Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Maskenverweigerer an der Urne
Hat die Tat in Idar-Oberstein Auswirkungen auf den Umgang mit Maskenverweigeren im Wahllokal? In NRW ist man zuversichtlich, dass es keine größeren Zwischenfälle geben wird. Jeder soll wählen können. Zur Not vor dem Gebäude.
Nach dem tödlichen Angriff auf einen Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein beschäftigen sich die NRW-Städte noch einmal eingehend mit der Frage, wie am Sonntag bei der Bundestagswahl mit Maskenverweigerern umgegangen wird – und wie sich vor allem Diskussionen vermeiden lassen. Der 49-jährige Tatverdächtige hat gestanden, den 20-Jährigen erschossen zu haben, nachdem der ihn auf die Einhaltung der Maskenpflicht hingewiesen hatte. Er habe ein Zeichen setzen wollen gegen die Corona-Maßnahmen, die er ablehne, sagte er der Polizei.
Wählen ist ein Grundrecht, die 3G-Regeln gelten bei der Bundestagswahl nicht, wohl aber die Maskenpflicht. Die Wahlvorstände sollen laut Bundeswahlleiter und aktueller Schutzverordnung Wahlberechtigten, die gegen die Maskenpflicht
verstoßen, die Ausübung ihres Wahlrechts durch „geeignete Maßnahmen“ermöglichen, ohne dass dabei andere Personen gefährdet werden. In Aachen etwa will man den Wahlbetrieb kurz unterbrechen, damit ein Maskenverweigerer wählen kann, wie eine Sprecherin sagt. „So wurde es auch im letzten Jahr gehandhabt.“Grundsätzlich soll einem Verweigerer zunächst eine Maske angeboten werden, die in sämtlichen Wahllokalen vorhanden sind. Nach eigenem Ermessen darf ein Wahlvorstand aber von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Personen, die gegen die Maskenpflicht verstoßen, des Wahlraums verweisen, wenn andere Personen gefährdet werden.
Die Städte sind aber zuversichtlich, dass es keine größeren Zwischenfälle geben wird. „Die Kommunalwahlen haben auch schon während der Pandemie stattgefunden und da hatten wir keinen einzigen Fall, in dem jemand partout keine Maske tragen wollte“, sagt ein Sprecher der Stadt Köln. Er betont: „Jeder, der wählen will, kann wählen.“Weigert sich in Köln jemand trotz Aufforderung, eine Maske zu tragen, kann er vor dem Wahllokal an einer mobilen Urne wählen. „Lautstarke Diskussionen werden so gar nicht erst entstehen“, sagt der Sprecher. Diese Regelung sei allerdings schon vor dem Tötungsdelikt in Idar-Oberstein festgelegt worden und sei keine Reaktion darauf. Die Stimmung unter den Wahlhelfern sei gut, es gebe auch keine Absagen. Auch in Bonn gab es bei der Kommunalwahl im Herbst 2020 keine Probleme mit Wahlberechtigten ohne Masken, die die Wahlvorstände nicht gut gelöst hätten, wie ein Sprecher mitteilt. In Kleve ist der Ordnungs- und Sicherheitsdienst im Einsatz, Wahlvorstände wurden mit Telefonnummern für Notfälle versorgt, wie ein Sprecher mitteilt.
„Da wo Polizei benötigt wird, wird auch Polizei sein“, sagt Michael Maatz, Vize-Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. Die Tat in Ider-Oberstein sei ein „ganz schreckliches Ereignis und ein schlimmer Extremfall“, wie Maatz sagt. „Ein Großteil der Bevölkerung verhält sich aber absolut korrekt und hält sich an die Beschränkungen.“Auch bei der Wahl rechne er nur in Einzelfällen mit Maskenverweigerern. Ein
Teil der Corona-Leugner-Szene sei radikal und „da müssen wir als Polizei aufpassen“. Er sei aber davon überzeugt, dass der Tatverdächtige die Maske nur zum Anlass für seine Tat genommen habe, „die Ursache dafür aber bei so einem Menschen viel tiefer liegt“.
Das NRW-Innenministerium äußert mit Blick auf die QuerdenkerSzene zwar die Sorge, „dass das Freund-Feind-Denken einzelne Akteure auch zu Gewaltstraftaten motivieren kann.“Diese Gefahr werde sehr ernst genommen: In Nordrhein-Westfalen werden die Initiative „Querdenken“und die „Corona Rebellen Düsseldorf“vom Verfassungsschutz beobachtet. Gleichzeitig zeige sich aber angesichts der sich entspannenden Corona-Situation, dass die Szene immer mehr an Zulauf verliere, wie das Ministerium mitteilt. Die durchschnittliche Teilnehmerzahl bei Versammlungen nimmt demnach kontinuierlich ab und ist zuletzt unter 50 gesunken.