Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„GroKo könnte zur SchoKo werden“
Die Grünen-Spitze in NRW spricht über Lehren aus dem Wahlkampf für das Land.
Mit dem nahenden Wahlsonntag rückt zunehmend auch die Situation in NRW in den Fokus. Beim Redaktionsbesuch der Grünen-Doppelspitze, Mona Neubaur und Felix Banaszak, gaben sich beide kämpferisch, aber auch selbstkritisch. Man erlebe zwar weiter so viel Zuspruch wie noch nie vor einer Bundestagswahl, sagte Banaszak. „Leider ist der Wahlkampf aber bis heute wenig inhaltlich geprägt, kaum einer redet über das, was in der viertgrößten Industrienation getan werden muss, um die Klimakrise beherrschbar zu halten, um die ökologische und digitale Transformation voranzubringen und die soziale Spaltung aufzuhalten. Daran haben wir leider einen Anteil.“
Fehler in der eigenen Kampagnenführung hätten es den Grünen erschwert, wie zuvor bei der Europaund Kommunalwahl mit den eigenen Themen die Agenda zu bestimmen. „Außerdem erleben wir gerade, dass Menschen, die eigentlich grün wählen wollten, nun darüber nachdenken, vielleicht die SPD zu wählen, um Laschet zu verhindern. Dieses Momentum haben wir unterschätzt“, so Banaszak. „Die SPD hat das Kunststück vollbracht, acht Jahre mit der Union zu koalieren, um jetzt so zu tun, als würde sie mit denen nicht mal mehr Kaffee trinken wollen.“Es sei überhaupt nicht ausgeschlossen, dass aus der GroKo eine SchoKo werde, also eine Scholz-Koalition mit der Union als Juniorpartner. „Wer die Union in die Opposition schicken und eine echte Veränderung will, muss die Grünen wählen. Wir sind das Gegenmodell zu einer Politik im Reparaturmodus, die am Ende immer zu spät kommt.“
Auf die Frage, ob die Grünen nach der Landtagswahl 2022 Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erheben wollten, sagte Neubaur: „Wir wollen inhaltlich punkten, haben dafür neue Allianzen auch außerhalb der Politik geschlossen. Unser Ziel ist, NRW zur ersten klimaneutralen Region Europas zu machen. Und dafür müssen wir Grüne eine führende Rolle im Land spielen. Das ist unser Anspruch.“Banaszak ergänzte: „Wir machen dem Wähler ein Angebot, den Wandel verantwortlich zu gestalten. Wer große Ziele hat, spielt nicht auf Platz zwei, drei oder vier.“
Die Grünen-Spitze forderte mehr
Tempo etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei könne das Regierungshandeln Winfried Kretschmanns Vorbild sein. „Baden-Württemberg macht es mit den Bürgerräten etwa bei der Ansiedlung neuer Forensiken ja vor“, sagte Neubaur. Das Land schaffe bei einem hochemotionalen Thema schon früh im Prozess Lösungen im Dialog mit den Bürgern, ohne dass Gerichte überhaupt noch bemüht werden müssten. „Das könnte man auch beim Bau von Stromtrassen und Windrädern machen.“Zugleich schlug sie bundeseinheitlich klare Vorgaben vor, wo erneuerbare Energien angesiedelt werden sollen. „Das sollte aber nicht nur in nationalen Grenzen geschehen, sondern im Austausch mit den europäischen Partnern als Nachfolge von Euratom“, so Neubaur.
Von der Union verlangte sie, dass diese ihre Politik transparenter machen müsse: „Die Bürgerinnen und Bürger wollen wissen, welche Gespräche mit welchen Lobbyvertretern stattgefunden haben. Und das nicht nur im Bund, sondern auch im Land.“Mit Blick auf das Revier forderte sie, die Landesregierung müsse RWE gegenüber darauf pochen, dass das Unternehmen bis zur finalen rechtlichen Klärung um die Eigentumsverhältnisse nicht tätig werde. „Was wir also brauchen, ist ein Abrissmoratorium für die Region.“