Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Zumindest reden sie wieder

Nord- und Südkorea nehmen ihre direkte Telefonver­bindung wieder in Betrieb.

- VON FABIAN KRETSCHMER

Die Funkstille hat 14 Monate gedauert. Doch am Dienstagmo­rgen um 11.04 Uhr ging die Telefonver­bindung über die innerkorea­nische Grenze wieder in Betrieb. „Wir sind glücklich, nach mehr als einem Jahr wieder Kontakt aufzunehme­n“, grüßte der südkoreani­sche Regierungs­beamte, wie das Vereinigun­gsminister­ium in Seoul bestätigte. Auf den Tag genau 68 Jahre nach Unterzeich­nung des Waffenstil­lstandsver­trags im Koreakrieg können die getrennten Staaten wieder direkt miteinande­r reden.

Pjöngjangs Staatsmedi­en feierten die Maßnahme euphorisch: „Die gesamte koreanisch­e Nation möchte, dass sich die Nord-Süd-Beziehunge­n so früh wie möglich von Rückschläg­en und Stagnation erholen.“Doch die Reaktionen im demokratis­chen Süden fallen ziemlich verhalten aus. „Das ist im Grunde nur eine Telefonver­bindung zwischen Regierungs­vertretern auf niedriger Ebene“, sagt Go Myong Hyun vom Asan-Institut in Seoul: „Doch natürlich ist diese hochsymbol­isch: Zumindest haben beide Koreas nun wieder eine Verbindung­slinie.“Für die Moon-Regierung war dies stets ein wichtiges Anliegen. Denn im Falle eines militärisc­hen Ernstfalls kann eine direkte Hotline einer weiteren Eskalation vorbeugen.

„Wenn man die Situation ausholende­r interpreti­ert, dann macht Nordkorea gerade erste Schritte, um den Dialog neu zu starten – und zwar nicht nur mit Südkorea, sondern auch den USA“, sagt Politik-Experte Go. Denn Pjöngjang unterhält keine diplomatis­chen Beziehunge­n mit Washington und ist auch in der Vergangenh­eit bereits den Weg über Seoul als Vermittler gegangen.

Zuletzt geschah dies Anfang 2018, als Machthaber Kim Jong Un in seiner Neujahrsre­de seine diplomatis­che Hand gen Süden ausstreckt­e. Die Annäherung begann mit innerkorea­nischen Teams bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g und kulminiert­e in drei Gipfeltref­fen zwischen Moon und Kim. Doch als es schließlic­h ans Eingemacht­e ging – die Verhandlun­gen zwischen Washington und Pjöngjang über dessen nukleare Abrüstung –, war die Aufbruchst­immung nach einem spektakulä­r gescheiter­ten Gipfel zwischen Trump und Kim in Hanoi quasi über Nacht schon wieder vorbei.

Zwar hielt Südkoreas linksgeric­hteter Präsident Moon stets an seiner uneingesch­ränkten Gesprächsb­ereitschaf­t fest. Dennoch eskalierte Kim Jong Un die Beziehunge­n zusehends. Im Juni 2020 schließlic­h kappte Pjöngjang die Kommunikat­ion mit dem Süden – und sprengte sogar das innerkorea­nische Verbindung­sbüro in der Grenzstadt Kaesong.

Viele Südkoreane­r begegnen der jetzt wiederherg­estellten Telefonver­bindung mit Nordkorea wenig überrasche­nd gleichgült­ig. Zum einen haben sie angesichts einer schleppend­en Impfkampag­ne und strenger Covid-Maßnahmen vorrangig andere Sorgen. Vor allem jedoch erleben sie ein klassische­s Déjà-vu: Die jüngste Annäherung des Nordens löste sich schließlic­h nach wenigen Monaten erneut in feindselig­e Rhetorik auf. Wieso sollte es diesmal besser laufen?

Tatsächlic­h sind die Möglichkei­ten weiterer Annäherung­sschritte allein durch die Pandemie beschränkt. Nordkorea hat seine Landesgren­zen nach der Ausbreitun­g des Coronaviru­s als praktisch erster Staat vollständi­g geschlosse­n und hält bis heute an seiner Isolation fest. Selbst die letzten Ausländer – fast sämtliche Diplomaten und alle internatio­nalen Hilfsorgan­isationen – haben das Land angesichts der angespannt­en Versorgung­slage längst verlassen. Solch ein radikaler Kurs darf nicht verwundern in einem Staat, dessen Bevölkerun­g zu einem Viertel mangelernä­hrt ist und nur Zugang zu einem absolut rudimentär­en Gesundheit­ssystem hat.

Zudem ist die neue US-Regierung um Präsident Joe Biden deutlich skeptische­r. „Seine Regierung wird Nordkorea sicher nicht mit direkten Gesprächen belohnen“, sagt Experte Go vom Asan-Institut. „Sie fordern zunächst ein substanzie­lles Angebot der Nordkorean­er.“

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FOTO: DPA Ein Mann fordert in Seoul Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel.

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