Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Spahn will Antikörpertests ausweiten
Wer sich unbemerkt infiziert hat und somit 2G-Privilegien genießt, kann dies künftig durch den Nachweis der Immunreaktion belegen.
Um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, setzen immer mehr Länder, Kommunen und Veranstalter auf die 2G-Regel. Zutritt haben nur Geimpfte und Genesene. Nun will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Situation für Genesene erleichtern: Er will es auch Bürgern mit einer unbemerkten Corona-Infektion ermöglichen, sich als genesen auszuweisen. Dazu müssen sie einen Antikörpertest und eine Impfung nachweisen. „Ein Antikörpertest und eine Impfung sollen zum Status ,vollständig geschützt’ führen, dann bekommt man das Zertifikat“, sagte Spahn am Donerstag auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf.
Bisher erhalten nur Genesene diesen Status, die einen positiven PCRTest nachweisen, der nicht älter ist als sechs Monate, oder die anschließend einmal geimpft sind. Menschen, bei denen die Erkrankung ohne Symptome verlief oder die keinen PCR-Test haben, soll nun per Antikörpertest geholfen werden.
Wie funktionieren Antikörpertests?
Für den Test muss eine kleine Blutprobe entnommen werden. Der Test gibt an, wie groß die Konzentration (Titer) an Antikörpern im Blut ist. Antikörper zerstören das Coronavirus, bevor es eine menschliche Zelle infiziert. Je höher ihr Anteil, desto höher der Schutz. Die Tests zu Beginn der Pandemie waren noch nicht sehr aussagekräftig: Mit ihnen ließ sich nur ein bunter Strauß an Coronavirus-Antikörpern messen, nicht aber der Gehalt an Angreifern
gegen Sars-CoV-2-Viren. Das aber sich geändert: „Die Tests sind mittlerweile sehr spezifisch geworden“, sagte Spahn unter Verweis auf das Robert-Koch-Institut.
Wo kann man Antikörpertests machen lassen?
„Die Frage ist noch, wer die Tests durchführt und wo sie angeboten werden“, so Spahn weiter. Sein Haus prüfe derzeit eine Kostenübernahme durch den Staat. Die Apotheken stehen bereit: „Wenn die Bürgertests kostenpflichtig werden, wird die Nachfrage nach PCR-Tests steigen. Apotheken haben große
Erfahrungen im Durchführen von Tests und das fachliche Know-how. Da sie ein flächendeckendes Netz bieten, sollten Apotheken auch PCR-Tests und Antikörper-Tests anbieten können“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein. Bislang werden Antikörpertests
meist vom Arzt durchgeführt. Damit ist Streit programmiert. In der Ärzteschaft gibt es bereits Unmut, dass Apotheker im Rahmen von Modellprojekten Grippeschutzimpfungen vornehmen können. Dass Apotheker auch gegen Corona impfen dürfen, kann sich Spahn aber nicht vorstellen: Jetzt sei nicht die Zeit, um zu streiten.
Was sind die Grenzen von Antikörpertests?
Antikörper sind nur ein Teil der menschlichen Immunantwort. So führt etwa eine Impfung auch zur Bildung von T-Zellen, die bereits infizierte Zellen zerstören und so die Verbreitung des Virus verhindern. Deren Gehalt wird aber durch einen Antikörpertest nicht erfasst: „Ich glaube nicht, dass Antikörpertests ein Allheilmittel sind: Antikörper sind bei der Immunabwehr nicht alles. Auch ein Menschen mit niedrigem Antikörperlevel kann Corona abwehren, wenn er viele T-Zellen hat“, sagt Thomas Preis. Es gebe auch doppelt Geimpfte, bei denen der Test negativ sei. „Oft führen die Antikörpertests zu Verunsicherung, daher sollte man sie nicht flächendeckend einsetzen.“
Worum ging es noch beim Apothekertag?
Spahn lobte die Apotheken als unverzichtbar und engagiert bei der Bekämpfung der Pandemie. Er verteidigte, dass sich dies für die Apotheken auch finanziell gelohnt hat: „Applaus alleine reicht nicht. Wer was leistet, muss dafür auch einen Ausgleich dafür bekommen.“Im Schnitt habe jede Apotheke seit Beginn der Pandemie 125.000 Euro Umsatz zusätzlich gemacht, so Spahn. Der Mehrumsatz resultiere etwa aus der Verteilung der Schutzmasken auf Staatskosten, aus der Durchführung von Corona-Tests oder aus der Ausstellung von Impfzertifikaten. Die Apotheken kritisierten, dass Spahn die Vergütung für ein Zertifikat abrupt von 18 auf sechs Euro gesenkt habe. Ein Fehler, räumte Spahn ein.
Daneben ging es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dazu gehört das E-Rezept: „Das elektronische Rezept soll ab 2022 das Papierrezept ablösen. Dabei ist uns wichtig, dass das Rezept in digitaler Form genauso sicher für die Patienten handbar ist wie jetzt das Papierrezept“, sagte Verbandschef Preis. Auch das Studium von Pharmazeuten müsse novelliert werden: „Auf Zukunftsentwicklungen, wie Arzneimittel aus dem 3D-Drucker, werden wir uns schon im Studium vorbereiten können“, stellte Preis fest.