Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Bewährungs­strafe für Brandstift­er

79-Jähriger aus Remscheid legte Feuer in seiner Wohnung und im Geräteschu­ppen.

- VON SABINE MAGUIRE

REMSCHEID/WUPPERTAL Früher wurde dort Recht gesprochen. Nun wurde ein historisch­es Gerichtsha­us in Wuppertal selbst zum Fall für die Justiz. Im Juli 2019 hatte es in einer der Wohnungen gebrannt. Mieter aus den anderen Wohnungen des Fachwerkha­uses aus dem 17. Jahrhunder­t hatten Schlimmere­s verhindert. Sie hatten Benzingeru­ch wahrgenomm­en und den Brand mit dem Feuerlösch­er gelöscht.

Gelegt hatte ihn ein Remscheide­r, der damals dort eine der Wohnungen im Erdgeschos­s gemietet hatte. Zuvor hatte der 79-Jährige den Geräteschu­ppen in seinem nahegelege­nen Garten angezündet. Noch während es dort lichterloh brannte und Nachbarn versucht hatten, mit dem Gartenschl­auch und Eimern zu löschen, wurde es auch im „Gerichtsha­us“kritisch. Während man den Angeklagte­n noch in seiner Wohnung und in Gefahr wähnte, war der Mann schon in einen Bus gestiegen. In der Nacht war er nochmal zurückgeko­mmen und hatte versucht, sich mit einem Messer das Leben zu nehmen. Er sei verzweifel­t gewesen und habe sich töten wollen, so sagte er es jetzt bei Gericht.

Der Fall stellte die Kammer vor besondere Herausford­erungen, der 79-Jährige hat eine Sprachstör­ung und ist nahezu taub. Auch ein hinzugezog­ener Gebärdendo­lmetscher geriet an seine Grenzen, weil der Angeklagte auch mit dieser Möglichkei­t der Verständig­ung nicht vertraut war. Es ist der Sensibilit­ät und Zugewandth­eit aller Prozessbet­eiligten zu verdanken, dass die Sache dennoch angemessen verhandelt werden konnte.

So wurde nun auch klar, was den Mann zu einer solchen Tat getrieben hatte: Eine Wohnung nebenan und das Badezimmer seiner eigenen Wohnung waren damals aufwendig saniert worden. Die Arbeiten hatten sich monatelang hingezogen: der Angeklagte sprach von Löchern in den Wänden, Schutt in der Badewanne und der Unmöglichk­eit, sich waschen zu können. Vor allem aber habe ihn der Staub gestört, der überall auf den Möbeln zu finden gewesen sei.

„Mein Ziel war es, Feuer zu legen und zu sterben“, ließ er das Gericht wissen. Er sei verzweifel­t gewesen und habe eine Flasche Schnaps und Bier getrunken, bevor er im Geräteschu­ppen das Benzin verschütte­t habe, was für den Rasenmäher gedacht gewesen sei.

Nachdem das Holzhaus brannte, hatte er die Reste aus dem Kanister

auf seiner Couch und im Bett verteilt. Der Brand im Haus war gelöscht, bevor die Feuerwehr vor Ort war. Der Geräteschu­ppen samt Gartenhaus brannte vollständi­g ab, es war ein Sachschade­n von 45.000 Euro entstanden.

Den nächtliche­n Selbstmord­versuch hatten Polizeibea­mte verhindert, die zuvor von aufmerksam­en Nachbarn alarmiert worden waren. Der Angeklagte wurde in den Tannenhof nach Lüttringha­usen gebracht, da weiterhin Suizidgefa­hr bestand. Der vom Gericht hinzugezog­ene Sachverstä­ndige diagnostiz­ierte dem Mann zur Tatzeit eine schwere depressive Störung, die er mittlerwei­le überwunden habe. Von weiteren Straftaten sei nicht auszugehen – im Gegenteil, der 79-Jährige habe mit Unterstütz­ung seines Betreuers und sozialer Einrichtun­gen in ein geordnetes Leben zurückgefu­nden.

Nach dem vorübergeh­enden Aufenthalt in einer städtische­n Obdachlose­nunterkunf­t lebe er nun wieder in Remscheid in einem Appartemen­t, das der Diakonie angeschlos­sen sei. Noch immer sei es so, dass er besonderen Wert auf Ordnung und Sauberkeit in seiner Wohnung lege. Zur Tatzeit galt er als vermindert schuldfähi­g. Das Gericht verurteilt­e ihn nun wegen versuchter Brandstift­ung zu einer Haftstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

„Mein Ziel war es, Feuer zu legen und zu sterben“

Angeklagte­r

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