Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Kritik an Impfappell an Schulen
Eine Remscheiderin empfindet das Schreiben als „teilweise falsch formuliert“. Die Stadt bezieht Stellung.
In einem Brief an alle Schüler ab zwölf Jahren und deren Eltern hat die Stadt Remscheid jetzt an die Jugendlichen appelliert, sich impfen zu lassen. Darin werden unter anderem die bekannten Gründe aufgeführt, die für eine Schutzimpfung sprechen.
Eine Remscheider Mutter, die namentlich nicht genannt werden möchte, ärgert sich über das Schreiben
– zumindest kritisiert sie scharf zwei Formulierungen. „Zum einen heißt es, dass zunehmend deutlich mehr jüngere ungeimpfte Personen intensivmedizinisch behandelt werden müssten, da frage ich mich: Welche exakte Altersgruppe ist gemeint?“, sagt die 58-Jährige. Außerdem sei in dem Schreiben durch Fettschrift betont, dass die Coronaschutzimpfung sicher vor schweren Krankheitsverläufen schütze.
„Ich finde, dass diese Art der Formulierung den Schülern Angst einflößt und sie in eine Richtung, nämlich sich Impfen zu lassen, gedrängt werden.“Schriftlich hat sie bei der Verwaltung um eine Stellungnahme gebeten. Die Reaktion von Sozialdezernent und Leiter des Corona-Krisenstabs, Thomas Neuhaus, erfolgt prompt: „Natürlich gibt es nie eine
100-prozentige Garantie, jedoch zeigen die Studien weltweit, dass die Wahrscheinlichkeit, einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Infektion nach vollständiger Impfung zu entwickeln, signifikant reduziert ist ...“(Anmerkung der Redaktion: Das RKI hat ermittelt, dass die vollständige Impfung einen etwa 96-prozentigen Schutz vor einer intensivmedizinisch zu behandelnden Erkrankung bietet).
Ergänzend antwortet Neuhaus auf die Bitte nach einer genaueren Altersangabe, „dass deutschlandweite Erhebungen einen Anstieg von schweren Verläufen besonders unter jüngeren Menschen zwischen
35 und 59 Jahre verzeichnen.“Die Remscheider Mutter empfindet diese Antworten als Hohn: Wenn sich der Dezernent doch auf 35- bis
59-Jährige beziehe, könne sie nicht verstehen, warum diese Altersgruppe in einem Brief an Schüler bis
17 Jahren angeführt würde. „Und wenn Herr Neuhaus sogar selbst schriftlich einräumt, dass es keine
100-prozentige Sicherheit gibt, trotz Impfung nicht auf einer Intensivstation zu landen, dann darf das auch nicht anders in der Schulmail stehen.“In einer weiteren E-Mail fordert die Remscheiderin daher eindringlich, den Schülern zeitnah wahrheitsgetreu mitzuteilen, wie sich die Situation tatsächlich verhält. „Ansonsten sehe ich mich in der Pflicht, dies richtigstellen zu lassen, um zu verhindern, dass der ein oder andere Schüler aufgrund Ihres Aufrufes eine unüberlegte, voreilige Entscheidung trifft, die er später bereut.“
Gegenüber unserer Redaktion kündigte Neuhaus an, dass er eine „Gegendarstellung“nicht in Betracht ziehe. „Ich nehme mir das Recht heraus, von sicherem Schutz bei geimpften Jugendlichen zu reden, auch wenn es weltweit vereinzelte Gegenbeispiele geben sollte.“