Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
007 Gründe, warum der neue Bond ein Hit wird
Fast zwei Jahre Wartezeit enden nächste Woche, dann kommt der neue Bond „Keine Zeit zu sterben“endlich ins Kino. Der ursprüngliche Start im November 2019 war wegen des Wechsels des Regisseurs geplatzt, danach musste er mehrfach wegen der Pandemie verschoben werden. Zwischendurch hieß es, dass Szenen nachgedreht werden müssten, weil Produkte, die Bond werbewirksam in die Kamera hält, inzwischen veraltet seien. Auch sollen Apple und Netflix über eine Streaming-Premiere verhandelt haben, angeblich gab es ein Angebot über 600 Millionen Dollar, das aber abgelehnt wurde. Will solch einen Film überhaupt noch jemand sehen? Antwort: Ganz unbedingt sogar! Und zwar deswegen:
001: der Hauptdarsteller
„Keine Zeit zu sterben“ist der fünfte und letzte Bond mit Daniel Craig in der Titelrolle. Der Brite ist so etwas wie der Schmerzensmann unter den Agentendarstellern. Er setzte sich gegen Clive Owen, Hugh Jackman und Colin Farrell durch. Als er
2005 vorgestellt wurde, lachten ihn die Medien aus: „Besetzung gegen den Strich“, „Der falsche Bond“, „Blond-Bond“. Dann sahen sie, wie er in „Casino Royale“dem Meer entstieg, und einhellig gaben sie zu: Der Kerl hat’s drauf. Die Dreharbeiten zu „Spectre“absolvierte Craig mit gebrochenem Bein. Als er danach gefragt wurde, ob er denn weitermache, antwortete er: „Lieber schneide ich mir die Pulsadern auf.“In der Doku „In der Haut von James Bond“sagt er dazu, dass man nun mal keine Lust auf einen neuen Marathon habe, wenn man gerade einen hinter sich habe. Er lief dann doch noch einmal. Der 53-Jährige soll sich den Sinneswechsel mit 50 Millionen Dollar Gage bezahlt haben lassen.
Craig revolutionierte die Figur des Bond. Jeder Darsteller füllte die Figur mit seinem Charakter. Craig ist der Grübler mit dem dunklen Geheimnis. Zum ersten Mal gab es Rückblenden. Das Motiv der Familie spielte eine wichtige Rolle. Dieser Bond ist zudem kein Lover mehr, sondern ein Liebender, wobei Liebe nichts Leichtes mehr hat. Bei Craig geht es immer um alles, er ist der Existenzialisten-Bond.
Und er ist der größte Actionheld in der prestigeträchtigsten Filmrolle der Welt. Craig wirkt, als sei er im Fitnessstudio geboren worden. Er drehte viele Stunts selbst, und er brach gleich bei seinem ersten Auftritt mit der Tradition des Geheimdienst-Gentleman: „Geschüttelt oder gerührt“, fragt der Barkeeper, als Bond Wodka-Martini bestellt. Craig spuckt ihm diesen Satz auf den Tresen: „Sehe ich aus wie jemand, den das interessiert?“Ihm gelangen mit „Casino Royale“und „Skyfall“zwei der drei besten BondLieferungen aller Zeiten. Die andere ist „Goldfinger“aus dem Jahr 1964.
002: die Story
Mal ehrlich: Ist das nicht irre, dass ein Bond-Film so lange in der Warteschleife hängt und man trotzdem so gut wie nichts über die Handlung weiß? Angeblich wurden drei verschiedene Schlusssequenzen gedreht, und selbst die Darsteller wissen nicht, welche zu sehen sein wird. Sicher ist nur, dass Bond zu Beginn aus dem Dienst geschieden in Jamaika den Ruhestand genießt. Aber, klar: Die Vergangenheit ist nicht tot, und also macht er weiter. Rami Malek, der für seine Darstellung des Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“den Oscar gewann, ist der Bösewicht. Wobei es schwierig wird, Javier Bardem zu übertreffen. Bitte mal erinnern an die grandiose Szene in „Skyfall“, in der Bardem Craig auf die Pelle rückt: „Warum denken Sie, das wäre mein erstes Mal?“
003: das Team
In der Ära Craig wurde das vielleicht beste MI6-Team aller Zeiten zusammengestellt. Man freut sich darauf, ihnen wiederzubegegnen: Ben Whishaw als Q, Lea Seydoux als Madeleine Swann, Ralph Fiennes als M und Naomie Harris als Eve Moneypenny. Und Christoph Waltz bekommt auch noch einen Auftritt.
004: die Neuen
Eigentlich hatte Danny Boyle diesen Bond drehen sollen. Er stieg aber aus; angeblich weil man seine Stamm-Drehbuchautoren nicht beschäftigen wollte. Es sprang Cary Fukunaga ein, übrigens als erster US-Regisseur auf diesem Posten. Er drehte 2011 die Neufassung des Literaturklassikers „Jane Eyre“mit Mia Wasikowska. Und vor allem: die erste Staffel der Serie „True Detective“. Das dürfe also ein besonders dichter, atmosphärischer Bond werden. Außerdem arbeitete Phoebe WallerBridge am Drehbuch mit. Sie ist eine der interessantesten Persönlichkeiten im Fernsehen zurzeit, so britisch, lustig und dabei gegenwartsaffin. Von ihr stammt die großartige Serie „Fleabag“. Und die musikalische Besetzung ist natürlich auch klasse: Billie Eilish, Hans Zimmer und Johnny Marr von den Smiths.
005: der Auftrag
James Bond zu sein, ist ja ohnehin schon ein harter Job. Miese WorkLife-Balance. Und die tollen Autos, die man fahren darf, gehen meist kaputt. In diesem Jahr hat Bond jedoch die größte Bürde zu schultern: Er muss die Welt aus dem CoronaTief befreien. Nicht die Welt im Film. Sondern die echte.
006: der Ausblick
Wie geht es nach Daniel Craig weiter mit Bond? Vielleicht legt das Finale von „Keine Zeit zu sterben“ja eine Fährte. Wird Bond künftig diverser besetzt? Weiblich? Wird es doch einer der regelmäßig als Nachfolger gehandelten Jungs: Tom Hardy, Richard Madden oder Sam Heughan? Oder gibt es die dicke Überraschung: Craig macht weiter? Sag niemals nie.
007: das Finale
Man hat diesen ruppigen Bond inzwischen so ins Herz geschlossen, dass man ihm den allerbesten Abgang gönnt. Also, bitte: Stirb an einem anderen Tag. Bitte mal ohne Schmerzen das Empire retten. Bitte die Liebe finden. Und, bitte: Kurz vor Schluss mal lächeln als Zeichen, dass es ihm gut geht. Wenn James Bond immer auch Ausdruck der Verfassung seiner Zeit ist, wäre es umso wünschenswerter, dass dieser düster-zergrübelte Mann zum Licht findet.