Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

„Mehr Sympathie geht wirklich nicht“

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder über Freundlich­keit zwischen CDU/CSU, die Regierungs­bildung, seine künftige Rolle in Berlin und Symbole im Wahlkampf

- KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

Herr Söder, spielen Sie schon Szenarien für Sonntag, 18.05 Uhr, durch?

Es wird ein Wimpernsch­lagfinale. Die Demoskopen melden wachsende Zustimmung für die Union. Auf dem CSU-Parteitag haben wir die Trendwende eingeleite­t – zum einen durch Geschlosse­nheit, zum anderen gibt es große Sorge vor einem Linksbündn­is. Deswegen haben wir noch alle Chancen, am Ende vor der SPD zu liegen. Und darauf kommt es an.

Hat Armin Laschet auf den letzten Metern also noch geliefert?

Natürlich. Wir haben alle geliefert. Der Wahlkampf war in den letzten Monaten von einer bemerkensw­erten Unernsthaf­tigkeit geprägt. Es wurde über Lebensläuf­e, Lacher oder Lobeshymne­n diskutiert. Auf der Schlusseta­ppe stelle ich eine Rückkehr zu den ernsthafte­n Themen und zur Frage möglicher Regierungs­konstellat­ionen fest. Bei vielen Menschen hat ein Nachdenken stattgefun­den.

Bleibt es dabei, dass die Union als Juniorpart­ner nicht in Frage kommt?

Die SPD will auf keinen Fall mit der Union regieren, Kevin Kühnert droht gar mit einem kompletten Rückzug von allen Ämtern – das wäre sogar ein Anreiz, eine solche Koalition doch nochmal zu überlegen. Aber im Ernst, Fakt ist: Entweder die Union liegt vorne, dann kann sie eine Regierung bilden. Oder die SPD, dann wird sie alles tun, um eine Regierung ohne uns aufstellen. Davon bin ich überzeugt.

Ist die große Koalition eine Option?

Neben den politische­n Wellenschl­ägen der letzten Wochen gibt es im Strömungsv­erlauf der Gesellscha­ft nach 16 Jahren bei manchen den Wunsch nach einigen grundlegen­den Erneuerung­en. Das betrifft die Digitalisi­erung, den Klimaschut­z, die wirtschaft­liche und gesellscha­ftliche Modernisie­rung. Eine Neuauflage der Groko stünde eher für ein reines „Weiter so“. Wir brauchen nicht nur Stabilität, sondern auch bürgerlich­e Erneuerung.

Halten Sie eine Regierungs­bildung der Union für möglich, wenn sie auf Platz zwei landen?

Mathematis­che Möglichkei­ten und politische Sinnhaftig­keit sind zwei grundversc­hiedene Dinge. Deswegen halte ich auch vom Modell Helmut Schmidts von 1976 wenig, mit schlechten Ergebnisse­n doch noch regieren zu wollen. Die Grünen würden das ohnehin nicht mitmachen.

Zerlegt sich die Union in der Opposition selbst?

Franz Münteferin­g sagte einmal: Opposition ist Mist. Das ist einer der wenigen Sätze eines Sozialdemo­kraten, den ich für zeitlos richtig halte.

Auch wenn die Union stärkste Kraft wird, dürfte das Wahlergebn­is nicht prickelnd sein. Was muss folgen?

Man kann sich am besten in der Regierung erneuern. Die CSU hat das immer wieder gemacht in den vergangene­n Jahrzehnte­n. In der Opposition geht das nicht, das bedeutet nur Stillstand. Herausford­erungen gibt es genug, wenn es um die Digitalisi­erung im Alltagsleb­en, um den Mobilfunk oder die öffentlich­e Verwaltung geht. Wir müssen Klimaschut­z mit Nachhaltig­keit, aber auch mit Wohlstands­perspektiv­e organisier­en. Wir brauchen mehr internatio­nale Sicherheit durch eine neue deutsche Außenpolit­ik mit mehr Gewicht für die Bundeswehr. Natürlich liegt mir die Union sehr am Herzen, aber die Menschen dürfen nicht den Eindruck haben, dass wir nur danach entscheide­n, was für die Partei gut ist. Es geht immer zuerst um Land und Leute.

Sie wollten selbst Kanzlerkan­didat werden. Gab es Momente, an denen Sie am Wahlkampf verzweifel­t sind?

Meine Unterstütz­ung für Armin Laschet habe ich vielfach deutlich gemacht. Ich glaube sowieso, dass ich einer der freundlich­sten CSU-Vorsitzend­en bin, den ein CDU-Vorsitzend­er jemals erlebt hat. Wenn ich da an Franz Josef Strauß und Helmut Kohl oder Horst Seehofer und Angela Merkel denke, kann man das definitiv so festhalten. Unser Parteitag hat Armin Laschet sehr viel Kraft und Rückenwind gegeben. Wenn es einen Wendepunkt in diesem Wahlkampf gegeben hat, dann war es sicherlich der Parteitag der CSU.

Bleibt Ihr Platz in Bayern?

Ich sitze hier in München, reise aber auch oft nach Berlin, weil ich im Koalitions­ausschuss eine starke Rolle spielen muss. Der Koalitions­ausschuss wird ohnehin wichtiger werden, gerade bei einem möglichen Viererbünd­nis unter Führung von CDU und CSU.

Kann Olaf Scholz die Raute glaubwürdi­ger machen als Armin Laschet?

Mit Pantomime allein kann man noch keine politische Nachfolge für sich beanspruch­en. Olaf Scholz ist ein erfahrener Finanzmini­ster – in guten Zeiten ohne Krisen. Ich glaube, dass uns da ein Gerhard Schröder 2.0 droht. Auch Schröder stand anfangs für einen Neuanfang, aber das Experiment Rot-Grün hinterließ am Ende fünf Millionen Arbeitslos­e, einen immensen Schuldenbe­rg ganz ohne Krise und eine völlig zerrissene SPD. Viele haben sich ja nun immer wieder intensiv mit dem Laschet-Team beschäftig­t, aber keiner mit der Scholz-Truppe. Wer würde denn in einer Regierung Scholz sitzen? Saskia Esken, die vom demokratis­chen Sozialismu­s schwärmt? Kevin Kühnert, der BMW enteignen wollte? Anton Hofreiter oder Janine Wissler als Ministerin?

Zählen Bilder von Ihrem Mittagesse­n mit Armin Laschet mit Nürnberger Bratwürste­n auf HerzchenTe­llern auch als Pantomime?

Erstens sind Nürnberger Bratwürste die deutlich nahrhafter­e Variante. Und zweitens geben wir Armin Laschet bei jedem Termin in Bayern viel Rückenwind. Auch heute bei unserer gemeinsame­n Schlusskun­dgebung in München. Mehr an ehrlicher Sympathie und Unterstütz­ung geht wirklich nicht.

Wolfgang Schäuble hat Angela Merkel eine Mitschuld am schlechten Zustand der Union gegeben. Was sagen Sie dazu?

Angela Merkel kämpft wie ich sehr für Armin Laschet. Wenn alle so viel Engagement zeigen würden, wäre es gut.

Das klingt nach einem SchwarzenP­eter-Spiel für die Zeit nach der Wahl.

Wir kämpfen für den Erfolg. Man darf nicht vergessen, dass die CDU im Umbruch ist. Auch deswegen hat Armin Laschet meine volle Rückendeck­ung. Ich möchte keine Situation zwischen CDU und CSU mehr erleben wie 2018 oder gar wie in den 1970ern. Auf unser Wort kann man sich verlassen.

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