Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Zwischen Aufbruch und Abgesang
Schalke in der Zweiten Bundesliga – das klingt noch immer gewöhnungsbedürftig. Der Absteiger liegt nach einem historischen Umbruch hinter den Aufstiegsplätzen. Dabei ist S04 zum Erfolg verdammt, um nicht dauerhaft von der Bildfläche zu verschwinden.
Steffen Baumgart ist eine Reizfigur in Gelsenkirchen. Irgendwann hatte irgendjemand läuten hören, dass der 49-Jährige nach seinem Abschied in Paderborn auf dem sinkenden Tanker Schalke anheuern könnte. Das genügte, um die darbende Fanseele zu Blütenträumen zu inspirieren. Einen wie ihn und vor allem seinen bedingungslosen Offensivfußball hätten viele Fans nur zu gern in ihrem Klub gesehen.
Wie nah sich Schalke und Baumgart je gekommen sind, bleibt Spekulation – er landete in Köln. Um zu illustrieren, wie groß sein neuer Klub ist, wählte Baumgart aber ein bemerkenswertes Bild: Es gebe nur drei größere Vereine in Deutschland. Einer werde immer Meister, der andere versuche, immer Meister zu werden und der dritte spiele in der Zweiten Bundesliga. Ein verletzendes Kompliment für Königsblau.
Nun heißt Schalkes Steffen Baumgart aber Dimitrios Grammozis. Gibt man den bei Google ein, ist der zweite Vorschlag der Suchmaschine „Grammozis vor dem Aus“. Nun, das gehört zur Jobbeschreibung eines S04-Trainers. Aber spürbar gefunkt hat es zwischen dem Trainer und Schalke noch nicht. Es war eine von vielen schlechten Ideen der jüngeren Schalker Vergangenheit, den neuen Coach den praktisch feststehenden Abstieg verwalten zu lassen, damit er wenige Wochen später als bereits ordentlich vermackte Gallionsfigur plötzlich Aufbruchstimmung verbreiten soll.
Zumal sein Kader seither eine Dauerbaustelle ist, die aber durchaus Qualität vorweisen kann. Gesicht der Mannschaft ist Torjäger Simon Terodde, so etwas wie der Robert Lewandowski des Unterhauses. Auch Thomas Ouwejan, Rodrigo Zalazar, Darko Churlinov, Ko Itakura, Marius Bülter oder Dominick Drexler lagern im höchsten Regal der Zweiten Bundesliga. Von dem Plan, vorwiegend auf den eigenen Nachwuchs der Knappenschmiede zu setzen, ist der Klub abgerückt, nicht zuletzt weil auch einige Talente bereits bezahlt wurden wie Top-Manager und nun woanders ihr Glück suchen.
Diese Mannschaft trägt das Signum Rouven Schröders, der sich in kurzer Zeit bereits großen Respekt erarbeitet hat und auch in der Außendarstellung punktet. Im Wissen darum, dass er die kurze Bettdecke nur verschieben aber nicht verlängern kann, setzte der Sportdirektor seine Priorität auf eine starke erste Elf und nahm dafür massive Abstriche in der Breite in Kauf. Sein größter Verdienst war es aber, die mit üppigen Gehältern alimentierten Schalker Sorgenkinder hinauszukomplimentieren. Das gelang ihm – mit teilweise fragwürdigen Deals, teuren Vertragsauflösungen, Leihgeschäften und wenig Ablösen, doch es gelang. Schalke ist nur so einem möglichen Punktabzug entgangen.
Der hätte selbst zaghafte Ambitionen früh erledigt. Sportlich hat der Absteiger genug zu kämpfen.
Eine fast schon justiziabel schlechte Leistung in Regensburg, beim 3:0 in Kiel oder 1:0 in Paderborn konnte Königsblau zwar punkten, überzeugte spielerisch aber höchstens zwischenzeitlich. Noch ist in der bemerkenswert ausgeglichenen
Liga niemand enteilt, die Hälfte aller Wettbewerber irgendwie Mitfavorit. Diese Unklarheiten kommen Schalke zugute, aber vor allem Grammozis wird sich dem kritischen Umfeld nun beweisen müssen: Dass er eine Spielphilosophie implementieren und mindestens Schlagdistanz zur Spitze halten kann.
Momentan weist die Tabelle Schalke als Elften der Zweiten Bundesliga aus. Hinter Klubs wie Heidenheim, Regensburg, Dresden oder Paderborn – ganz zu schweigen von Erstligisten wie Greuther Fürth, Bochum und Augsburg. Lange wird all das Drama, die Emotion, die Schicksals- und oft Tölpelhafigkeit, die diesen Klub so liebenswürdig für die einen und unausstehlich für andere macht, nicht mehr vorhalten. Wie alle Fußball-Unternehmen verdient der FC Schalke sein Geld am Ende schließlich mit Toreschießen.
Ein Terodde versteht sich darauf zwar bestens, wird den Klub aber allein nicht retten. In der Spitze gibt es auf dem Papier kaum stärkere Mannschaften, aber die erste Elf muss die Dinge bestenfalls in einer Stunde regeln. Von der Bank kann Grammozis kaum noch Impulse setzen – dazu bedarf es nicht einmal größeren Verletzungspechs.
Finanziell könnte sich ein zweites Jahr in Liga zwei verheerend auswirken, die auf viele Klubs eine erstaunliche Haftkraft ausübt. Schlechte Beispiele gibt es rechts und links zur Genüge. Königsblau muss hoffen, dass es irgendwie reicht, sich mit Hauruck aus der Abwärtsspirale zu befreien. Dafür braucht es womöglich mehr Glauben als Verstand. Sonst wird auch Steffen Baumgart erkennen, dass die Geschichte des großen FC Schalke mit „Es war ein mal ...“beginnt.