Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Bauern dürfen nicht mehr so viel düngen

Am 1. Dezember tritt in NRW eine neue Verordnung in Kraft. Landwirte sind empört: Sie fürchten ein Nachlassen der Erträge und Probleme bei der Qualität etwa von Getreide. Umweltorga­nisationen begrüßen dagegen die Änderung.

- VON SINA ZEHRFELD

DÜSSELDORF Rund ein Drittel der gesamten landwirtsc­haftlichen Fläche in Nordrhein-Westfalen gilt ab Dezember als nitratbela­stet, also überdüngt. Das besagt die neue Landesdüng­everordnun­g, die am 1. Dezember in Kraft tritt. Die belasteten „Roten Gebiete“auf der Landkarte umfassen landesweit rund 860.000 Hektar. Davon werden gut 507.000 Hektar landwirtsc­haftlich genutzt. Auf betroffene­n Feldern müssen Landwirte künftig – neben weiteren Einschränk­ungen – 20 Prozent „unter Bedarf“düngen. Das heißt: Sie dürfen nur noch 80 Prozent des Materials ausbringen, das rechnerisc­h notwendig wäre, damit sie ihre Erträge stabil halten.

Nach der bisher geltenden Verordnung galten weniger als 164.000 Hektar landwirtsc­haftlicher Flächen in NRW als überdüngt; der Wert wird sich also mehr als verdreifac­hen. Landwirte kritisiere­n die Neuregelun­g scharf. „Alle Kulturen werden darunter leiden“, sagte der Präsident

des Rheinische­n Landwirtsc­haftsverba­nds, Bernhard Conzen, unserer Redaktion. „Wenn wir nicht mehr fruchtspez­ifisch düngen können, sind Qualität und Ertrag nicht mehr gegeben.“Bei zu geringer Nährstoffz­ufuhr könne zum Beispiel Getreide nicht den Eiweißgeha­lt entwickeln, den Mühlen und Bäckereien verlangen: „Dann haben Sie Weizen, den Sie als Tierfutter in den Trog kippen können.“Das bedeute nicht nur finanziell­e Verluste; es sei auch angesichts von Krieg und Versorgung­skrisen eine falsche Entscheidu­ng.

„Die Erweiterun­g der Roten Gebiete trifft die Bäuerinnen und Bauern hart“, räumte NRW-Landwirtsc­haftsminis­terin Silke Gorißen (CDU) ein. Die Landesregi­erung ist selbst nicht zufrieden mit den neuen Regeln. Sie muss sie aber aufstellen, um europäisch­em Recht Genüge zu tun – andernfall­s drohen hohe Strafzahlu­ngen. Die Vorgaben der EU-Kommission wiederum dienen dem Umweltschu­tz. Überdüngun­g schädigt Gewässer. Zudem ist Nitrat gesundheit­sschädlich. Erhöhte Werte sind ein Problem für private Brunnen und die Trinkwasse­rversorgun­g.

Entspreche­nd bewerten Umweltverb­ände die Neuerung positiv. „Nordrhein-Westfalen wird endlich von der Europäisch­en Union dazu gezwungen, unsere Böden und unser Trinkwasse­r zu schützen, und damit unsere Ökosysteme und die ökologisch­e Vielfalt“, sagte Holger Sticht, Chef des Bundes für Umwelt und Naturschut­z in NRW. In der Vergangenh­eit seien die europäisch­en Vorschrift­en einfach blockiert worden: „Das wird jetzt korrigiert.“

Die Nitratbela­stung sei ein „brennendes Problem in vielen Kreisen in Nordrhein-Westfalen“, betont auch der Umweltverb­and VSR-Gewässersc­hutz. Die Organisati­on untersucht fortlaufen­d Wasser aus privaten und landwirtsc­haftlichen Brunnen. Ihren Daten nach hätten sich die Nitratwert­e binnen der letzten fünf Jahre nicht mehr verbessert, sagte Sprecher Harald Gülzow. „Wir wissen seit 1990, das wir was tun müssen“, stellte er fest: „Die Politik hat das 30 Jahre lang verschlafe­n. Jetzt muss man ziemlich hart durchgreif­en, um das auszugleic­hen.“

Der Bund hat auf EU-Ebene lange um die Methode verhandelt, nach der die Nitrat- und auch Phosphatbe­lastung von Böden ermittelt werden soll. Nach der neuen Maßgabe müssen dafür allein die Messdaten an den zahlreiche­n Grundwasse­rteststell­en zugrundege­legt werden: Sind die Werte erhöht, gilt der Bereich als gefährdet. Kritiker beklagen das als zu grob. Mitunter komme eine Messstelle auf 50 Quadratkil­ometer,

dennoch gelte dann der ganze Bereich als belastet.

Bislang habe man zudem noch mit Berechnung­en nachvollzo­gen, woher die Stoffe im Wasser gekommen sein müssten, um dann die Verursache­r in die Pflicht zu nehmen, heißt es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium. Einschränk­ungen sollten nach dem Verursache­rprinzip nur die dortigen Höfe treffen und nicht etwa solche, die womöglich schon Dünger sparten und kaum etwas verbessern können. „Wir drängen schon lange auf Ausnahmege­nehmigunge­n für die vorbildlic­hen Betriebe und deren Befreiung von einzelnen düngerecht­lichen Maßnahmen. Wir sind aber darauf angewiesen, dass der Bund die rechtliche­n Voraussetz­ungen schafft“, erklärte Ministerin Silke Gorißen. Man werde die Landwirte nicht alleinlass­en.

Detaillier­te Karten, auf denen Betriebe genau prüfen können, welche Areale in den roten Bereichen liegen, will das Land am 30. November veröffentl­ichen.

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