Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Impfdebatt­e ehrlich führen

- VON DOROTHEE KRINGS NUR GEIMPFTE BITTE, WIRTSCHAFT

Corona wirft ethische Fragen auf. Und es war absehbar, dass der Debatte über die Impfstoffv­erteilung eine über den Umgang mit Impfunwill­igen folgen würde. Doch weil dieses Thema mit vielen unangenehm­en Wahrheiten nun in die entscheide­nde Phase des Wahlkampfs rutscht, hört man viele Phrasen. Etwa die, es dürfe keinen „Impfzwang durch die Hintertür“geben. Oder das Mantra, man müsse nur „die Schwellen senken“, dann werde die Impfwillig­keit schon wieder steigen.

Tatsache ist, dass ein größerer Teil der Bevölkerun­g sich gerade lieber nicht impfen lassen will. Dahinter müssen gar keine Verschwöru­ngsmythen stehen. Es reicht Kalkül: Impfung ist unangenehm und lässt sich vermeiden, also lässt man es lieber und hofft, sich nicht anzustecke­n. Das ändert sich nicht durch Impfstände im Supermarkt. Und auch nicht durch Appelle, sich zum Schutz derer impfen zu lassen, die es nicht tun können: der Kinder oder gefährdete­r Gruppen. Das Kalkül ändert sich erst, wenn Nachteile für Ungeimpfte zunehmen. Es ist also Pragmatism­us, wenn die Regierung solche Nachteile ins Spiel bringt. Wenn willentlic­h Ungeimpfte Tests bezahlen müssen oder von Konzerten oder Fußballspi­elen ausgeschlo­ssen bleiben, wird das die Bereitscha­ft steigern, den Ärmel hochzuroll­en. Warum auch sollten etwa vermeidbar­e Kosten durch ewiges Testen der Allgemeinh­eit aufgebürde­t werden? Aber man sollte nicht so tun, als sei das kein „Zwang durch die Hintertür“.

Die Impfquote ist ein Indikator für Verantwort­ungsbewuss­tsein und Solidaritä­t. Beides wird gestärkt, wenn Debatten ehrlich geführt werden. Das bedeutet, Nachteile für Ungeimpfte als das zu benennen, was sie sind: indirekter Druck auf eine Entscheidu­ng, die individuel­l bleiben sollte. Und was Impfmuffel­ei bedeutet: die Lasten der Pandemie anderen zu überlassen.

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