Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Unser Limes ist Weltkulturerbe
Der Niedergermanische Limes, der sich durch ganz NRW zieht, steht jetzt auf der Liste der Unesco. Mit knapp 400 Kilometern ist er das größte lineare Denkmal Europas.
Er ist eine Art Chinesische Mauer des Niederrheins und nun eine Stätte unseres Weltkulturerbes: der Limes. Das Unesco-Komitee beschloss dies im chinesischen Fuzhou, wobei es über den von NRW, Rheinland-Pfalz und den Niederlanden eingereichten Antrag so gut wie keine Diskussionen gab. Der Niedergermanische Limes direkt vor unserer Haustür ist also zweifelsfrei Welterbe – und das größte lineare Denkmal Europas.
Auch wenn uns der Limes nur in Resten der Befestigungen begegnet, bleibt sein antiker Gesamtplan staunenswert: Über knapp 400 Kilometer erstreckte sich die Grenze zwischen der römischen Provinz Niedergermanien und dem freien Germanien – von Katwijk an der Nordsee bis Bad Hönningen.
Das lateinische Wort „Limes“heißt zwar „Grenze“und war unter den Römern auch als solche gedacht; aber nicht als undurchlässige Abschottung wie das besagte Mauerwerk Chinas. Es gab jede Menge Türme, ein paar Kastelle zwischendurch, Lager und Durchgangslager, natürlich Herbergen, Wallgräben und vor allem die „nasse“Grenze, das war der Rhein. Der Limes war eher eine bewachte Außengrenze zu den germanischen Siedlungen auf dem rechten Rheinufer, eine Art Annäherungshindernis. Doch entlang dieser Grenze florierte über
die befestigte Via Romana auch der Handel, der Verkehr, pulsierte das Leben. Der Limes war durchlässig, für Waren, für Menschen, auch für Ideen. Und wo römische Soldaten und ihre Familien lebten, war auch ausreichend Geld im Umlauf.
Etliche Hundert Jahre bevor uns das Wort „Infrastruktur“geläufig und zu einem Zauberwort wurde, gab es das schon am Niederrhein. All das war ein guter Humus für Städtegründungen und regelrechte Metropolen der Antike: Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium gehördazu te ebenso wie die Colonia UlTraiana, pia die heutigen Nicht-Lageläufiger teinern sein dürften unter den Namen Köln und Xanten, das damals immerhin 20.000 BewohNach ner zählte. Köln und Trier war Xanten damit die drittgrößte röminördlich sche Stadt der Alpen.
Die Zerstörung des Limes setzte erst lange Zeit nach Abzug der RöDie mer ein: herumliegenden behauenen Steine wurden im Mitzum telalter beliebten, billigen Baumaterial. Selbst für den Xantewurden ner Dom Blöcke verweneinst det, die die Römer verbaut hatten. Überhaupt Xanten! Das ist eine Art Mekka römischer Hinterlassenschaften mit seinem ArchäoloPark, gischen dem Amphitheater, den Thermen, dem riesigen Museum und den 27 Meter hohen Säulen des Hafentempels. Die sind zwar eine Rekonstruktion,
doch liegen die echten Fundamente geschützt unter dem Sockel. Ein Glücksfall für interessierte Besucher und Archäologen, dass die allermeisten Spuren römischen Lebens entlang des Niedergermanischen Limes unter der Erde liegen und somit maximal geschützt sind. Erforscht werden die Stätten darum nicht mehr mit Schaufel und Hacke, sondern mit Geomagnetik.
So überschaubar das niedergermanische Herrschaftsgebiet für das Imperium vielleicht gewesen ist, entschied sich hier doch Weltbewegendes. Wiederum gibt Xanten darauf den Hinweis. Dort wurde ein Grabstein entdeckt für den Zenturio der XVIII. Legion, Marcus Caelius. Er trug die gemeißelte Botschaft, dass der Soldat „im Krieg des Varus“gefallen war. So wurde der Stein zur wichtigen Quelle für die Forschung über ein sagenumwobenes Gemetzel im Jahre 9 nach Christus.
Der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus marschierte trotz Warnungen zu sorglos mit seinen Soldaten ins Winterlager. Und geriet dabei in einen Hinterhalt der Germanen unter Führung des Arminius. Drei Tage soll in der Nähe des heutigen Kalkriese die Schlacht gedauert haben, bei dem die XVII., XVIII. und XIX. Legion vernichtet, bis zu 20.000 Römer getötet wurden. Die Varusschlacht markiert einen historischen Wendepunkt: Nach der verheerenden Niederlage finden die römischen Eroberungszüge weitgehend ein Ende. Nicht ohne Grund soll Kaiser Augustus nach der Kunde aus der Provinz gerufen haben: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück!“
Auf der anderen Seite wurde der siegreiche Cheruskerfürst Arminius als Hermann später zum Symbol eines deutschtümelnden Nationalismus. Es war Heinrich Heine, der solche Aufladungen 1844 fröhlich spöttisch mit seinen Versen ins rechte Licht rückte: „Das ist der Teutoburger Wald, / Den Tacitus beschrieben, / Das ist der klassische Morast, / Wo Varus stecken geblieben. / Hier schlug ihn der Cheruskerfürst, / Der Hermann, der edle Recke; / Die deutsche Nationalität, / Die siegte in diesem Drecke.“
Es gibt viel zu erzählen rund um unseren alten Limes und das neue Weltkulturerbe.