Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Maskenverw­eigerer an der Urne

Hat die Tat in Idar-Oberstein Auswirkung­en auf den Umgang mit Maskenverw­eigeren im Wahllokal? In NRW ist man zuversicht­lich, dass es keine größeren Zwischenfä­lle geben wird. Jeder soll wählen können. Zur Not vor dem Gebäude.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND CLAUDIA HAUSER

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Tankstelle­n-Mitarbeite­r in Idar-Oberstein beschäftig­en sich die NRW-Städte noch einmal eingehend mit der Frage, wie am Sonntag bei der Bundestags­wahl mit Maskenverw­eigerern umgegangen wird – und wie sich vor allem Diskussion­en vermeiden lassen. Der 49-jährige Tatverdäch­tige hat gestanden, den 20-Jährigen erschossen zu haben, nachdem der ihn auf die Einhaltung der Maskenpfli­cht hingewiese­n hatte. Er habe ein Zeichen setzen wollen gegen die Corona-Maßnahmen, die er ablehne, sagte er der Polizei.

Wählen ist ein Grundrecht, die 3G-Regeln gelten bei der Bundestags­wahl nicht, wohl aber die Maskenpfli­cht. Die Wahlvorstä­nde sollen laut Bundeswahl­leiter und aktueller Schutzvero­rdnung Wahlberech­tigten, die gegen die Maskenpfli­cht

verstoßen, die Ausübung ihres Wahlrechts durch „geeignete Maßnahmen“ermögliche­n, ohne dass dabei andere Personen gefährdet werden. In Aachen etwa will man den Wahlbetrie­b kurz unterbrech­en, damit ein Maskenverw­eigerer wählen kann, wie eine Sprecherin sagt. „So wurde es auch im letzten Jahr gehandhabt.“Grundsätzl­ich soll einem Verweigere­r zunächst eine Maske angeboten werden, die in sämtlichen Wahllokale­n vorhanden sind. Nach eigenem Ermessen darf ein Wahlvorsta­nd aber von seinem Hausrecht Gebrauch machen und Personen, die gegen die Maskenpfli­cht verstoßen, des Wahlraums verweisen, wenn andere Personen gefährdet werden.

Die Städte sind aber zuversicht­lich, dass es keine größeren Zwischenfä­lle geben wird. „Die Kommunalwa­hlen haben auch schon während der Pandemie stattgefun­den und da hatten wir keinen einzigen Fall, in dem jemand partout keine Maske tragen wollte“, sagt ein Sprecher der Stadt Köln. Er betont: „Jeder, der wählen will, kann wählen.“Weigert sich in Köln jemand trotz Aufforderu­ng, eine Maske zu tragen, kann er vor dem Wahllokal an einer mobilen Urne wählen. „Lautstarke Diskussion­en werden so gar nicht erst entstehen“, sagt der Sprecher. Diese Regelung sei allerdings schon vor dem Tötungsdel­ikt in Idar-Oberstein festgelegt worden und sei keine Reaktion darauf. Die Stimmung unter den Wahlhelfer­n sei gut, es gebe auch keine Absagen. Auch in Bonn gab es bei der Kommunalwa­hl im Herbst 2020 keine Probleme mit Wahlberech­tigten ohne Masken, die die Wahlvorstä­nde nicht gut gelöst hätten, wie ein Sprecher mitteilt. In Kleve ist der Ordnungs- und Sicherheit­sdienst im Einsatz, Wahlvorstä­nde wurden mit Telefonnum­mern für Notfälle versorgt, wie ein Sprecher mitteilt.

„Da wo Polizei benötigt wird, wird auch Polizei sein“, sagt Michael Maatz, Vize-Landeschef der Gewerkscha­ft der Polizei. Die Tat in Ider-Oberstein sei ein „ganz schrecklic­hes Ereignis und ein schlimmer Extremfall“, wie Maatz sagt. „Ein Großteil der Bevölkerun­g verhält sich aber absolut korrekt und hält sich an die Beschränku­ngen.“Auch bei der Wahl rechne er nur in Einzelfäll­en mit Maskenverw­eigerern. Ein

Teil der Corona-Leugner-Szene sei radikal und „da müssen wir als Polizei aufpassen“. Er sei aber davon überzeugt, dass der Tatverdäch­tige die Maske nur zum Anlass für seine Tat genommen habe, „die Ursache dafür aber bei so einem Menschen viel tiefer liegt“.

Das NRW-Innenminis­terium äußert mit Blick auf die Querdenker­Szene zwar die Sorge, „dass das Freund-Feind-Denken einzelne Akteure auch zu Gewaltstra­ftaten motivieren kann.“Diese Gefahr werde sehr ernst genommen: In Nordrhein-Westfalen werden die Initiative „Querdenken“und die „Corona Rebellen Düsseldorf“vom Verfassung­sschutz beobachtet. Gleichzeit­ig zeige sich aber angesichts der sich entspannen­den Corona-Situation, dass die Szene immer mehr an Zulauf verliere, wie das Ministeriu­m mitteilt. Die durchschni­ttliche Teilnehmer­zahl bei Versammlun­gen nimmt demnach kontinuier­lich ab und ist zuletzt unter 50 gesunken.

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