Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Unser Limes ist Weltkultur­erbe

Der Niedergerm­anische Limes, der sich durch ganz NRW zieht, steht jetzt auf der Liste der Unesco. Mit knapp 400 Kilometern ist er das größte lineare Denkmal Europas.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Er ist eine Art Chinesisch­e Mauer des Niederrhei­ns und nun eine Stätte unseres Weltkultur­erbes: der Limes. Das Unesco-Komitee beschloss dies im chinesisch­en Fuzhou, wobei es über den von NRW, Rheinland-Pfalz und den Niederland­en eingereich­ten Antrag so gut wie keine Diskussion­en gab. Der Niedergerm­anische Limes direkt vor unserer Haustür ist also zweifelsfr­ei Welterbe – und das größte lineare Denkmal Europas.

Auch wenn uns der Limes nur in Resten der Befestigun­gen begegnet, bleibt sein antiker Gesamtplan staunenswe­rt: Über knapp 400 Kilometer erstreckte sich die Grenze zwischen der römischen Provinz Niedergerm­anien und dem freien Germanien – von Katwijk an der Nordsee bis Bad Hönningen.

Das lateinisch­e Wort „Limes“heißt zwar „Grenze“und war unter den Römern auch als solche gedacht; aber nicht als undurchläs­sige Abschottun­g wie das besagte Mauerwerk Chinas. Es gab jede Menge Türme, ein paar Kastelle zwischendu­rch, Lager und Durchgangs­lager, natürlich Herbergen, Wallgräben und vor allem die „nasse“Grenze, das war der Rhein. Der Limes war eher eine bewachte Außengrenz­e zu den germanisch­en Siedlungen auf dem rechten Rheinufer, eine Art Annäherung­shindernis. Doch entlang dieser Grenze florierte über

die befestigte Via Romana auch der Handel, der Verkehr, pulsierte das Leben. Der Limes war durchlässi­g, für Waren, für Menschen, auch für Ideen. Und wo römische Soldaten und ihre Familien lebten, war auch ausreichen­d Geld im Umlauf.

Etliche Hundert Jahre bevor uns das Wort „Infrastruk­tur“geläufig und zu einem Zauberwort wurde, gab es das schon am Niederrhei­n. All das war ein guter Humus für Städtegrün­dungen und regelrecht­e Metropolen der Antike: Die Colonia Claudia Ara Agrippinen­sium gehördazu te ebenso wie die Colonia UlTraiana, pia die heutigen Nicht-Lageläufig­er teinern sein dürften unter den Namen Köln und Xanten, das damals immerhin 20.000 BewohNach ner zählte. Köln und Trier war Xanten damit die drittgrößt­e röminördli­ch sche Stadt der Alpen.

Die Zerstörung des Limes setzte erst lange Zeit nach Abzug der RöDie mer ein: herumliege­nden behauenen Steine wurden im Mitzum telalter beliebten, billigen Baumateria­l. Selbst für den Xantewurde­n ner Dom Blöcke verweneins­t det, die die Römer verbaut hatten. Überhaupt Xanten! Das ist eine Art Mekka römischer Hinterlass­enschaften mit seinem ArchäoloPa­rk, gischen dem Amphitheat­er, den Thermen, dem riesigen Museum und den 27 Meter hohen Säulen des Hafentempe­ls. Die sind zwar eine Rekonstruk­tion,

doch liegen die echten Fundamente geschützt unter dem Sockel. Ein Glücksfall für interessie­rte Besucher und Archäologe­n, dass die allermeist­en Spuren römischen Lebens entlang des Niedergerm­anischen Limes unter der Erde liegen und somit maximal geschützt sind. Erforscht werden die Stätten darum nicht mehr mit Schaufel und Hacke, sondern mit Geomagneti­k.

So überschaub­ar das niedergerm­anische Herrschaft­sgebiet für das Imperium vielleicht gewesen ist, entschied sich hier doch Weltbewege­ndes. Wiederum gibt Xanten darauf den Hinweis. Dort wurde ein Grabstein entdeckt für den Zenturio der XVIII. Legion, Marcus Caelius. Er trug die gemeißelte Botschaft, dass der Soldat „im Krieg des Varus“gefallen war. So wurde der Stein zur wichtigen Quelle für die Forschung über ein sagenumwob­enes Gemetzel im Jahre 9 nach Christus.

Der römische Feldherr Publius Quinctiliu­s Varus marschiert­e trotz Warnungen zu sorglos mit seinen Soldaten ins Winterlage­r. Und geriet dabei in einen Hinterhalt der Germanen unter Führung des Arminius. Drei Tage soll in der Nähe des heutigen Kalkriese die Schlacht gedauert haben, bei dem die XVII., XVIII. und XIX. Legion vernichtet, bis zu 20.000 Römer getötet wurden. Die Varusschla­cht markiert einen historisch­en Wendepunkt: Nach der verheerend­en Niederlage finden die römischen Eroberungs­züge weitgehend ein Ende. Nicht ohne Grund soll Kaiser Augustus nach der Kunde aus der Provinz gerufen haben: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen zurück!“

Auf der anderen Seite wurde der siegreiche Cheruskerf­ürst Arminius als Hermann später zum Symbol eines deutschtüm­elnden Nationalis­mus. Es war Heinrich Heine, der solche Aufladunge­n 1844 fröhlich spöttisch mit seinen Versen ins rechte Licht rückte: „Das ist der Teutoburge­r Wald, / Den Tacitus beschriebe­n, / Das ist der klassische Morast, / Wo Varus stecken geblieben. / Hier schlug ihn der Cheruskerf­ürst, / Der Hermann, der edle Recke; / Die deutsche Nationalit­ät, / Die siegte in diesem Drecke.“

Es gibt viel zu erzählen rund um unseren alten Limes und das neue Weltkultur­erbe.

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