Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Mehr Sympathie geht wirklich nicht“
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder über Freundlichkeit zwischen CDU/CSU, die Regierungsbildung, seine künftige Rolle in Berlin und Symbole im Wahlkampf
Herr Söder, spielen Sie schon Szenarien für Sonntag, 18.05 Uhr, durch?
Es wird ein Wimpernschlagfinale. Die Demoskopen melden wachsende Zustimmung für die Union. Auf dem CSU-Parteitag haben wir die Trendwende eingeleitet – zum einen durch Geschlossenheit, zum anderen gibt es große Sorge vor einem Linksbündnis. Deswegen haben wir noch alle Chancen, am Ende vor der SPD zu liegen. Und darauf kommt es an.
Hat Armin Laschet auf den letzten Metern also noch geliefert?
Natürlich. Wir haben alle geliefert. Der Wahlkampf war in den letzten Monaten von einer bemerkenswerten Unernsthaftigkeit geprägt. Es wurde über Lebensläufe, Lacher oder Lobeshymnen diskutiert. Auf der Schlussetappe stelle ich eine Rückkehr zu den ernsthaften Themen und zur Frage möglicher Regierungskonstellationen fest. Bei vielen Menschen hat ein Nachdenken stattgefunden.
Bleibt es dabei, dass die Union als Juniorpartner nicht in Frage kommt?
Die SPD will auf keinen Fall mit der Union regieren, Kevin Kühnert droht gar mit einem kompletten Rückzug von allen Ämtern – das wäre sogar ein Anreiz, eine solche Koalition doch nochmal zu überlegen. Aber im Ernst, Fakt ist: Entweder die Union liegt vorne, dann kann sie eine Regierung bilden. Oder die SPD, dann wird sie alles tun, um eine Regierung ohne uns aufstellen. Davon bin ich überzeugt.
Ist die große Koalition eine Option?
Neben den politischen Wellenschlägen der letzten Wochen gibt es im Strömungsverlauf der Gesellschaft nach 16 Jahren bei manchen den Wunsch nach einigen grundlegenden Erneuerungen. Das betrifft die Digitalisierung, den Klimaschutz, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung. Eine Neuauflage der Groko stünde eher für ein reines „Weiter so“. Wir brauchen nicht nur Stabilität, sondern auch bürgerliche Erneuerung.
Halten Sie eine Regierungsbildung der Union für möglich, wenn sie auf Platz zwei landen?
Mathematische Möglichkeiten und politische Sinnhaftigkeit sind zwei grundverschiedene Dinge. Deswegen halte ich auch vom Modell Helmut Schmidts von 1976 wenig, mit schlechten Ergebnissen doch noch regieren zu wollen. Die Grünen würden das ohnehin nicht mitmachen.
Zerlegt sich die Union in der Opposition selbst?
Franz Müntefering sagte einmal: Opposition ist Mist. Das ist einer der wenigen Sätze eines Sozialdemokraten, den ich für zeitlos richtig halte.
Auch wenn die Union stärkste Kraft wird, dürfte das Wahlergebnis nicht prickelnd sein. Was muss folgen?
Man kann sich am besten in der Regierung erneuern. Die CSU hat das immer wieder gemacht in den vergangenen Jahrzehnten. In der Opposition geht das nicht, das bedeutet nur Stillstand. Herausforderungen gibt es genug, wenn es um die Digitalisierung im Alltagsleben, um den Mobilfunk oder die öffentliche Verwaltung geht. Wir müssen Klimaschutz mit Nachhaltigkeit, aber auch mit Wohlstandsperspektive organisieren. Wir brauchen mehr internationale Sicherheit durch eine neue deutsche Außenpolitik mit mehr Gewicht für die Bundeswehr. Natürlich liegt mir die Union sehr am Herzen, aber die Menschen dürfen nicht den Eindruck haben, dass wir nur danach entscheiden, was für die Partei gut ist. Es geht immer zuerst um Land und Leute.
Sie wollten selbst Kanzlerkandidat werden. Gab es Momente, an denen Sie am Wahlkampf verzweifelt sind?
Meine Unterstützung für Armin Laschet habe ich vielfach deutlich gemacht. Ich glaube sowieso, dass ich einer der freundlichsten CSU-Vorsitzenden bin, den ein CDU-Vorsitzender jemals erlebt hat. Wenn ich da an Franz Josef Strauß und Helmut Kohl oder Horst Seehofer und Angela Merkel denke, kann man das definitiv so festhalten. Unser Parteitag hat Armin Laschet sehr viel Kraft und Rückenwind gegeben. Wenn es einen Wendepunkt in diesem Wahlkampf gegeben hat, dann war es sicherlich der Parteitag der CSU.
Bleibt Ihr Platz in Bayern?
Ich sitze hier in München, reise aber auch oft nach Berlin, weil ich im Koalitionsausschuss eine starke Rolle spielen muss. Der Koalitionsausschuss wird ohnehin wichtiger werden, gerade bei einem möglichen Viererbündnis unter Führung von CDU und CSU.
Kann Olaf Scholz die Raute glaubwürdiger machen als Armin Laschet?
Mit Pantomime allein kann man noch keine politische Nachfolge für sich beanspruchen. Olaf Scholz ist ein erfahrener Finanzminister – in guten Zeiten ohne Krisen. Ich glaube, dass uns da ein Gerhard Schröder 2.0 droht. Auch Schröder stand anfangs für einen Neuanfang, aber das Experiment Rot-Grün hinterließ am Ende fünf Millionen Arbeitslose, einen immensen Schuldenberg ganz ohne Krise und eine völlig zerrissene SPD. Viele haben sich ja nun immer wieder intensiv mit dem Laschet-Team beschäftigt, aber keiner mit der Scholz-Truppe. Wer würde denn in einer Regierung Scholz sitzen? Saskia Esken, die vom demokratischen Sozialismus schwärmt? Kevin Kühnert, der BMW enteignen wollte? Anton Hofreiter oder Janine Wissler als Ministerin?
Zählen Bilder von Ihrem Mittagessen mit Armin Laschet mit Nürnberger Bratwürsten auf HerzchenTellern auch als Pantomime?
Erstens sind Nürnberger Bratwürste die deutlich nahrhaftere Variante. Und zweitens geben wir Armin Laschet bei jedem Termin in Bayern viel Rückenwind. Auch heute bei unserer gemeinsamen Schlusskundgebung in München. Mehr an ehrlicher Sympathie und Unterstützung geht wirklich nicht.
Wolfgang Schäuble hat Angela Merkel eine Mitschuld am schlechten Zustand der Union gegeben. Was sagen Sie dazu?
Angela Merkel kämpft wie ich sehr für Armin Laschet. Wenn alle so viel Engagement zeigen würden, wäre es gut.
Das klingt nach einem SchwarzenPeter-Spiel für die Zeit nach der Wahl.
Wir kämpfen für den Erfolg. Man darf nicht vergessen, dass die CDU im Umbruch ist. Auch deswegen hat Armin Laschet meine volle Rückendeckung. Ich möchte keine Situation zwischen CDU und CSU mehr erleben wie 2018 oder gar wie in den 1970ern. Auf unser Wort kann man sich verlassen.