Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Politik von der Theke
Warum Kubicki mit seinem Geständnis, Corona-Regeln gebrochen zu haben, daneben zielt.
Die Absichten sind durchschaubar: Kurz vor der Wahl gibt der Vize-FDPChef Wolfgang Kubicki ein Interview, in dem er Stammtischgerede mit etwas Coronaregel-Renitenz verbindet. Kubicki beleidigt den SPD-Medizinexperten Karl Lauterbach, indem er ein fieses Schimpfwort über ihn kolportiert. In seiner Stammkneipe werde so über Lauterbach gesprochen. Damit ist das Schimpfwort in der Welt, Kubicki selbst hat nichts gesagt.
Zudem will der FDPVize während des Lockdowns gegen Corona-Regeln verstoßen und in heimlich geöffnete Kneipen gegangen sein. Das Ziel dieses späten Geständnisses ist klar. Kubicki will den coronamüden Wählern signalisieren: Ich bin einer von euch – und als freiheitsliebender Liberaler lass ich mir das Bierchen um die Ecke nicht verbieten. Beleidigung und Regelverstoß – so viel Tabubruch muss schon sein, um kurz vor der Wahl noch Aufmerksamkeit zu erregen. Populismus nennt man das.
Lauterbach hat sich zu der Beleidigung knapp geäußert, hat daran erinnert, dass Kubicki Bundestagsvizepräsident ist und Schmähungen gegen Kollegen dieses Amtes nicht würdig seien. Damit ist dazu alles gesagt.
Kubickis lässiges Geständnis zum Kneipenbesuch während des Lockdowns hat einen nachhaltigeren Effekt. Es sagt nämlich allen, die sich in den vergangenen Monaten an die Regeln gehalten haben, also der Mehrheit der Bevölkerung, dass sie die Dummen waren. Selbst schuld, wenn man ernst nimmt, was die Politik verordnet.
Ohne den Ernst der großen Mehrheit hätte das Land die Pandemie aber nicht in den Griff bekommen. Es ist also respektlos, diesen Menschen nun nachträglich zu bescheinigen, wie unschlau sie waren. Zumal Kubicki gleichzeitig auch noch den Eindruck erweckt, Politiker wie er stünden über den Regeln, die sie selbst erlassen. Zwar hat sich Kubicki auch früher schon kritisch zu diesem oder jenem Corona-Erlass geäußert, ein Hardliner war er nie. Aber er gehört zum politischen Apparat, der der Bevölkerung während der Hochphase der Pandemiebekämpfung viel abverlangt hat. Nun nachträglich zu behaupten, man habe das nicht wirklich ernstnehmen müssen, ist ungefähr so mutig wie nach der Schule Klingelmännchen zu spielen.
Kubicki wollte Aufmerksamkeit und bekommt sie. Doch die Bürger sind klug genug, solche Manöver einzuordnen.