Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
JVA nimmt 88 Häftlinge auf
Lüttringhauser Einrichtung hilft Gefängnis aus Hochwassergebiet in Euskirchen.
(zak) Die Justizvollzugsanstalt ( JVA) Remscheid nimmt 88 Häftlinge aus Euskirchen auf. Wie Leiterin Katja Grafweg berichtet, handelt es sich um Hilfe für eine Einrichtung, die durch die Hochwasserkatastrophe schwer in Mitleidenschaft gezogen und evakuiert wurde. Davon betroffen waren auch jene Menschen, die nun in Lüttringhausen unterkommen und sich im offenen Vollzug befinden.
Denn in dieser Abteilung hat die JVA aktuell Platz. 271 Betten stehen zur Verfügung. „Tatsächlich waren aber zuletzt unter 200 belegt“, berichtet Grafweg. Im Zuge der Pandemie seien zahlreiche Gerichtsverfahren ausgesetzt worden – zum Beispiel in Fällen, in denen Geldstrafen nicht bezahlt wurden. „Ersatzweise wäre hier der offene Vollzug infrage gekommen“, erläutert Grafweg, warum sie die nötigen Kapazitäten vorhalten kann. Diesen Akt der Solidarität übe die JVA Remscheid nicht alleine aus. Sie verweist darauf, dass auch Anstalten in Moers, Castrop-Rauxel oder Siegburg Häftlinge aufnehmen.
Logistisch sei dies eine Herausforderung, weil quasi auf einen Schlag 88 Neuzugänge zu versorgen sind. Ansonsten sei die Infrastruktur mit Großküche und zahlreichen Waschmaschinen auf die zusätzlichen Personen ausgerichtet. „Dadurch, dass sie sich im offenen Vollzug befinden, haben sie sich bereits bei der Bewältigung des Alltags bewährt. Viele von ihnen gehen einer Tätigkeit nach“, erklärt Grafweg, die nun auf der Grundlage jedes Einzelfalls prüfen will, ob sie mit eigenen Pkw oder dem Öffentlichen Personennahverkehr die Chance haben, ihren Arbeitgeber zu erreichen.
Ansonsten bestehe die Möglichkeit, dass sie auch in Remscheid einen Job finden – vorübergehend jedenfalls. „Denn zunächst ist die Zusammenarbeit mit Euskirchen auf drei Monate anberaumt. Aber niemand kann sagen, ob das reicht“, sagt Grafweg, die Belegschaft und Bewohner auf die Ausnahmesituation vorbereitete. Sie müssen buchstäblich näher zusammenrücken. Teilten sich bisher höchstens zwei Personen eine Zelle, werden es nun wieder drei sein. „Wir haben sie aufgefordert, Sympathiegemeinschaften zu bilden“, sagt die JVA-Leiterin über die Umzugswelle hinter Gittern, bei der vielfältige Aspekte zu berücksichtigen seien. „Manche arbeiten im offenen Vollzug im Schichtbetrieb. Gegenläufige Arbeitszeiten können aber schnell zu Konflikten führen“, nennt Grafweg ein Beispiel.
Obwohl sie die JVA verlassen können, sei diese alles andere als „eine „Jugendherberge“für sie. Wer sich nicht an die Spielregeln halte, müsse mit Sanktionen rechnen – und wird zur Fahndung ausgeschrieben, wenn er nach stundenlanger Verspätung nicht in der Einrichtung eingetroffen ist. Von jedem einzelnen der Neuzugänge müsse sich das Team nun ein Bild machen. „Dabei helfen die Akten, die uns mitgegeben werden“, sagt Grafweg. Personelle Unterstützung aus Euskirchen sei einstweilen nicht vorgesehen. „Viele der dortigen Kollegen haben ja auch alles verloren oder helfen bei der Beseitigung der Schäden“, erklärt die JVA-Leiterin.