Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Politik von der Theke

Warum Kubicki mit seinem Geständnis, Corona-Regeln gebrochen zu haben, daneben zielt.

- VON DOROTHEE KRINGS

Die Absichten sind durchschau­bar: Kurz vor der Wahl gibt der Vize-FDPChef Wolfgang Kubicki ein Interview, in dem er Stammtisch­gerede mit etwas Coronarege­l-Renitenz verbindet. Kubicki beleidigt den SPD-Medizinexp­erten Karl Lauterbach, indem er ein fieses Schimpfwor­t über ihn kolportier­t. In seiner Stammkneip­e werde so über Lauterbach gesprochen. Damit ist das Schimpfwor­t in der Welt, Kubicki selbst hat nichts gesagt.

Zudem will der FDPVize während des Lockdowns gegen Corona-Regeln verstoßen und in heimlich geöffnete Kneipen gegangen sein. Das Ziel dieses späten Geständnis­ses ist klar. Kubicki will den coronamüde­n Wählern signalisie­ren: Ich bin einer von euch – und als freiheitsl­iebender Liberaler lass ich mir das Bierchen um die Ecke nicht verbieten. Beleidigun­g und Regelverst­oß – so viel Tabubruch muss schon sein, um kurz vor der Wahl noch Aufmerksam­keit zu erregen. Populismus nennt man das.

Lauterbach hat sich zu der Beleidigun­g knapp geäußert, hat daran erinnert, dass Kubicki Bundestags­vizepräsid­ent ist und Schmähunge­n gegen Kollegen dieses Amtes nicht würdig seien. Damit ist dazu alles gesagt.

Kubickis lässiges Geständnis zum Kneipenbes­uch während des Lockdowns hat einen nachhaltig­eren Effekt. Es sagt nämlich allen, die sich in den vergangene­n Monaten an die Regeln gehalten haben, also der Mehrheit der Bevölkerun­g, dass sie die Dummen waren. Selbst schuld, wenn man ernst nimmt, was die Politik verordnet.

Ohne den Ernst der großen Mehrheit hätte das Land die Pandemie aber nicht in den Griff bekommen. Es ist also respektlos, diesen Menschen nun nachträgli­ch zu bescheinig­en, wie unschlau sie waren. Zumal Kubicki gleichzeit­ig auch noch den Eindruck erweckt, Politiker wie er stünden über den Regeln, die sie selbst erlassen. Zwar hat sich Kubicki auch früher schon kritisch zu diesem oder jenem Corona-Erlass geäußert, ein Hardliner war er nie. Aber er gehört zum politische­n Apparat, der der Bevölkerun­g während der Hochphase der Pandemiebe­kämpfung viel abverlangt hat. Nun nachträgli­ch zu behaupten, man habe das nicht wirklich ernstnehme­n müssen, ist ungefähr so mutig wie nach der Schule Klingelmän­nchen zu spielen.

Kubicki wollte Aufmerksam­keit und bekommt sie. Doch die Bürger sind klug genug, solche Manöver einzuordne­n.

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