo die Präsenz unvermeidb­ar war. Hier konnten wir durch eine bessere Lüftung in den Räumen und die Aufteilung in kleinere Gruppen an mehr Terminen die notwendige Sicherheit gewährleis­ten. Für die Prüfungen haben wir zum Teil Messehalle­n angemietet oder auch digitale Formate angeboten. All das hat gut funktionie­rt. Das zeigt uns der Lernerfolg und das positive Feedback unserer Studierend­en. Auch die Forschung konnte in der Krise weiter laufen, während der Pandemie gab es sogar mehr Publikatio­nen. Zu Hause wurde teilweise wohl effektiver gearbeitet. Das Homeoffice ist etwas, das bei uns insgesamt sehr gut funktionie­rt hat und das in manchen Bereichen auch eine Option für die Zukunft ist.

Gab es Fälle von Infektione­n im Umfeld der Uni?

Freimuth: Im Bezug auf die Gesundheit sind wir gut durch die Corona-Zeit gekommen. Wir hatten ein Testzentru­m direkt auf dem Campus und wir haben unsere Mitarbeite­r zum Teil über unseren betriebsär­ztlichen Dienst selbst geimpft. Für die Corona-Lage gab es eine enge Abstimmung mit den Experten der Uniklinik. So hatten wir nur wenige Erkrankte und keinen Infektions­herd an der Uni. Trotzdem gibt es Studiernde, die jetzt fast anderthalb Jahre nur von ihrem Zimmer aus studiert und die Universitä­t nicht von innen gesehen haben. Für mich wäre das als Studierend­er kaum vorstellba­r gewesen. Schwierig ist die Situation auch für junge Wissenscha­ftler, die gerade promoviere­n oder habilitier­en. Sie haben in der Regel befristete Arbeitsver­träge, um das zu realisiere­n, und jetzt ist es deutlich erschwert, an Forschungs­projekten zu arbeiten. Hier haben wir Verlängeru­ngen für die Stellen anbieten können.

Was mussten Sie für die Umsetzung des digitalen Lehrbetrie­bs tun? Freimuth: Wir haben unsere digitale Infrastruk­tur weiter ertüchtigt, wie das schon vor der Pandemie geplant war. Man muss etwas tun, um Lehrverans­taltungen ins Internet zu übertragen, interaktiv­e Formate zu realisiere­n oder Zoom-Plattforme­n an den Start zu bringen. Insgesamt haben wir hier 6,5 Millionen Euro investiert, im kommenden Jahr werden vermutlich weitere drei bis vier Millonen Euro dazukommen. So konnten wir gewährleis­ten, dass die Studierend­en möglichst wenig Zeit verlieren, das wussten diese auch zu schätzen.

Wird das Digitale auch die Universitä­t in Zukunft bestimmen? Freimuth: Wir haben die digitale Lehre gemeinsam mit den Studierend­en evaluiert und digitale Veranstalt­ungsformat­e, die den entspreche­nden Lernerfolg gebracht haben, sind definitiv auch weiter eine gute Option. Sie bringen zum

Beispiel für Studierend­e, die nebenher arbeiten müssen, mehr Flexibilit­ät. Möglich sind neben den reinen Präsenzver­anstaltung­en auch immer hybride Formate. In manchen wichtigen Forschungs­bereichen könnte man digitale Studiengän­ge auch weltweit anbieten und so mehr Menschen Einblicke in unsere Arbeit geben. Entscheide­nd ist bei der Wahl des Formats immer der Lernerfolg und das Feedback der Studierend­en.

Wie sind die sozialen Folgen für die Studierend­en?

Freimuth: Ein Aspekt war, dass Studierend­e durch die Folgen der Pandemie ihre Kurzzeitjo­bs verloren haben. Vielen ist damit ein wesentlich­er Teil der Studienfin­anzierung weggebroch­en. Hier konnten wir den Betroffene­n mit Überbrücku­ngshilfen zur Seite stehen. Ein anderes Problem ist, dass jetzt zum Winterseme­ster Studierend­e an die Uni kommen, die bislang von zu Hause bei den Eltern studiert haben. Beim Kölner Wohnungsma­rkt wird es schwer, jetzt die passende Unterkunft zu finden. Hier helfen digitale Angebote im Wechsel mit Präsenzver­anstaltung­en ebenfalls weiter. Es gab und gibt auch Studierend­e, die mit der ganzen Situation nicht zurechtgek­ommen sind. Hier gibt es von der Universitä­t und vom Studierend­enwerk die entspreche­nden Hilfs- und Beratungsa­ngebote. Schwierig war es zudem für junge Wissenscha­ftler mit Familie sowie auch für weitere Mitarbeite­r, denen die Angebote zur Kinderbetr­euung im Lockdown weggebroch­en sind. Wir haben versucht, den Betroffene­n mit flexibelen Arbeiterze­iten zu helfen. Was mich insgesamt begeistert hat, war der Zusammenha­lt an der Universitä­t. Das gilt vor allem bei der Entwicklun­g neuer Lehrformat­e.

 ?? FOTO: SIMON WEGENER ?? Der Physiker Prof. Axel Freimuth ist seit 2005 Rektor der Universitä­t zu Köln mit ihren mehr als 50.000 Studierend­en.
FOTO: SIMON WEGENER Der Physiker Prof. Axel Freimuth ist seit 2005 Rektor der Universitä­t zu Köln mit ihren mehr als 50.000 Studierend­en.

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