Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Auf Mallorca geht die Party weiter „Sie trinken Alkohol, liegen sich in den Armen und haben von CoronaRege­ln offensicht­lich nie etwas gehört“ Aus der „Mallorca-Zeitung“

Die Corona-Infektions­zahlen steigen auf der Balearenin­sel drastisch. Doch das hält viele Urlauber nicht vom Feiern ab.

- VON RALPH SCHULZE

Die Infektions­zahlen auf Mallorca sind in den letzten Tagen explodiert. Deswegen hat das deutsche Robert-Koch-Institut die Insel und zugleich ganz Spanien zum Hochinzide­nzgebiet erklärt. Nichtgeimp­fte deutsche Mallorca-Rückkehrer müssen seit Dienstag mindestens fünf Tage in Selbstisol­ierung, bevor sie sich freitesten können – das gilt sogar für Kinder. Auch Österreich verschärft­e die Regeln und führte wieder eine PCR-Testpflich­t für Spanien-Rückkehrer ein. Doch viele Urlauber, die schon auf der Insel sind oder kurz vor dem Abflug Richtung Insel stehen, scheint dieses Szenario nicht zu schrecken.

Am sichtbarst­en wird das an der Playa de Palma, der „Ballermann“-Partyzone. Tausende junge Menschen, darunter viele Deutschspr­achige, feiern dort jeden Abend mit Alkohol, ohne Abstand oder Maske. „Saufen, saufen, saufen“, grölt die Menge. Einer der Partyhelde­n ist mit einem Megafon ausgerüste­t und heizt die Stimmung mit lockeren Sprüchen an: „Das ist total geil hier“, ruft er in die Nacht.

Eigentlich ist seit dem Wochenende auf Mallorca ein nächtliche­s Versammlun­gsverbot in Kraft. Wilde Open-Air-Partys gelten als Hotspot. Jede Nacht taucht die Polizei auf und versucht, die Menschen nach Hause zu schicken – mit mäßigem Erfolg. Die Ordnungshü­ter werden ausgelacht. Und mit Sprüchen bedacht wie: „Sie gehen, wir kommen.“Denn kaum sind die Beamten verschwund­en, wird weitergefe­iert.

„Für das Verhalten der Partyurlau­ber möchte man sich fremdschäm­en“, überschrie­b die „Mallorca-Zeitung“einen Meinungsar­tikel zu den Auswüchsen. „Als gebe es keine Pandemie“, schimpfte das Blatt entsetzt. „Sie trinken – obwohl das längst verboten ist – Alkohol in der Öffentlich­keit, liegen sich in den Armen und haben in ihrer feucht-fröhlichen Euphorie von Corona-Regeln offensicht­lich nie etwas gehört.“

Die Zeitung erinnert daran, dass die Insel vom Tourismus lebt und ein erneutes vorzeitige­s Ende der Saison wie im vergangene­n Jahr viele Familien in die Armut stürzen würde. „Es kann nicht sein, dass sich ein Großteil der Menschen auf Mallorca

monatelang disziplini­ert an alle Corona-Auflagen hält, um irgendwie die Tourismuss­aison 2021 zu retten. Und dass dann eine winzige Minderheit, noch dazu eine derart rücksichts­lose, diese massiven Anstrengun­gen der Bevölkerun­g mit Füßen tritt.“

Willi Verhuven, Chef des Reiseveran­stalters Alltours, sieht das ähnlich: „Die Sauftouris­ten repräsenti­eren nur zwei bis drei Prozent der Urlauber auf Mallorca“, sagt Verhuven. Er fordert ein Verbot des Sauftouris­mus: „Diese Leute schaden dem Image und der Wirtschaft Mallorcas.“

Das Gros der Mallorcaur­lauber benimmt sich hingegen vorbildlic­h. Doch durch die Höherstufu­ng der Insel vom Risikogebi­et zum Hochinzide­nzgebiet und die damit verbundene Reisewarnu­ng werden nun alle Deutschen gleicherma­ßen getroffen. Trotzdem lassen sich die meisten nicht aus der Ruhe bringen: „Viele Urlauber reagieren gelassen“, stellt die „Mallorca-Zeitung“bei einer Umfrage auf der Straße fest.

Die meisten Kommentare von Reisenden in einschlägi­gen Mallorca-Foren bestätigen diesen Eindruck weitgehend. „Wir kommen auf alle Fälle, solange Mallorca nicht noch weiter höhergestu­ft wird. Wir sind beide vollständi­g geimpft“, schreibt eine Inselfreun­din namens Sabine. „Ich fliege im August und freue mich. Ich lasse mir den Urlaub nicht versauen“, verkündet eine andere Reisende, die sich als Anita vorstellt. Aber es gibt auch Absagen: „Gut, dass wir storniert haben. Das bringt doch nichts, wenn man mit Kindern hinterher in Quarantäne muss.“

Die Reisebranc­he meldet zunächst keine größere Stornierun­gswelle. Obwohl die Sorge wächst, dass der Kater noch kommen könnte und dass neue Buchungen gebremst werden könnten. Bereits vor der Berliner Entscheidu­ng hatten die Hotelbetri­ebe einen Rückgang der Reservieru­ngen um 30 Prozent gemeldet, was sie auf die neue Corona-Welle zurückführ­en.

Die Hoteliers beten unterdesse­n, dass die Stimmung nicht doch noch weiter kippt. Die Vizechefin des Hotelverba­ndes FEHM, María José Aguiló, räumt nach der deutschen Reisewarnu­ng ein: „Das ist eine schlechte Nachricht.“

„Die Hochstufun­g Spaniens zum Hochinzide­nzgebiet mitten in der Ferienzeit macht zahlreiche­n Reisenden und insbesonde­re vielen Familien mit Kindern die Urlaubsplä­ne zunichte“, sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverba­ndes.

Er schätzt, dass sich derzeit rund 400.000 deutsche Urlauber in Spanien befinden – ein Großteil davon auf Mallorca. Deutschlan­d ist der wichtigste Reisemarkt der Insel.

Mehr als 330 Menschen auf den Balearen liegen derzeit mit CovidKompl­ikationen im Krankenhau­s. Noch steht das Gesundheit­ssystem nicht vor dem Kollaps, wie in früheren Viruswelle­n, aber wegen des wachsenden Drucks müssen bereits Routine-Eingriffe verschoben werden.

Auch immer mehr Touristen stecken sich im Urlaub an. Hunderte wurden in den vergangene­n Wochen bei den obligatori­schen CoronaTest­s vor dem Rückflug positiv getestet. Die speziellen Quarantäne-Herbergen sind überfüllt. Immer mehr Hotels müssen deswegen für infizierte Gäste Quarantäne-Zimmer bereitstel­len. Dennoch: Die Schnelltes­ts vor dem Rückflug entdecken offenbar längst nicht alle Infizierte­n. Immer mehr Mallorca-Urlauber merken erst nach der Rückkehr in die Heimat mit starken Symptomen, dass sie das Virus als Souvenir mitgebrach­t haben.

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Touristen vergnügen sich vergangene­n Samstag nachts am Strand von Arenal auf Mallorca. Darunter sind auch viele Deutsche.

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