Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
• Gaffen ist unsolidarisch
In der Not offenbart sich das Wesen der Menschen, sie handeln nach Grundprinzipien, manchmal rein instinktiv. Das zeigt sich auch im Ausnahmezustand des Jahrhunderthochwassers. Da ist auf der einen Seite eine überwältigende Anteilnahme und Hilfsbereitschaft, die den Menschen vor Ort entgegengebracht wird. Ungezählte private Spendenaktionen wurden gestartet. Etliche Freiwillige sortieren die Massen an Sachspenden, von denen mittlerweile abgeraten wird. Unternehmer und Handwerker aus der gesamten Republik bieten Wasserpumpen und andere Werkzeuge. Menschen aus Hamburg, Bielefeld und Köln bieten Zimmer als Unterschlupf. Es gebe Tausende solcher Beispiele, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul am Montag: „Diese Gesellschaft ist so viel besser, als wir sie oft darstellen. Wir können froh sein.“Und das sind die Betroffenen. Fernsehbilder aus Erftstadt, Ahrweiler oder Bad Münstereifel zeigen Menschen in den Trümmern, die alles verloren haben – und trotzdem immer wieder Worte des Dankes finden. Der Rückhalt spendet vielen Trost.
Großlagen und Notfälle offenbaren aber leider auch die niederen Instinkte mancher Menschen. Neugier und Sensationslust verleiten Katastrophentouristen seit dem Wochenende immer wieder an die Einsatzorte, die spektakulär anmuten, aber auch äußerst gefährlich sein können. Selbst ohne ersichtliches Risiko sind Orte, an denen Menschen ihre Existenz oder gar Angehörige verloren haben, keine Vergnügungsstätte.
Besonders am Wochenende hatten Rettungskräfte mit Gaffern zu kämpfen. Teils standen 120 Personen an der Rurtalsperre, um das Überlaufen zu beobachten. Andernorts hatten Beamte vor allem mit Sonntagsausflüglern und Motorradfahrern zu tun. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Schaulust“, twitterte die Polizei Rhein-Erft-Kreis. Es gibt gar keinen richtigen Zeitpunkt. Gaffen ist das Gegenteil von Solidarität.