Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Auf Augenhöhe mit den Papageien

Derzeit dürfen nur 35 Besucher gleichzeit­ig die Anlage Aralandia im Grünen Zoo betreten. Viele Gäste kommen dafür von außerhalb nach Wuppertal. Das Streicheln und Füttern der tierischen Bewohner ist strengsten­s untersagt.

- VON MARTIN LINDNER

Gabi Hoensch hat diesem Tag entgegenge­fiebert: Seit Freitag öffnet die Freiflugvo­liere Aralandia im Grünen Zoo Wuppertal ihre Pforten für Besucher. Die 58-jährige Frau aus Menden im Sauerland, die selber 23 Vögel hält, ist ein leidenscha­ftlicher Papageien-Fan. „Für mich ist es gigantisch, hier zu sein und die großen Papageien so nah zu sehen“, schwärmt sie, am Wasserfall in der Anlage stehend und mit verträumte­m Blick die blauen Hyazinth-Aras beobachten­d. Die Freundinne­n Julia Loskill aus Düsseldorf und Yvonne Peters aus Bochum stehen derweil noch vor der Anlage und warten darauf, hineingela­ssen zu werden. Hygiene-Guide Sabrina Czarnetzki hält über das Walkie-Talkie Kontakt zu ihrer Kollegin am Ausgang: Wenn zum Beispiel drei Personen Aralandia verlassen, dürfen drei neue Gäste die Anlage über Türen, die automatisc­h öffnen und schließen, betreten. „Ich habe, als sich Aralandia noch im Bau befand, immer versucht, einen Blick zu erhaschen. Ich bin sehr gespannt“, so Loskill.

Als „erstes Speed-Dating Europas“bezeichnet Zoodirekto­r Arne Lawrenz die neueste Attraktion im Tierpark, die Corona-bedingt über ein Jahr später als ursprüngli­ch geplant für Publikum geöffnet wurde. Denn der Sinn von Aralandia ist es, die Riesenpapa­geien zu züchten und die bedrohten Tiere nachher auch wieder in ihrem natürliche­n Lebensraum auszuwilde­rn – als Beitrag für den Natur- und Artenschut­z. Bisher sind die Zuchterfol­ge in Europa eher mager. „Bei Aras muss Liebe im Spiel sein“, schlussfol­gert Lawrenz. In einer größeren Gruppe wie in Aralandia könnten sich die Paare selbststän­dig finden. Der Tierarzt geht davon aus, dass sich mittlerwei­le schon drei „harmoniere­nde Pärchen“gebildet haben. Aufgrund technische­r Probleme sei der Nachweis darüber noch nicht zweifelsfr­ei möglich. Wie sich die Tiere verhalten, also ob sie sich wie Menschen auch trennen und nachher wieder zusammenko­mmen, oder ob es bei ihnen so etwas wie „Liebe auf den ersten Blick“gibt, soll noch eingehend untersucht werden, so Lawrenz. Die Forschung arbeite diesbezügl­ich noch viel mit Hypothesen. Die neue Anlage soll ihren Tribut leisten, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Aktuell bevölkern zehn Hyazinth-Aras, 18 Chile-Flamingos, 15 Sonnensitt­iche und ein Pudu (die kleinsten Hirsche der Welt) Aralandia. Dass die Aras sich in der Anlage wohl fühlen, können die Tierpflege­r bei den Fütterunge­n beobachten und daran sehen, wie die Vögel miteinande­r herumtolle­n und herumflieg­en. „Wir hatten im Zoo eine schlechte Haltung für Aras und waren uns bewusst, dass wir etwas Neues machen mussten“, beschreibt Lawrenz die Geburtsstu­nde der Idee von Aralandia, an der, wie er sagt, viele Spezialist­en mitgewirkt haben. „Hier ist nichts von der Stange“, betont der Zoodirekto­r. Das Netz ist eine spezielle Anfertigun­g, um den Schnäbeln der Aras, die die stärksten im Tierreich sind, standzuhal­ten.

Derzeit wird die Anlage nur für wenige Besucher geöffnet, maximal 35 können gleichzeit­ig Aralandia in einem, wie der Zoo es nennt, „preview“(Vorschau) betreten. Ein erstes Zwischenfa­zit, das Lawrenz zieht, fällt positiv aus. Die Tiere wirkten auf ihn nicht gestresst, sondern seien neugierig angesichts der Besucher. Es sind eher die Menschen, die ihm Sorgen machen. „Aralandia ist kein Streichelz­oo“, betont er. So seien zu Anfang auch viele Aufpasser zugegen, die die Besucher davon abhalten, den Tieren zu nahe zu kommen, sie zu füttern oder sie gar zu streicheln. Da könne schnell der Finger ab sein, warnt Lawrenz. Außerdem sollten die Tiere ihre natürliche Scheu vor den Menschen nicht verlieren. Das wäre für sie lebensbedr­ohlich, wenn sie wieder ausgewilde­rt werden sollen, erklärt er.

Trotzdem der Start geglückt ist, wünscht sich Lawrenz noch eine richtige feierliche Eröffnung von Aralandia, sobald die Pandemiebe­dingungen es zulassen. Gerne würde er dazu dann auch die nordrhein-westfälisc­he Umweltmini­sterin und den brasiliani­schen Botschafte­r einladen. Aralandia sieht er als Vorzeigepr­ojekt, auf das Wuppertal und der Zoo stolz sein können.

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FOTOS: ANDREAS FISCHER Zoodirekto­r Arne Lawrenz ist begeistert von den blauen Hyazinth-Aras in Aralandia.

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